Bad Oldesloe. Im Doppelinterview mit dem Abendblatt sprechen Henning Görtz und Klaus Plöger über Politik, das Stormarner Erfolgsmodell und Chancen.
Die beiden Männer funken auf einer Wellenlänge. Wenn sich Klaus Plöger und Henning Görtz, amtierender und künftiger Landrat in Stormarn, unterhalten, ist der Ton freundschaftlich. Manchmal fast kumpelhaft. „Wir bereiten in den nächsten Wochen einen geordneten Übergang vor“, sagt Plöger. Der 67-Jährige gibt die Führung der Kreisverwaltung am 23. April nach 18 Jahren ab. Bis dahin will Görtz, 49, die internen Abläufe in den Gebäuden am Oldesloer Bahnhof kennenlernen und an Amtsleiterrunden teilnehmen. „Vieles läuft sehr professionell“, sagt Plöger, „einiges gilt es sicher auch zu ändern, zum Beispiel die zahlreichen Arbeitszeitmodelle, die wir parallel haben.“ Grundsätzlich aber dürfte die Verwaltung ihren Kurs beibehalten – unabhängig davon, dass Klaus Plöger (SPD) und Henning Görtz (CDU) unterschiedliche politische Wurzeln haben. Im Doppel-Interview gibt das Hamburger Abendblatt den Männern Stichworte vor. Aus den Antworten ergeben sich immer wieder große Schnittmengen.
FÜHRUNGSSTIL
Klaus Plöger: Klare Ansagen, große Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Mitarbeiter. Das Verhältnis muss Handschlagqualität haben. Zusammengefasst würde ich sagen: Mein Führungsstil ist indirekt autoritär. Das klingt ein bisschen böser, als ich es meine.
Henning Görtz: Sehr ähnlich. Kooperativ. Ich sage, was ich will, und erwarte auch, dass die Dinge selbstständig abgearbeitet werden. Wenn es gewünscht oder notwendig ist, steige ich in den Entscheidungsprozess mit ein. Als Leiter der Verwaltung muss ich am Ende ja auch den Kopf dafür hinhalten.
Plöger: Führungskräfte müssen wissen, wann es wirklich nötig ist, den Landrat einzubeziehen und wann nicht. Dass wir am Ende immer noch viele Entscheidungen treffen müssen, ist klar. Dafür werden wir schließlich bezahlt.
Görtz: Wir müssen ja auch dafür geradestehen.
Plöger: Kein Mitarbeiter möchte, dass er jeden Kleinkram absprechen muss. Das ist Kindergarten und nicht moderne Verwaltung.
KOMMUNALPOLITIKER
Görtz: Die ehrenamtlichen Abgeordneten sind diejenigen, die die Entscheidungen zu treffen haben. Die Verwaltung hat sie vorzubereiten und umzusetzen. Darum sind wir gegenseitig auf eine gute Zusammenarbeit angewiesen. Beide Seiten müssen wissen: Die einen können nicht ohne die anderen. Es ist extrem wichtig, dass man unabhängig vom Parteibuch sehr fair mit ihnen umgeht. Und ihnen immer alle nötigen Informationen bereitstellt.
Plöger: Verwaltung und Politik sind zwei Seiten einer Medaille. Da muss beiderseitiges Vertrauen herrschen, da muss Klartext geredet werden: Man kommuniziert nicht über die Zeitung miteinander.
Görtz: Vertrauen muss man sich über Jahre erarbeiten, indem man den ehrlichen Umgang lebt. Man kann das mit einer einzigen Aktion kaputtmachen.
Plöger: Wichtig ist, dass dieses Vertrauen auch dann bewahrt wird, wenn etwas „richtig schön in die Hose“ geht.
ERFOLG
Plöger: ... erweitern wir auf einen Satz: Das Stormarner Modell ist eine Erfolgsgeschichte.
Görtz: Den Erfolg des Kreises Stormarn kann man an vielen Kennziffern ablesen und auch am politischen Klima. Dieser Erfolg hängt stark damit zusammen, dass man im Zweifelsfall die eigenen Interessen hinter den Interessen der Gemeinschaft zurückstellt. Das hat sich entwickelt. In Bargteheide hab’ ich das Gleiche versucht. Und ich glaube, das ist mir auch gelungen.
Plöger: Die bösartige Behauptung mancher ist, dass im Kreistag nicht offen diskutiert wird. Das ist völliger Quatsch. Die Politiker in den Ausschüssen bekommen alles, was sie brauchen, und einigen sich auf die wichtigsten Punkte. Beim Haushalt gibt es die Körbchenrunde – eine kurze nichtöffentliche Beratung der Fraktionsspitzen – danach wird alles mit den Fraktionen endberaten und abgestimmt. Das ist sehr effektiv und transparent. Da wird keiner ausgegrenzt, das ist keine Mauschelrunde. Das können nur Leute behaupten, die ihren Kram selbst nicht auf die Reihe kriegen.
KRITIK
Plöger: ... dient zur Klarheit in der Sache. Wir machen alle Fehler, dann ist es in Ordnung, wenn man kritisch begleitet wird. Das gilt hin und zurück. Kritik muss fair und sachlich bleiben. Es darf auch nicht immer „oben unten stechen“. Wenn ein Auszubildender sagt, etwas gefalle ihm nicht, dann denke ich darüber nach. Ebenso, wenn sich ein Bürger meldet. Mitunter ist es allerdings anstrengend, wenn die Kritik „so was von daneben“ ist.
Görtz: Ich verstehe Kritik als Feedback. Jeder muss in der Lage sein, den anderen zu kritisieren. Das trägt dazu bei, sich weiterentwickeln zu können. Dazu ist es wichtig, so viel Vertrauen aufzubauen, dass jeder den Mut hat, Kritik zu äußern.
SCHWÄCHEN
Plöger: Wessen? (kurze Pause) Ich kann nicht tanzen, will ich auch nicht.
Görtz: Ich bin Anhänger des FC Bayern.
FREUNDE
Plöger: Menschen, mit denen ich gern meine Freizeit verbringe und bei denen ich sicher bin, dass sie meine Fehler akzeptieren und diese auch konstruktiv kritisieren.
Görtz: Ich hab’ einen großen Freundeskreis, der mir sehr wichtig ist. Mit meinen Freunden kann ich ungezwungen reden, ohne immer darüber nachdenken zu müssen, ob ich eine Sache jetzt so oder so formulieren muss.
GLÜCK
Plöger: Wenn man mit Gesundheit alt wird. Und vielleicht nicht auf den Cent schauen muss. Wenn dann noch der Rückhalt von Frau, Familie und Freunden dazukommt, ist es perfekt.
Görtz: Familie, Freunde, Gesundheit und Zufriedenheit – diese Stichworte gehören zum Glück dazu. Und wenn man darüber hinaus noch erfolgreich sein darf. Das alles fällt einem aber nicht in den Schoß, dafür muss man etwas tun.
STORMARN
Plöger: Das ist eine gemeinsame Erfolgsgeschichte. Aber dennoch haben wir noch einiges zu tun.
Görtz: Diese Erfolgsgeschichte muss man immer weiterentwickeln. Der Erfolg liegt nämlich nicht daran, dass Stormarn privilegiert zwischen Hamburg und Lübeck liegt, sondern daran, dass ganz viele Menschen gemeinsam hart daran gearbeitet haben. Es ist eine Riesenaufgabe, diesen Zug auf dem Gleis zu halten.
Plöger: Ich möchte auch noch hohe Lebensqualität nennen und hohe Zufriedenheitswerte. Das betrifft nicht nur die wirtschaftliche Situation, sondern auch Kultur und Natur.
WENN NICHT STORMARN, DANN ...
Plöger: Hamburg! Wenn ich an Eppendorf, wo ich geboren bin, und an den Isemarkt denke, oder an die Elbe und das Kulturangebot – Hamburg ist eine spitzenmäßige Stadt.
Görtz: Hamburg für die Freizeit und den Weitblick, die Lübecker Bucht für die Erholung. Außerdem sind wir gern in der Heimat meiner Frau auf Rügen. Auf der Insel haben wir Zeit, richtig gut abzuschalten. Es gibt aber auch viele tolle andere Orte auf den Welt.
PERSPEKTIVEN
Görtz: Es gibt Themen aus dem Tagesgeschäft wie die Flüchtlinge, bei denen der Kreis und die Kommunen gemeinsam gucken müssen, wie wir das Thema bewältigen können. Weitere Herausforderungen sind natürlich der demografische Wandel und die Wohnungsnot. 15.000 fehlende Wohnungen sind eine Hammerzahl, auch da müssen sich Kreis und Kommunen gegenseitig unterstützen.
Plöger: Ich schau mal, ob jemand für meine bekannten Fähigkeiten noch bezahlen möchte. Wenn ein wirklich spannendes Ehrenamt kommt – ich sag’ mal ab November –, dann könnte ich mir das auch vorstellen. Und ich werde sicher nicht zu Hause rumsitzen und warten, dass mich jemand anruft. Gleichzeitig mit meinem beruflichen Ende hier beginnt ja der Frühling. Da bin ich erstmals frei von Terminen. Das ist eine völlig neue Erfahrung. Ich hab’ ja neben meinem vorherigen Beruf als Lehrer 30 Jahre Ehrenämter ausgeübt. Das waren oft Sieben-Tage-Wochen. Jetzt gucken wir mal ...
Zur Person von Henning Görtz Henning Görtz ist neuer Landrat HA/ Birgit Schücking
Der künftige Landrat wurde am 1. Dezember 1966 geboren, ist verheiratet, hat einen Sohn.
Bürgermeister in seiner Heimatstadt ist Görtz seit 2008. Zuvor war der promovierte Diplom-Kaufmann, der BWL studiert hat, u. a. Geschäftsführer der Stormarner CDU, leitete den Stabsbereich im Landes-Finanzministerium. Für die CDU saß er 1986 bis 2008 in der Bargteheider Stadtvertretung. Er ist Landesvorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung.
Zur Person von Klaus Plöger
Der Barsbüttler Klaus Plöger wurde am 25. September 1948 in Hamburg geboren, ist verheiratet und hat eine Tochter, 33. Als Studienrat unterrichtete er Mathe und Politik, bis er 1998 von den Stormarnern direkt zum Landrat gewählt wurde. 2003 wurde er von den Bürgern bestätigt, 2009 vom Kreistag. Für die SPD war er jeweils acht Jahre Gemeindevertreter und Kreistagsabgeordneter.
Die Kreisverwaltung
Rund 660 Mitarbeiter sind in fünf Fach- und vier Stabsbereichen für die Kreisverwaltung tätig. Bad Oldesloe ist die Kreisstadt mit dem Hauptsitz Mommsenstraße 13. Die Kfz-Zulassungsstelle liegt im Oldesloer Gewerbegebiet Am Rögen. Im Kreistag sind CDU (22 Sitze), SPD (16 Sitze), Grüne (9 Sitze), FDP (3 Sitze), Forum 21 (2 Sitze) und Linke (1 Sitz) vertreten.