Ahrensburg. Der Malteser Besuchs- und Begleitdienst bringt mit Mensch und Hund Abwechslung und Freude in das Leben von Senioren.
Am liebsten saß sie mit geschlossenen Augen in ihrem abgedunkelten Zimmer und sprach nur selten ein Wort. Und wenn, hatte das kaum einen Zusammenhang mit der Welt, in der sie gegenwärtig lebte. Einer Welt, in der ein Pflegeheim für Menschen mit demenzieller Veränderung ihr Zuhause war. Die Dame, nennen wir sie Elsa, ignorierte Pfleger und Familienangehörige oder zeigte ihnen unwirsch ihre Ablehnung. Kein Mensch kam so recht an sie heran. Erst ein Hund schaffte es, Elsas Augen und Herz wieder zu öffnen. Und sie zum Lachen zu bringen.
Solche und ähnliche Erlebnisse schildern Thomas Kleibrink und Britta Strüwe vom Malteser Hilfsdienst, wenn sie von dem von ihnen ins Leben gerufenen „Besuchsdienst mit Hund“ erzählen. Das Projekt, bei dem geschulte Ehrenamtliche gemeinsam mit ihrem Tier Menschen in Alten- und Pflegeeinrichtungen besuchen, läuft seit 2012 in Hamburg. 30 Hunde sind dort im Auftrag der Hilfsorganisation mittlerweile unterwegs. „Die Akzeptanz war von Anfang überwältigend“, so Thomas Kleibrink, Referent für das Soziale Ehrenamt bei den Maltesern. Der Funke zwischen Alt und Hund sei sofort übergesprungen.
Die vielen positiven Rückmeldungen bestärkten Kleibrink und Strüwe, den tierischen Besuchsdienst auch auf Stormarn auszuweiten. Dafür haben neun ehrenamtliche Mitarbeiter gemeinsam mit ihren Vierbeinern eine spezielle Ausbildung durchlaufen, die sie Ende vergangenen Jahres erfolgreich abgeschlossen haben. Jetzt sind sie kreisweit einsetzbar. Thomas Kleibrink: „Der Dienst will Freude schenken und aufzeigen, wie förderlich der Kontakt zu einem Tier für das Wohlbefinden eines Menschen sein kann. Ganz egal ob er alt, krank, körperlich oder geistig eingeschränkt ist.“
Britta Strüwe, die neben ihrer Arbeit beim Malteser Hilfsdienst auch Hundetrainerin ist, übernahm die rund 40-stündige Ausbildung der Stormarner Besuchsdienst-Anwärter. Davor wurden die Hunde einem Wesenstest unterzogen. „Nicht jedes Tier eignet sich für diese Arbeit“, sagt Strüwe. „Die Hunde brauchen ein gutes Nervenkostüm. Sie dürfen nicht schreckhaft sein und müssen damit klarkommen, wenn es um sie herum mal ein bisschen lauter zugeht.“ Sie werden beim Test mit Rollstuhl, Rollator und Krücken konfrontiert, um zu beobachten, wie sie darauf reagieren.
Die Tiere werden für ihren Einsatz nicht besonders trainiert
„Wir entscheiden uns ausschließlich für Hunde, die von vornherein ein freundliches und sicheres Wesen haben. Sie bringen die Grundvoraussetzungen für den Besuchsdienst also schon mit“, so Hundeexpertin Britta Strüwe. Die Tiere würden nicht gedrillt oder besonders trainiert. Müsste ein Hund erst lernen, in bestimmten Situationen nicht aggressiv zu reagieren, sei er für diesen Dienst ungeeignet.
Hundedame Kimba ist mehr als geeignet. Ihr ist die Gutmütigkeit ins Gesicht und in die dunkelbraunen Augen geschrieben. Der neun Jahre alte Mix aus Neufundländer und Berner Sennenhund ist zwar ziemlich groß und ziemlich schwarz – aber eben auch ziemlich lieb. „Wir waren bis 2015 bei der DLRG Rettungsstaffel Stormarn aktiv“, sagt Kerstin Semmrich und streichelt ihrer Kimba über den Kopf.
Gemeinsam suchten sie Vermisste zu Lande und zu Wasser. Eine Herausforderung, die Tier und Mensch viel Kraft und Ausdauer abverlangt. „Wir wollen ab diesem Jahr ein bisschen kürzertreten. Aber trotzdem weiterhin etwas Sinnvolles tun“, so Semmrich, die in Grönwohld wohnt und in Trittau arbeitet. Die Suche der Malteser nach Besuchshunden in Stormarn kam ihr deshalb gerade recht. Ausbildung und Prüfung schafften Kerstin und Kimba mit Bravour und mittlerweile haben sie ihren ersten Einsatz hinter sich.
Im Pflegeheim Haus am See in Lütjensee waren sie zu Besuch. „Die Bewohner haben sich unglaublich gefreut und uns mit offenen Armen empfangen“, erinnert sich Kerstin Semmrich. Und Kimba? „Die ist selig, wenn Menschen sich mit ihr beschäftigen.“ Zusammen mit ihrem Mann Dieter bildet Kerstin Semmrich die Gruppenleitung des Stormarner Besuchshunde-Teams.
Welche unmittelbare, positive Wirkung die Anwesenheit eines Tieres auf ältere Menschen hat, zeigte sich beim Fototermin des Hamburger Abendblattes mit dem Besuchshunde-Nachwuchs ganz deutlich. Im Malteser-Stift St. Elisabeth in Hamburg-Farmsen haben die neun Frischlinge ihre Prüfung abgelegt. Und dort sollen sie sich im Foyer mit ihren Besitzern zu einem Gruppenbild versammeln. Doch Hundedame Lotte muss zuerst einmal Werner Klump begrüßen.
Der 90-Jährige sitzt im Rollstuhl und ist gerade auf dem Weg in den Speisesaal. Von Lotte lässt er sich nur zu gern davon abhalten. „Hunde sind etwas Wunderbares“, sagt Klump, lacht und wird mit einem feuchten Kuss belohnt. „Ich bin in Hinterpommern auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte immer Tiere um mich herum. Meinetwegen könnten sie jeden Tag hier sein.“ Das sieht Lisel Werner ganz genauso. 94 Jahre ist sie alt, strahlt aber wie ein junges Mädchen, als Ehrenamtlerin Stefanie Baumgarten ihr Leckerchen für Carly, ihre Australian Shepherd-Hündin, in die Hand drückt. „Die mögen es ganz besonders, wenn man sie über die Ohren streichelt. Das beruhigt sie“, sagt Lisel Werner. Sie spricht aus Erfahrung, denn auch sie ist mit Hunden groß geworden.
Es seien wieder geweckte Erinnerungen, aber auch der unkomplizierte Umgang mit dem Tier, die den Menschen gut täten, sagt Projektleiterin Britta Strüwe. „Forschungen haben ergeben, dass dabei der Stresspegel im Körper sinkt. Gleichzeitig wird die Ausschüttung eines Hormons angeregt, das für soziale Interaktion zuständig ist.“ Heißt übersetzt: Der Kontakt mit Hunden entspannt und schafft ein Gefühl liebevoller Verbundenheit.