Seit drei Jahren ist Tanja Lütje Kreiskulturreferentin. Sie spricht über Kinopläne, ein archäologisches Museum und den Wert von Kultur.

Ralph Klingel-Domdey
Christina Schlie


Tanja Lütje (r.) im Gespräch mit den Abendblatt-Reportern Christina Schlie und Ralph Klingel-Domdey
Tanja Lütje (r.) im Gespräch mit den Abendblatt-Reportern Christina Schlie und Ralph Klingel-Domdey © HA | Birgit Schücking

Sie ist Mutter von drei Kindern. Die Förderung kultureller Angebote für Heranwachsende liegt ihr nicht zuletzt deshalb besonders am Herzen. Und sie hat eine Menge Ideen, welche Potenziale in Stormarn unbedingt noch gehoben werden sollten. Durch eine engere Vernetzung von Kultur und Tourismus beispielsweise. Oder durch ein Museum, in dem die Artefakte aus dem Ahrensburger Tunneltal gezeigt werden könnten. Seit drei Jahren ist Tanja Lütje nun Kreiskulturreferentin in Stormarn. Nicht alle ihre Vorhaben hat sie bisher umsetzen können. Im Interview mit dem Abendblatt verrät sie, mit welchen Ideen sie die Einwohner und die Politiker Stormarns noch überraschen will.

Hamburger Abendblatt : Bitte definieren Sie einmal für uns den Begriff Kultur.

Tanja Lütje: Kultur ist Identität. Kultur ist alles, was uns Menschen umgibt. Kultur ist ein humanistisches Gesamtkonzept: Literatur, Musik, Theater. Aber auch das Thema Sozialkompetenz spielt mit in diesen Bereich unseres Lebens hinein. Kultur ist nicht nur ein Mehrwert oder das Salz in der Suppe unserer Gesellschaft. Nehmen Sie zum Beispiel die Wirtschaft – ohne Kultur, also ohne den Bodensatz, würde auch die nicht funktionieren.

Wie denken Sie über den Begriff Willkommenskultur? Mischt sich Kultur genug ein in aktuelle Themen wie die Flüchtlingsthematik?

Lütje : Der Begriff an sich sagt doch schon einiges aus. Willkommenskultur funktioniert am besten über das gemeinsame Tun. Mein Ansatz ist: Kultur ist Lebensbildung. Und ja, Kultur mischt sich ein. Gerade unterstützen wir in Kooperation mit der Stadt Bad Oldesloe und anderen das Oldesloer St. Josef-Haus. Dort leben rund 120 minderjährige und unbegleitete Flüchtlinge. Einmal in der Woche schaffen wir ein gemeinsames kulturelles Erlebnis. Gerade waren wir im Naturerlebnis Grabau, demnächst steht ein Besuch im Heimatmuseum in Bad Oldesloe an.

Als Sie als vor etwa drei Jahren als neue Kreiskulturreferentin antraten, haben Sie das Verhältnis zwischen Politik und Kultur als einen Spagat beschrieben. Wie hoch ist der Schwierigkeitsgrad bei dieser sportlichen Herausforderung?

Lütje : Eher hoch. In diesem Bereich gibt es noch immer eine Menge zu tun. Für die Politik ist Kultur immer noch viel zu oft eine freiwillige Aufgabe. Doch meiner Ansicht nach ist Kultur ein Grundrecht. Ein Recht, das man nicht wegdiskutieren kann. Ein Recht auch, für dessen Durchsetzung die Politik die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen muss.

Wie hoch ist Ihr Etat?

Lütje : Der hat sich auf Initiative des Kulturausschusses verdoppelt. Wir haben jetzt 20.000 Euro im Haushalt. Das klingt erst einmal gut. Dennoch ist das ein überschaubarer Rahmen.

Sie wünschen sich mehr?

Lütje : Ich sage nicht, dass sich Kultur ausschließlich mit Geld bestreiten lässt. Aber wir müssen aufpassen, dass Kulturaktive nicht ausgebeutet werden. Aus meiner Sicht kann Kultur nicht ausschließlich eine freiwillige oder ehrenamtliche Leistung sein.

Wie führt Tanja Lütje Ihre eigenen Kinder an das Thema Kultur heran?

Lütje : Die müssen immer mit (lacht). Unsere große Tochter war im Alter von zwei Jahren zum ersten Mal in einem Kammerkonzert. Sie liebt es bis heute.

Welchen Rat geben sie anderen Eltern?

Lütje : Kinder und Jugendliche sollten möglichst früh erste kulturelle Erlebnisse haben. Zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft „Stormarn kulturell stärken“, die sich aus der Sparkassen-Kulturstiftung, der Sparkassen-Stiftung, der Bürger-Stiftung und dem Kreis zusammensetzt, entwickeln wir dazu gerade ein Konzept. Ziel ist es, die Kulturarbeit in Stormarn auf eine breitere Basis zu stellen und durch optimierte Angebote zu ergänzen. Nach meiner Vorstellung wäre das so eine Art Kultur-Lebens-Koffer. Kinder und Jugendliche machen Erfahrungen und sammeln Erinnerungen, die sie ein Leben lang bei sich tragen. In diesen Koffer kommen neue Erfahrungen hinein, alte können wieder hervorgeholt werden. Je nachdem, wo der Mensch im Leben gerade steht.

Wie soll das funktionieren?

Lütje : Wir wollen aus allen Sparten der Kultur in Stormarn Angebote zusammenstellen, musikalische Erlebnisse und Begegnungen, Erfahrungen in möglichst allen Kultursparten – rezeptiv und vor allem auch partizipatorisch –, die wir Familien an die Hand geben können. Damit bekommt jeder die Chance, einen Teil seines Kultur-Lebens-Koffers in Stormarn zu packen.

Gehören nicht auch Kinobesuche mit in diesen Koffer? Das ist aber für viele Stormarner zurzeit schwierig, weil es nur noch das Cinema Paradiso in Bargteheide gibt.

Lütje : Selbstverständlich gehört der Film zum kulturellen Gesamt-Portfolio. Ich denke, dass ein Kino für Ahrensburg sehr gut wäre. Und dass es funktionieren würde. Das sieht man an den positiven Erfahrungen des Koralle-Kinos in Hamburg-Volksdorf. Vielleicht sollte die Politik sogar über eine Anschubfinanzierung nachdenken, bis sich das Haus etabliert hat. Das wäre doch einmal ein wünschenswerter gesamtpolitischer Ansatz. Wie gesagt; Kultur in allen Facetten unseres Lebens ist wichtig.

Wie gut ist Stormarn im Vergleich zu anderen Kreisen kulturell aufgestellt?

Lütje : Stormarn ist stark durch seine Initiativen, Vereine und Kulturtreibenden. Es ist phänomenal, wie vielfältig die Kulturlandschaft ist. In den kleinsten Orten gibt es Theatervereine oder Literaturkreise. Und der Kreis wächst – damit auch sein Potenzial. Schwieriger ist der Bereich zeitgenössischer Tanz. Aber insgesamt: Stormarn hat wunderbare Einrichtungen und großartige Kulturmacher. Und Programme, die dem Vergleich zu Großstädten standhalten.

Sehen Sie ein Nord-Süd-Gefälle?

Lütje : Ich mag diese Vergleiche nicht. Ich bin froh, dass in Reinfeld die Lesetage entwickelt wurden. Es gibt Jazz in Glinde, Kulturtage in Oststeinbek.

Sind die Stormarner kunstinteressiert?

Lütje : Ja, unbedingt. Das starke Interesse an zeitgenössischer Kultur ist besonders für einen eher ländlichen Kreis. In Summe sind aber trotzdem nur zwei bis sechs Prozent der Bevölkerung an zeitgenössischer Kunst interessiert.

Was ist aus Ihrer Idee geworden, Kunstpädagogen in Kitas und Grundschulen zu schicken?

Lütje : Durch die Geburt meines dritten Kindes konnte ich das Projekt noch nicht konkretisieren. Es wird aber noch in diesem Jahr ein Gesamtkonzept für Kinder- und Jugendkulturelle Bildung geben. Im Marstall existiert nach wie vor das Kinderatelier, das sich nach Trittau ausgeweitet hat.

Wird es eine Fortsetzung des Jugendkulturpreises geben?

Lütje : Ja, es ist wichtig, die Jugendlichen im Blick zu behalten. Zum Kreisjubiläum 2017 wird es die nächste Ausschreibung geben.

Im Landratsamt steht ein Führungswechsel an. Haben Sie besondere Erwartungen an Henning Görtz, den Nachfolger von Klaus Plöger?

Lütje : Ich hoffe sehr, dass Herr Görtz die Kultur gleichwertig mit anderen Themen wahrnimmt und unterstützt.

Sehen Sie Chancen, den Tourismus in Stormarn im Zusammenspiel mit ihrem Arbeitsfeld zu stärken?

Lütje : Wir halten engen Kontakt zu Tourismus-Managerin Rabea Stahl und werden gemeinsam das Sommerprogramm auf den Weg bringen. Die Metropolregion hat mittlerweile auch eine Unter-Abteilung Kultur, da ist vieles möglich. Da wäre zum Beispiel ein gemeinsamer Veranstaltungskalender eine Idee, die allen dient.

Die Lust auf Stormarn haben Sie offenbar noch nicht verloren?

Lütje : Nein, es ist großartig hier. Stormarn bietet eine tolle Mischung aus Kulturlandschaft und Naturlandschaft. Als Teil der Metropolregion ist das ein großer Schatz.

Dennoch – so etwas wie ein Leuchtturm-Projekt würde das Ensemble wohl abrunden, oder?

Lütje : Klar. Ein Museum zum Beispiel, in dem die Ausgrabungen aus dem Ahrensburger Tunneltal präsentiert werden könnten. Das hätte etwas.

Zum Schluss eine Bitte: Wie lauten die drei aktuellen Kulturtipps der Kulturreferentin für die Abendblatt-Leser?

Lütje : Sie sollten Bad Oldesloe im Blick haben, wo es besondere Erlebnisse im Neubau des Theaters geben wird. Und das Figurentheaterfestival, das vom 13. Februar bis zum 17. April an verschiedenen Orten im Kreis gastiert. Das ist sehr familienkompatibel, aber auch wunderbar für Erwachsene. Und natürlich die aktuelle Ausstellung „Fantastic Imperfections“ von Maxim Brandt in der Wassermühle Trittau. Die ist sehr sehenswert. Zum ihrem Abschluss findet am 6. März, um 15 Uhr noch ein Künstlergespräch statt.