Ahrensburg. In nur 24 Stunden in Ahrensburg: 36 Bühnenprofis konzipieren, schreiben, casten, proben und bringen das Musical auf die Bühne.

Montag, 22.45 Uhr, der Vorhang fällt das vierte und letzte Mal für diesen Abend. Hinter 36 Darstellern, Regisseuren, Komponisten liegt ein 24-Stunden-Tag – ein Musical-Marathon. Einige haben seit Sonntag überhaupt nicht mehr geschlafen. Ein Tag lang lachen, weinen, Freude, Tränen. Das Ergebnis, welches da am Montagabend im Alfred-Rust-Saal in der Selma-Lagerlöf-Schule abgeliefert wurde: fast übermenschlich.

„Das Schwierigste war für mich, in der kurzen Zeit die Texte zu lernen“, sagt Darsteller Harrie Poels. „Das ist ein großer Unterschied zur herkömmlichen Arbeit. Bei einem Musical gibt es normalerweise eine Vorlaufzeit von mehreren Monaten, hier läuft alles an einem Tag“, sagt der Mann, der lange Erstbesetzung des gut gelaunten Warzenscheins Pumbaa bei „König der Löwen“ in Hamburg war. In Ahrensburg lernte der gebürtige Niederländer nun innerhalb von ein paar Stunden die Rolle des in die Jahre gekommenen Käpt’n Kaftan in dem 20-Minuten-Musical „Frau an Bord!“.

Die Herausforderung: Erfinden, konzipieren, schreiben, casten, proben, spielen

Zur ersten – und letzten – Aufführung der vier Musicals war alles vorbereitet, sogar einer der Original-Producer der „24hrs plays“ war aus New York nach Ahrensburg gekommen. Philip Naude sorgte für internationales Flair im Alfred-Rust-Saal, der ja ansonsten einen eher familiären Charme zwischen Kleinstadtheater und Schulaula versprüht.

Aber gerade diese besondere Atmosphäre unterstrich auch die Besonderheit des Abends zusätzlich und rundete das Erlebnis ab. Die Herausforderung für die teilnehmenden Musikprofis war so einfach formuliert, wie komplex auszuführen: Ein Musical in 24 Stunden erfinden, konzipieren, schreiben, komponieren, Darsteller casten, einproben und auf die Bühne bringen.

Am Sonntag, Punkt 20 Uhr, startete das Projekt mit der Vorstellung der Darsteller. „Jeder trug ein besonderes Talent vor und hatte ein Requisit dabei“, so Natali Frisch vom Organisations-Team. Unter anderem gab es einen Gartenzwerg, Hüte, ein altes Telefon, Bananen – kurzum alles, was sich in eine Geschichte einbauen lässt. Das Besondere an dem Konzept – abgesehen von dem knappen Zeitplan – ist die Herangehensweise. „Nachdem sich alle Darsteller in einer Runde vorgestellt haben, hatten sie die Nacht über Pause“, so Frisch. Zuerst starteten die Autoren mit ihrer Arbeit. Die schüttelten buchstäblich vier Musicals aus dem Ärmel. So stand bereits die Story noch bevor die Schauspieler den vier Einzelstücken zugeteilt wurden. Bei einem Casting wurden dann die Darsteller auf die Stücke verteilt. Die probten ab sieben Uhr morgens ihre Texte, Gesangseinlagen und Choreografien. Eine letzte schnelle Generalprobe gab es kurz vor der Aufführung. Vier brandneue Musicals entstanden in dieser Zeit.

Bei dem Projekt waren zahlreiche Musical-Profis am Werk

„Das ist wie ein Marathonlauf, alles passiert unter Zeitdruck und häufig glaubt man, dass nun die Grenze des Machbaren erreicht ist. Aber man macht doch weiter“, sagt Gavin Turnbull, der am Montag im Stück „Willkommen im Paloha-Land“ einen Lotto-Gewinner namens Colin spielte, der sich in seinem Urlaub plötzlich in den Fängen einer Sekte wiederfand. „Das Publikum war voll mit dabei und hat viel verziehen. Es war nicht so schlimm, wenn etwas mal nicht 100-prozentig lief, das wurde vom Publikum einfach weggelacht“, freute sich der in England geborene Schauspieler, der im Musical „König der Löwen“ 13 Jahre lang als Poels Bühnenpartner das quirlige Erdmännchen Timon mimte.

Dass hier eindeutig Profis am Werk waren, zeigte schon das erste Stück („Back for Good“), in dem sich vier, wie es zunächst schien, abgehalfterte Schauspieler nach 20 Jahren aufeinander trafen und über ein Comeback sinnierten, sich dabei gegenseitig mit Talent zu übertrumpfen versuchten: Die Pointe – es handelte sich bei ihnen um die Darsteller der Teletubbies, die nicht unbedingt für herausragende schauspielerische Leistungen bekannt sind – begeisterte. Kristin Hölck („Joseph“, „Drei Musketiere“), Patrick Stanke („Titanic – Das Musical“, „Aida“), Lillemor Spitzer („Cats“) und Theo Reichardt setzten die Idee von Titus Hoffmann mit Bravour um. Das gilt für jedes der vier Kurz-Musicals.

Gage der Schauspieler geht an den Freundeskreis Flüchtlinge in Ahrensburg

Einige der Darsteller waren bereits vor einem Jahr in Ahrensburg, sozusagen alte Hasen. „Das gehört zum Konzept. Einige kannten sich bereits aus und konnten die Neulinge unter den Schauspielern an die Hand nehmen“, erklärt Natali Frisch. „Das Schwierigste war für viele der Teilnehmer, in so kurzer Zeit ihre Texte auswendig zu lernen.“ Doch es geht nicht darum, eine makellose Vorstellung abzuliefern. Das erwartet das Publikum auch nicht. Patzer sind durchaus willkommen, der Texthänger oder ein grausig-schräges Duett wird unbeabsichtigt zum Teil des Stücks. „Das ist eine wunderbare Therapie für Perfektionisten“, findet Musiker Marko Formanek, der durch den Abend moderierte und beim ersten Musical die Musik komponierte.

Für die 36 Bühnen-Profis war es wohl eine gern genommene wenn auch anstrengende Erfahrung, für die Zuschauer ein etwas anderer Musical-Abend. Wenn auch der Saal in diesem Jahr nicht komplett ausverkauft war, werteten die Veranstalter das 24-Stunden-Musical als Erfolg, was eine Wiederholung wahrscheinlich macht. Wie schon bei der Premiere stand auch diesmal der karitative Gedanke im Vordergrund. Hauke Wendt von Musical Creations: „Alle Teilnehmer verzichten auf ihre Gage. Die Einnahmen kommen der Jugendarbeit des Freundeskreises Flüchtlinge in Ahrensburg zugute.“

Die namhaften Bühnen-Profis schmücken die Besetzungsliste in Ahrensburg

Das Konzept des 24-Stunden-Musicals kommt aus Amerika. Seit Jahren wird die Idee der Highspeed-Musicals verfolgt, hat ihren Ursprung in New York unter dem Namen „The 24 Hour Plays“. Die Ahrensburger Eventagentur Musical Creations holte das Konzept vor einem Jahr zum ersten Mal in die Schlossstadt – mit durchschlagendem Erfolg. Der Saal war bis auf den letzten Platz ausverkauft.

Am Broadyway und am Londoner West End geben sich bei diesen Musicals Stars wie Jennifer Aniston, Scarlet Johansson, Elijah Wood und Kevin Spacey jedes Jahr die Ehre. Nun hat sich das kreative Stand-Up-Projekt auch in Deutschland etabliert.

Bühnen-Profis waren jetzt auch in Ahrensburg unter den Teilnehmern. Auf der Besetzungsliste finden sich etwa Musical-Größen wie Patrick Stanke („Titanic – das Musical“, „Aida“ ), Christian Alexander Müller („Das Phantom der Oper“, „West Side Story“) und Kristin Hölck („Joseph“, „Drei Musketiere“).

Neben „24-Stunden Musicals Newbies“ waren auch Künstler aus dem vergangenen Jahr dabei, darunter Charlotte Heinke, Jennifer Siemann, Marja Hennicke und André Haedicke.