Grosshansdorf. Weil Ahrensburg keine Kleiderkammer hat, muss Großhansdorf ein Einzugsgebiet von 50.000 Einwohnern versorgen und stößt an seine Grenzen.

Es ist eng geworden in der Kleiderkammer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Großhansdorf. Klobige Kleiderschränke stehen randvoll in Reih und Glied. Gegenüber hängen die Winterjacken an der rund vier Meter langen Kleiderstange, in der Ecke türmen sich die Schuhe. Durch die schmalen Gänge schlüpfen die vier ehrenamtlichen Helferinnen – und die Bedürftigen, die sich in der Kleiderkammer kostenlos etwas zum Anziehen holen können. Es ist eng, voll und wuselig, kleine Zusammenstöße und Rempeleien sind praktisch unvermeidbar.

Der Grund ist schnell erzählt: Seit Ahrensburg keine eigene Kleiderkammer mehr habe, müsse Großhansdorf die 30.000 Einwohner starke Stadt mitversorgen, sagt Rüdiger Hoop, der Vorsitzende des Großhansdorfer DRK-Ortsverbands. Was bedeutet: Seit Anfang 2014 hat sich das Einzugsgebiet der Kleiderkammer von 20.000 Einwohnern auf 50.000 mehr als verdoppelt. Ursprünglich versorgte die Einrichtung nur Großhansdorf (rund 9000 Einwohner) und das Amt Siek (rund 10.000 Einwohner).

Helferinnen müssen stundenlang Kleidung sortieren

Das Problem: Nicht nur die Ausgabe von Kleidung ist seitdem aufwendiger geworden – durch das vergrößerte Einzugsgebiet und die Flüchtlingssituiation ist die Zahl der Bedürftigen rasant gestiegen – sondern auch die Annahme. „Wir laufen hier über“, sagt Lore Grube, eine der ehrenamtlichen Helferinnen in der Großhansdorfer DRK-Kleiderkammer. Es gebe seit einiger Zeit so viele Kleiderspenden, dass sie und ihre Kolleginnen nur noch mit Aussortieren beschäftigt seien.

Grube: „Mittlerweile stellen die Leute die Sachen einfach vor die Tür. An einem Tag waren es zehn Säcke.“ Dabei gebe es feste Annahmezeiten von Kleidung, bislang waren es zwei Tage im Monat. „Es gibt leider auch viele, die nicht so gute Sachen bringen. Manche denken offenbar, wir sind ein Entsorgungsbetrieb“, sagt Grubes Kollegin Gisela Heilmann. Manche Kleidungstücke seien völlig verschmutzt. „Es geht doch nicht, dass wir jetzt auch noch anfangen, die Kleidung zu Hause zu waschen“, so die 82-Jährige.

Elf Ehrenamtliche engagieren sich derzeit für die rund 70 Quadratmeter große Kleiderkammer im Ort. Mit den Diensten wechseln sie sich zwar ab – meist sind sie zu Viert pro Ausgabetermin. „Aber das Stehen und Reden strengt uns schon sehr an. Ich bin hinterher immer ganz erschossen“, sagt Heilmann. Sie und ihre Kolleginnen seien ja schließlich nicht mehr die Jüngsten. Dennoch wirken die Helferinnen nicht unzufrieden mit ihrem Ehrenamt. „Es sind größere Räumlichkeiten geplant. Unser Bürgermeister hat das zur Chefsache gemacht. Ich finde es toll, wie er mit uns umgeht und uns berät“, sagt Lore Grube.

Kleiderspenden nimmt ab sofort nur noch das Büro des DRK-Ortsvereins entgegen

Um die derzeitige Situation zu entzerren, nimmt das DRK Großhansdorf Kleiderspenden ab sofort nur noch im Büro des DRK-Ortsvereins an (Papenwisch 30), und zwar montags sowie mittwochs bis freitags, jeweils von 9 bis 12 Uhr. Außerdem gibt die Kleiderkammer ab sofort jeden Mittwoch von 15 bis 17 Uhr Kleidung aus – anstatt wie bislang nur zwei Mal im Monat. „Wir rechnen mit weiterem Zulauf“, sagt Gisela Heilmann. Allein in den ersten drei Quartalen in 2015 habe die Kleiderkammer knapp 1000 Kleidungsstücke an 119 Personen verteilt.

Kleiderspenden – das müssen Sie wissen

Kleiderkammern nehmen nur Spenden in Form von gewaschener Kleidung sowie saubere Schuhe an. Die Textilien dürfen gebraucht sein, sollten aber sofort tragbar sein. Im Moment werden daher nur Wintersachen benötigt sowie Rucksäcke und geräumige Handtaschen.

Gebraucht werden in den Kleiderkammern vor allem kleinere Konfektionsgrößen sowie wintertaugliche Schuhe in kleineren Größen. Nicht benötigt werden Kleider, kurze Röcke und Schuhe mit hohen Absätzen.

Weitere Annahmestellen für Kleidung sind die Sozialkaufhäuser in Bad Oldesloe und Glinde (mehr Infos unter www.awo-bildungundarbeit.de) sowie in Ahrensburg (www.sozialkaufhaus-stormarn.de).

Die Ausgabe von Kleidung an bedürftige Einheimische und Flüchtlinge erfolgt in den Sozialkaufhäusern gegen einen geringen Geldbetrag. In den Kleiderkammern ist die Ausgabe kostenlos.

Auch Textilcontainer, beispielsweise von der Arbeiterwohlfahrt (AWO), dem DRK oder der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH), sowie alle AWSH-Recyclinghöfe sind Sammelstellen für Altkleider.

In die Container dürfen trockene Textilien aller Art, aber keine Schuhe oder stark verschmutzte Kleidung. Die Altkleider werden, je nach Zustand, weiterverwertet. Teils werden sie weiterverkauft, teils zu Putzlappen und Dämmmaterial verarbeitet.

Die Verbraucherzentrale warnt vor unseriösen, gewerbsmäßigen Kleidersammlern und illegal aufgestellten Textilcontainern. Spender sollten darauf achten, dass Adresse und Kontaktdaten des Sammelnden angegeben sind sowie die weitere Verwendung der Kleidung.

Für Seriosität sprechen auch einige Labels, beispielsweise vom Verband, FairWertung, das Prüfsiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) sowie das BVSE Qualitätssiegel Textilsammlung vom Bundes­verband Sekundär­rohstoffe und Entsorgung.

Die Restmülltonne ist keine Alternative für ausgediente Kleidung. Dadurch würden wertvolle Rohstoffe für eine Weiterverwertung verloren gehen.

1/9

Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß sieht die Entwicklung skeptisch. Zwar sei es schön, dass so viele Menschen spendeten und so viele Bedüftige sich Kleidung abholten. „Aber das Ganze muss ehrenamtlich auch leistbar sein“, betont Voß. Noch seien alle Beteiligten fast euphorisch bei der Sache. Wie lange diese Stimmung noch anhalte, sei jedoch fraglich. „Deshalb möchte ich die Stadt Ahrensburg bitten, doch selber wieder für eine eigene Kleiderkammer zu sorgen“, sagt Voß mit Nachdruck. Auch Rüdiger Hoop sieht die Stadt in der Pflicht: „Sie muss einen Raum zur Verfügung stellen, für deren eigene Bevölkerung und die dort lebenden Flüchtlinge“, so der DRK-Vorsitzende.

Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach ist sich der Brisanz bewusst. „Selbstverständlich braucht Ahrensburg eine Kleiderkammer. Es ist aber nicht einfach, einen Raum zu finden.“ Dieser müsse geeignet und vor allem bezahlbar sein. Zudem gebe es in Ahrensburg gleich zwei Organisationen, die eine Kleiderkammer betreiben wollten: Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und das Deutsche Rote Kreuz (DRK). „Es stellt sich die Frage, ob die beiden das nicht gemeinsam betreiben können“, sagt Sarach.

DRK Ahrensburg erwartet finanzielle Hilfe von der Stadt

Die Raumfrage zumindest könnte bald gelöst sein. Der Ahrensburger DRK-Ortsverein hat mit Hilfe eines Ahrensburger Bürgers eine 100 Quadratmeter große Fläche in fußläufiger Entfernung zum U-Bahnhof Ahrensburg West gefunden. „Allerdings können wir die Mietkosten von rund 640 Euro im Monat nicht selbst aufbringen“, sagt Ahrenburgs DRK-Vorsitzender Rudolf Dorsch. Er hofft auf eine Kostenübernahme durch die Stadt.

Bis Ende 2013 hatte der Ahrensburger DRK-Ortsverein eine Kleiderkammer in den Räumen der Grundschule am Schloss betrieben. Dort musste sie allerdings ausziehen, weil die Schule Platz für einen Anbau brauchte. „Ich habe jetzt schon mal bei unseren damaligen ehrenamtlichen Helferinnen angefragt, ob sie für eine neue Kleiderkammer wieder zur Verfügung stehen würden“, so der DRK-Ortsvorsitzende. Er halte eine Neueröffnung für dringend Notwendig. „Wir haben jeden Tag mindestens drei Anrufer, die fragen, wo sie in Ahrensburg ihre Kleiderspenden loswerden können.“