Ahrensburg. Auf einer Podiumsdiskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ahrensburg berichten die Referenten von Hass-Mails und wachsendem Rassismus.

Die derzeitige Entwicklung in unserer Gesellschaft ist besorgniserregend – darin waren sich die Referenten der Podiumsdiskussion „Intoleranz, Diskriminierung und Rassismus – ist die Demokratie in Gefahr?“ in Ahrensburg einig. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hatte zu der Veranstaltung in die Stadtbücherei eingeladen. Rund 80 Zuhörer waren gekommen, um die Einschätzung der Experten zu hören.

Es sei ein wichtiger Zeitpunkt, um sich mit dem wachsenden Rassismus in der Gesellschaft zu beschäftigen, sagte Mirjam Gläser vom Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein, die den Abend moderierte. „Das Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe fängt langsam an zu bröckeln. Und gleichzeitig erleben wir eine enorme rassistische Hetze im Internet, welche die betreffenden Personen mittlerweile sogar unter ihren Klarnamen veröffentlichen.“

Buchautor appelliert, im Alltag bei Diskriminierung sofort einzuschreiten

Das stellte auch Ramses Oueslati, Lehrer und Extremismusexperte am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg, fest. Er sagte: „Ich höre so oft die Frage, wie wir eigentlich die ganzen Flüchtlinge in den Alltag integrieren sollen. Aber die Frage ist doch vielmehr: Wie können wir die ganzen alten und neuen Rechtsradikalen in unsere Gesellschaft inte-grieren?“ Etwa die Hälfte der Deutschen lebe derzeit noch eine Art Willkommenskultur. Die anderen 50 Prozent jedoch müssten in ein modernes Deutschland integriert werden. „Denn die haben nicht nur ein Problem mit Flüchtlingen, sondern auch mit den anderen Deutschen, die die Willkommenskultur leben“, so Oueslati.

Die Gesellschaft sei gerade „am Toben“, sagte der Hamburger Journalist und Buchautor Andreas Speit. Auch Speit, der sich auf die Themen Rechtsextremismus und Neonazismus spezialisiert hat, spricht von zwei Bewegungen in Deutschland: „Dabei geht es auch um die Frage: Wird Deutschland ein Einwanderungsland oder nicht?“ Lange Zeit sei nicht erkannt worden, was auf Deutschland zurolle.

„Während immer nur über Griechenland diskutiert wurde, wurden die Vertreibungen von Roma und die großen Fluchtbewegungen nicht erkannt. Es wurde einfach weggeschaut, und das holt uns jetzt ein“, sagte Speit. Die Rechtsextremen hätten es geschafft, sich mehr und mehr in Szene zu setzen. „Dazu kommen die vermeintlich besorgten Bürger aus der Mitte der Gesellschaft, die auf der Straße protestieren.“ Diese sowie Rechtsextreme befeuerten sich gegenseitig, so der Journalist.

Problematisch sei heutzutage auch der einfache und schnelle Austausch über das Internet: So berichtete Speit über einen Vorfall in Sachsen-Anhalt vor rund einer Woche, als etwa 30 Männer drei Syrer mit Baseballschlägern attackierten. „Die haben übers Internet zusammengefunden, sind durch Magdeburg gelaufen und haben willkürlich Flüchtlinge zusammengeschlagen“, sagte Speit. Einschreitende Zivilpoliszisten seien anschließend bedroht worden und auch diejenigen, die danach im Internet etwas gegen die Angriffe gesagt hatten.

Speit sieht eine zunehmende Gefahr für die Demokratie in Deutschland und warnte: „Wir können nicht länger so tun, als würden die Debatten in der Mitte der Gesellschaft ohne Folgen bleiben. Wenn jemand etwas sagt, das nicht in Ordnung ist – auch wenn er gleichzeitig betont, er sei kein Rassist – dann müssen wir darauf antworten.“ Beispielsweise: „Du kannst dich selbst so definieren, aber diese Aussage ist jenseits dessen, was wir uns unter einer offenen, emanzipierten, multikulturellen Gesellschaft vorstellen“, so Speit.

Landtagsabgeordneter will mehr Geld für Demokratie-Projekte bereitstellen

Auch der SPD-Politiker und Landtagsabgeordnete Tobias von Pein aus Lütjensee sagte: „Wir müssen genau dort dagegenhalten, wo es nötig ist. In so einem Fall nichts dagegen zu sagen, das ist doch dann auch schon fast rassistisch.“ Demokratie sei nichts Selbstverständliches, sondern müsse jeden Tag neu erkämpft werden, am Küchentisch genauso wie im Gespräch mit den Nachbarn. Deshalb fordert von Pein mehr Geld in den öffentlichen Haushalten für Demokratie-Projekte.

Im Übrigen würden auch diejenigen, die sich politisch für mehr Aufklärung einsetzten, angefeindet, berichtete der Stormarner SPD-Politiker: „Was Ralf Stegner an Hass-Mails bekommt, nimmt absolut überhand.“ Nicht nur der schleswig-holsteinische SPD-Landesvorsitzende ist betroffen – auch er selbst werde für seine Äußerungen regelmäßig angefeindet, so von Pein.

Der Hamburger Journalist Speit forderte die Zuhörer auf, „lauter“ zu werden und zitierte eine Aussage des italienischen Autoren und Philosophen Umberto Eco: „Um tolerant zu sein, muss man die Grenzen des Tolerierbaren benennen.“ Pegida und die Partei AfD hätten die Grenzen überschritten.