Ahrensburg . Roland Nethe und Oliver Jockers finden selbst im Unscheinbaren besondere Motive. Das Abendblatt hat sie auf einem Streifzug begleitet.
Ein milder Sonnabendvormittag im Herbst. Die Nadel des Thermometers steht auf 15 Grad Celsius, es ist bewölkt. Die perfekten Rahmenbedingungen für einen Spaziergang rund um das Ahrensburger Schloss. Aber die Spaziergänger sind – so scheint es für den Außenstehenden jedenfalls – nicht so richtig bei der Sache. Immer wieder brechen sie das Gespräch ab, halten an, halten inne. Und drücken ab. Momente, Blickwinkel, Strukturen werden festgehalten.
Bedächtig, ruhig und konzentriert. Ein Rundgang mit den Hobbyfotografen Roland Nethe und Oliver Jockers kann auf Beobachter ganz schön anstrengend wirken. Vor allem aber verändert er die Perspektive auf die Umgebung. Schärft das Bewusstsein für Details, Kompositionen und Strukturen.
Am wichtigsten ist der Blick, die Ausrüstung spielt keine Rolle
Wir treffen uns am Parkplatz vor dem Schloss. Oliver Jockers hat über seine rechte Schulter eine digitale Kompaktkamera gehängt, links baumelt ein analoges Modell der Firma Leica. Roland Nethe ist mit einer digitalen Spiegelreflexkamera unterwegs, zu der er ein Weitwinkelobjektiv nutzt. Auch ich habe eine digitale Spiegelreflexkamera dabei, ein älteres Modell zwar, aber immerhin. Ich präsentiere den schon leicht ramponierten Apparat.
„Die Kamera spielt keine Rolle“, sagt Nethe, der wohl entweder meine Zurückhaltung oder aber den ehrfürchtigen Blick auf die Ausrüstung der beiden anderen bemerkt haben muss. „Am wichtigsten ist der Blick“, sagt er, „Und wichtig ist auch, dass man die Funktionen der Kamera kennt und sie auch zu nutzen weiß.“ Innerlich nicke ich selbstbewusst ab. Die wichtigsten Funktionen kenne ich natürlich. Später weiß ich, dass das ein Irrtum ist.
Laub, Wasser und Gegenlicht sind die Klassiker
Also los. Wir nehmen den Weg rechts am Schloss vorbei an der alten Mühle. Keine 20 Meter, da hat Jockers schon das erste Motiv entdeckt. Ein kleiner Bach fließt hier unter dem Weg entlang. Über die Balustrade gebeugt sieht man ein Graffito, gesprüht auf die befestigte Seite des kleinen Wasserarms. Streetart, wo eigentlich gar keine Straße ist, in direkter Nachbarschaft der Vegetation, alter Blätter, kleiner Pflanzen und Moosen. „Eigentlich würde ich jetzt gern hier runter gehen“, sagt Jockers, begnügt sich dann aber mit Aufnahmen vom Weg aus.
Derweil kniet Nethe bereits vor der alten Schlossmühle. Auf der Suche nach Symmetrien und ungewöhnlichen Perspektiven hält er die Kamera knapp über dem Boden. Bei der Auswahl des Ausschnitts hilft ein ausklappbares Display.
Das Schloss ist ein Postkartenmotiv – wie Neuschwanstein
Währenddessen überholt uns ein alter Citroen DS 21 – „Zu spät gesehen“. Und auch die Sonne lässt sich blicken. Herbstlaub, Wasser, Gegenlicht: „Ein Klassiker“. Während wir das Schloss umrunden, zeigen die beiden Hobbyfotografen mir immer neue Perspektiven. „Das Ahrensburger Schloss ist ein Postkartenmotiv, wie Schloss Neuschwanstein“, sagt Oliver Jockers und greift in seine Hosentasche. Wenige Augenblicke später erscheint das Ahrensburger Postkartenmotiv zwischen knorrigen Bäumen, farblos und kontrastreich, fast wie eine historische Aufnahme anmutend: im Display seines Smartphones.
Eigentlich, sagt Nethe, sei er beim Fotografieren am liebsten allein unterwegs. Ein einsames Hobby ist die Fotografie dennoch nicht. Beide sind Mitglieder des Ahrensburger Fotoclubs. Bei regelmäßigen Treffen diskutieren sie ihre Bilder, planen Ausstellungen und Workshops, organisieren gemeinsame Streifzüge oder schreiben Wettbewerbe aus. „Wir lernen und geben Wissen weiter“, sagt Nethe. Auch Ehrgeiz und Anerkennung spielten dabei eine Rolle, so Nethe.
Für Porträts ist eine große Blende am besten
Am Ende unseres Rundgangs will auch ich dann noch ein Foto machen. „Am besten du benutzt eine große Blende (das ist die mit der kleinen Blendenzahl, Anm. d. Red.), 5.6 zum Beispiel, dann kannst du uns vor dem Hintergrund des Schlosses gut freistellen“, sagt Nethe, „dann hast du eine geringe Schärfentiefe.“ Ich blicke auf meine Kamera. Vollautomatik, Gesichter scharfstellen, Ausschnitt bestimmen und abdrücken denke ich, blicke zurück in das freundliche Gesicht des Fotografen und lasse mir helfen.
Ob das so entstandene Foto sowie die ausgewählten Fotos von Oliver Jockers und Roland Nethe, die auf dem anderthalbstündigen Streifzug entstanden, gelungen sind, müssen andere beurteilen.