Ahrensburg. In den Kitas arbeiten mehr Frauen als Männer. Landesweit steigt der Anteil der männlichen Erzieher, in Stormarn sieht es anders aus.

Wer morgens sein Kind in einen Stormarner Kindergarten bringt, der wird meistens von Erzieherinnen begrüßt. Männliches Personal? Fehlanzeige. Dabei zeigen die jetzt vom Statistikamt Nord vorgelegten Zahlen, dass Anfang März 2015 mehr Männer in einer Kindertageseinrichtung in Schleswig-Holstein gearbeitet haben als im Vorjahr. In Stormarn sind es momentan 111 Erzieher, 37 Männer mehr als noch vor fünf Jahren. Das Abendblatt hat sich im Awo- Kinderhuus Am Reesenbüttel in Ahrensburg umgeschaut. Dort arbeiten fünf Männer – eine Seltenheit.

Es sei wichtig für die Entwicklung der Kinder, dass es auch männliches Personal gibt

Um 13 Uhr sind die ganz kleinen Kindergartenkinder schon wieder zu Hause. Für die beiden Erzieher Frank Wolniack, 40, und Justin Cartwright, 39, beginnt nun die Arbeit. Sie sind in der Fritz-Reuter-Schule in Ahrensburg. Seit neun Jahren gibt es hier eine Hortgruppe des Awo-Kinderhuus. Sie heißt „Fritz-Gruppe“. 44 Kinder werden nach dem Schulunterricht betreut.

Die beiden Erzieher sehen es als wichtig für die Entwicklung der Kinder an, dass es auch männliches Personal gibt. Der lässig mit Hut bekleidete Wolniack sagt: „Es gibt viele alleinerziehende Mütter. Da fehlt dann oft eine männliche Bezugsperson.“ Schon oft hätten Kinder Papa zu ihm gesagt. Sein Kollege Cartwright sagt: „Männer können viele Themen leichter umsetzen als Frauen.“ So wüssten die meisten Erzieher mehr über Fußball oder seien handwerklich geschickter. Während Cartwright an seine Schützlinge das Mittagessen verteilt, sagt er: „Einige Kinder wollen auch nur mit Männern über bestimmte Themen sprechen.“

So ist das zum Beispiel bei Hortkind Niels. Der neun Jahre alte Grundschüler sagt: „Wenn ich ein Problem habe, gehe ich immer zu einem der beiden Erzieher.“ Sein Freund Felix nickt zustimmend. Dann sagt er: „Justin und Frank haben mehr Humor als die Erzieherinnen.“ Der Zehnjährige nimmt seine Portion Essen entgegen. Auch Nico, 10, wartet auf sein Essen. Er ist auch froh darüber, dass die beiden Erzieher im Hort arbeiten. Nico sagt: „Erzieherinnen machen manchmal nur Sachen für Mädchen.“

Entwicklung im Berufsbild des Erziehers

Während Wolniack und Cartwright im Hort sind, kümmern sich die drei anderen männlichen Erzieher des Awo-Kinderhuus um die Hausaufgabenbetreuung in der Grundschule Am Reesenbüttel. Thorsten Weber, der als Sozialpädagogischer Assistent arbeitet, ist in einem der vielen Klassenräume zu finden. Der 21-Jährige sagt: „Ich arbeite seit drei Monaten im Kinderhuus.“ Wie kam er auf die Idee, diesen Beruf auszuüben? Weber sagt: „Meine ganze Familie arbeitet im sozialen Bereich.“

Einen Unterrichtsraum weiter kontrolliert Stefan Stolze gerade die Hausaufgaben von zwei Schülern. Seit 16 Jahren arbeitet er schon im Kinderhuus. Er sagt: „Ich liebe die Arbeit mit Kindern, sie geben so viel zurück.“ Sein beruflicher Werdegang: Abitur, Zivildienst, Sozialpädagogik-Studium. Hauptsächlich arbeitet er im Hortbereich, manchmal helfe er aber auch in der Elementargruppe aus. Zudem ist er stellvertretender Leiter des Kindergartens. „Ich komme auf eine 38-Stunden-Woche“, sagt der 46-Jährige.

Im Laufe der Jahre hat der Sozialpädagoge eine Entwicklung im Berufsbild des Erziehers beobachtet. Stolze sagt: „Mittlerweile trauen sich mehr Männer an den Beruf ran.“ Doch warum gibt es so wenig Erzieher? Ansehen und Wertschätzung seien gering. „Das spiegelt sich auch in der Bezahlung wider“, meint Stolze.

Männer fangen an, sich für die pädagogische Arbeit mit Kindern zu interessieren

In den Stormarner Kindertageseinrichtungen arbeiten 1748 Menschen, darunter 111 Männer. Das sind rund sechs Prozent. Im Jahr 2010 waren es 1193 Beschäftigte, darunter 74 Männer – also ebenfalls sechs Prozent. Landesweit ist der Anteil der männlichen Mitarbeiter zwischen 2010 und 2015 von knapp sechs auf knapp acht Prozent gestiegen. Schleswig-Holsteins Gleichstellungsministerin Kristin Alheit, SPD, sagt: „Der Anstieg zeigt, dass Männer anfangen, sich für die pädagogische Arbeit mit unseren Jüngsten zu interessieren.“ Besonders erfreulich sei, dass dieser Zuwachs auf das steigende Interesse des Berufsnachwuchses zurückzuführen sei. So sind in der Altersgruppe bis 30 Jahre landesweit gesehen gut 13 Prozent der Mitarbeiter in Kitas männlich. Alheit sieht darin eine Bereicherung für die Kitas sei und einen Schritt hin zu einer geschlechtergerechteren Gesellschaft.

Der bekannte Erziehungsexperte Jan-Uwe Rogge Bargteheide sagt: „Es sind alle Bezugspersonen in Kindertageseinrichtungen wichtig, aber ein Erzieher bringt noch andere Möglichkeiten mit.“ So gebe es viele Jungen, die Erzieher toll finden. Das merke er selbst auch oft, wenn er ein Coaching im Kindergarten mache. Rogge: „Wenn ich in eine Kindergartengruppe komme, wollen vor allem die Buben mit mir spielen und toben.“ Der Bargteheider Autor ist der Meinung, dass mehr Männer in Kitas wünschenswert wären. Allerdings appelliert er auch an die Mütter: „Sie sollten sich darum kümmern, dass die Väter mehr Zuhause sind und Zeit mit ihren Kindern verbringen.“ Das sei sehr wichtig. Nüchtern betrachtet gebe es aus seiner Sicht so wenig Erzieher, weil die Bezahlung zu schlecht sei. „Wie soll ein Erzieher denn der Hauptverdiener in einer Familie sein?“, fragt sich Rogge. Es müssten mehr finanzielle Anreize geschaffen werden sowie Fort- und Weiterbildungen angeboten werden.