Reinbek. Der Ahrensburger Verein Pryvit ist in Reinbek mit dem Olof-Palme-Preis ausgezeichnet worden. Staatsministerin Özuguz hält Festrede.

Der Name des Gewinners wurde bis zuletzt wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Selbst die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende und Staatsministerin für Integration, Aydan Özoguz, die bei der Verleihung des Olof-Palme-Friedenspreises im Reinbeker Schloss die Festrede hielt, war vor ihrem Auftritt von den Organisatoren nicht informiert worden. Das Rätselraten der rund 200 geladenen Gäste beendete nach zwei Stunden schließlich der ehemalige Bargteheider Pastor Cord Denker, nachdem das Jurymitglied die sieben Kandidaten vorgestellt hatte. In jenem Moment erhob sich in der hintersten Reihe ein Mann von seinem Stuhl, der stellvertretend für 86 Mitstreiter den Sieger-Applaus erntete: Wulf Garde, 73, auf dessen Initiative sich 2011 der Ahrensburger Verein Pryvit – Hilfe für Tschernobyl-Kinder gegründet hatte. Er ist der Vorsitzende.

Ukrainische Kinder verbringen in Großhansdorf drei Wochen Ferien

Der Preis, vergeben von der Stormarner SPD in Kooperation mit der Walter-Jacobsen-Gesellschaft an ehrenamtliche Gruppen, Vereine, Verbände oder Einzelpersonen, die sich in besonderer Weise für Frieden und Demokratie einsetzen, wurde zum 29. Mal verliehen. Er ist in diesem Jahr mit 2250 Euro dotiert. Garde: „Ich freue mich über diese Anerkennung für den Verein. Wichtig ist aber, dass unser Thema in der Öffentlichkeit nicht vergessen wird.“

© HA | René Soukup

Der pensionierte Physiklehrer investiert pro Jahr rund 2000 Stunden in sein Projekt. „Eine Menge Holz, aber es lohnt sich“, sagt der 73-Jährige. Der Verein unterstützt Kinder aus der Region um das ehemalige Kraftwerk, die aus sozial schwachen Familien stammen und infolge der Strahlenbelastung schwer krank sind. In Tschernobyl war am 26. April 1986 der Reaktor eines Atomkraftwerks explodiert.

Die Ukrainer werden in Stormarn ärztlich versorgt

Pryvit lädt jeden Sommer auf eigene Kosten 16 bis 20 junge Ukrainer zur Erholung nach Großhansdorf ein. Sie verbringen dann einen dreiwöchigen Urlaub im Schullandheim Erlenried. Derzeit befindet sich eine Delegation des Vereins in dem radioaktiv belasteten Gebiet, um die Kinder – oft sind es Halbwaisen oder Waisen – auszusuchen, die demnächst Stormarn besuchen. Hier ist den Ukrainern auch eine umfangreiche ärztliche Versorgung garantiert, zum Beispiel in der Augenabteilung der Parkklinik Manhagen in Großhansdorf oder der Zahnarztpraxis für Kieferorthopädie Zahnschiff in Ahrensburg. Mediziner verschiedener Fachrichtungen wie Herz- oder Lungenspezialisten haben in Einzelfällen auch schon geholfen.

Um die Sprachbarriere zu überwinden, heuert der Verein jedes Jahr vier ukrainische Betreuer an, unter anderem Germanistik-Studenten, die als Dolmetscher fungieren. Der Aufenthalt der Kinder kostet Pryvit bis zu 30.000 Euro im Jahr. Den Preis gewannen die Ehrenamtlichen auch, weil sie für Völkerfreundschaft stehen. Und zwar nicht nur die deutschen Mitglieder. Trotz der politisch brisanten Lage in der Ostukraine arbeiten Russen und Ukrainer in der Organisation vertrauensvoll zusammen.

Gemeinschaftszentrum Sönke-Nissen-Park-Stiftung ebenfalls nominiert

Der Vorsitzende Wulf Garde will demnächst die Hilfe vor Ort verstärken. Er sagt: „Es ist angedacht, dass Zahnärzte aus Kiew in die Region reisen und die Kinder untersuchen. Wir schaffen sozusagen ein zweites Standbein.“

Olof Palme wurde am 28. Februar 1986 in Stockholm ermordet
Olof Palme wurde am 28. Februar 1986 in Stockholm ermordet © HA | René Soukup

Unter den Nominierten für den Olof-Palme-Friedenspreis waren auch das Gemeinschaftszentrum Sönke-Nissen-Park-Stiftung aus Glinde und das Reinbeker Jugendzentrum. Für sie und die anderen Kandidaten fand Cord Denker warme Worte. Ein Lob der Staatsministerin gab es auch für die Reinbeker Verwaltung, die mehrmals Flüchtlinge im Rathaus untergebracht hatte. Özoguz: „Das habe ich vorher noch nie gehört. Dafür ein Dankeschön.“

Der Verein Pryvit – Hilfe für Tschernobyl-Kinder finanziert sich zu zehn Prozent aus Mitgliedsbeiträgen und sonst ausschließlich über Spenden. Wer die Ehrenamtler finanziell unterstützen möchte, kann dies bei der Hamburger Sparkasse, IBAN-Nummer DE16 2005 0550 1241 1508 28, unter dem Stichwort „Spende Pryvit“ machen