Trittau. Seit rund 30 Jahren ist der Boden eines Grundstücks in Trittau verseucht. Grund dafür ist ein Betriebsunfall mit Lösungsmitteln.

Seit rund 30 Jahren ist der Boden eines Grundstücks in Trittau mit giftigen Chemikalien verseucht. Damals waren bei einem Betriebsunfall Lösungsmittel eines Gewerbebetriebs ins Erdreich gesickert. Sie gelangten bis ins Grundwasser, verteilten sich dadurch weitläufig im Boden der Umgebung. Jetzt soll endlich saniert werden.

Doch der Fall ist kompliziert: Das etwa 5000 Quadratmeter große Gelände an der Bunsenstraße 2 hat keinen Eigentümer mehr. Niemand kann dafür haftbar gemacht werden. „Das Unternehmen, das für den Unfall verantwortlich ist, ging in Insolvenz. Und auch die Firma, der das Grundstück zuletzt gehörte, musste Insolvenz anmelden“, sagt Norbert Leinius von der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS). Das Unternehmen sei anschließend vom Amtsgericht gelöscht worden – und das Grundstück einfach übrig geblieben.

Seit 2008 beschäftigt sich nun der Kreis mit der Thematik. „Wir sind als Untere Bodenschutzbehörde verpflichtet, sämtliche Altstandorte, also aufgegebene Betriebsgelände, zu erfassen und zu untersuchen“, sagt Dietrich Peters, der Leiter des Fachdienstes Abfall, Boden und Grundwasserschutz des Kreises Stormarn. Eine Messung habe 2008 eine Bodenbelastung durch chlorierte Kohlenwasserstoffe auf etwa der Hälfte der Fläche gezeigt.

Mehr als 100 Liter des krebserregenden Stoffes sind in die Erde gesickert

Direkt nach dem Unfall, habe die verantwortliche Firma zwar versucht, die Chemikalien durch Ausbaggern wegzubringen. Aber das habe nicht gereicht, sagt Peters. „Damals wusste man noch nicht, wie schnell sich diese Stoffe im Untergrund ausbreiten.“ Das Unternehmen arbeitete mit Lösungsmittelrückgewinnungsanlagen und Maschinen zur Metallentfettung. Schon vor dem Unfall, seit Ende der 1960er-Jahre, war der Boden dadurch immer wieder mit Schadstoffen belastet worden. Im Jahr 1984 platzte dann ein Schlauch und zwischen 100 und 200 Liter Tetrachlorethen liefen aus – eine farblose, fettlösende Flüssigkeit, die beispielsweise auch in der chemischen Reinigung eingesetzt wird.

Das Lösungsmittel gelangte durch die etwa sechs Meter tiefen Sandschichten ins Grundwasser hinein – bis in eine Tiefe von zwölf Metern. Von dort aus verteilte sich das Gift. Denn das Wasser fließt unterirdisch auch in andere Regionen – und hinterlässt dann sogenannte Belastungsfahnen im Boden. Diese erstrecken sich mittlerweile in Bereiche süd- und nordöstlich des verseuchten Grundstücks. Auch das bislang unbebaute Gebiet am alten Bahnhof ist betroffen.

Unter den Bewohnern der Gemeinde ist der Vorfall kaum bekannt. „Ich habe mich schon gewundert, warum die das Grundstück seit Jahren nicht loswerden. Es ist mittlerweile völlig verwildert“, sagt Ute Ketzel, die regelmäßig auf ihrem Weg zu Freunden in Grönwohld durch das Gewerbegebiet an der Bunsenstraße radelt. Die Trittauer Grünen-Politikerin Sabine Paap weiß schon etwas länger Bescheid. Allerdings: „Ich erfuhr nur durch Zufall davon, weil unser Grundstück in der Nähe liegt. Das muss vor etwa sechs, sieben Jahren gewesen sein. Da wollte plötzlich jemand bei uns am Grundstück eine Probebohrung machen“, sagt die Fraktionsvorsitzende der Trittauer Grünen.

Jetzt hat ein Büro für Rohstoff- und Umweltgeologie bei einem Treffen zwischen Kreis, WAS und dem Kieler Umweltministerium erstmals einen Sanierungsplan für das Gelände vorgestellt. Die Umweltbehörde ist deshalb mit im Boot, weil der Kreis auf EU-Fördergelder für die Sanierung hofft, die beim Land Schleswig-Holstein beantragt werden müssen.

Nach Abendblatt-Informationen werden die Kosten auf 1,5 Millionen geschätzt, die vom Kreis, der WAS und der Gemeinde Trittau übernommen werden sollen. Allein die Gemeinde Trittau habe für die Sanierung bereits 350.000 Euro im Haushalt bereit gestellt, sagt Bürgermeister Oliver Mesch. „Wir hoffen aber, dass es etwas günstiger für uns wird.“ Im Moment gehen alle Beteiligten davon aus, dass das Land sich mit 50 Prozent an den Sanierungskosten beteiligen wird.

Doch zuerst muss ein Eigentümer für das herrenlose Gelände gefunden werden: „Das Amtsgericht muss jetzt erst einmal einen Ansprechpartner bestimmen, der sich um die Verwaltung des Grundstücks kümmert. Er entscheidet dann, an wen es verkauft wird“, sagt Leinius von der WAS. Beispielsweise könnte es der Kreis oder die WAS für symbolisch einen Euro erwerben. Im Anschluss müssen die Fördergelder beantragt und entschieden werden, wer wie viel der Sanierungskosten übernimmt. Ist das Grundstück dann von den Schadstoffen befreit, kann es weiterverkauft werden.

Bis es so weit ist, wird allerdings noch viel Zeit vergehen. „Wir hoffen, dass wir in zwei bis drei Monaten grünes Licht bekommen“, sagt Leinius. Für die Sanierung werden Maschinen aufgebaut, welche die Luft in den mehrere Meter tiefen Sandschichten filtern. „Der Boden muss dabei aber nicht abgetragen werden. Stattdessen wird eine Pumpe die Luft, die sich zwischen den einzelnen Sandkörnchen im Boden befindet, absaugen“, sagt Peters vom Kreis Stormarn. Sie durchströmt dabei einen Filter, der die Schadstoffe zurückhält.

Das Grundwasser wird durch ein sogenanntes Oxidationsverfahren gereinigt: Dafür wird das gesamte Gebiet mit Brunnen versehen. „Das Wasser muss dazu aber nicht extra hochgepumpt werden“, sagt Peters. Das Verfahren sorgt an Ort und Stelle, tief unter der Erde, dafür, dass die chlorierten Kohlenwasserstoffe im Grundwasser zerfallen und die einzelnen Atome anderweitig gebunden werden. Aus giftigen chlorierten Kohlenwasserstoffen wird so beispielsweise ungiftiges Kochsalz. „Aber nur in kleinen, absolut unbedenklichen Mengen“, betont Peters.

Auf einigen Flächen in Trittau darf bislang nichts gebaut werden

Der Kreis sieht durch die derzeitige Schadstoffbelastung keine Gefahr für Anwohner. „Das ist eine so geringe Konzentration, dass die Stoffe nicht mehr nachweisbar sind“, sagt Peters. An der Luft verflüchtigt sich das Lösungsmittel, das krebserregend sein kann, schnell. Auch die Bauten auf dem Grundstück, die abgerissen und entsorgt werden müssen, sind laut Peters nicht sonderlich belastet. Bis 2007 war das Gelände noch gewerblich genutzt worden. „Nur dann, wenn Sie tief genug in der Erde graben, werden Sie etwas messen können“, sagt Peters.

Wären allerdings Kellerräume in dem belasteten Gebiet, könnte dort die Luft mit den Schadstoffen belastet sein – wenn sie über das Mauerwerk in den Raum eindringen. Das gilt auch für das bislang unbebaute alte Bahnhofsgelände: Durch einen Bebauungsplan hat die Gemeinde festgelegt, dass dort auf bestimmten Flächen nicht gebaut werden darf – solange der Boden nicht saniert worden ist. „Das ist allerdings sehr, sehr vorsichtig geplant“, sagt Peters, der das Risiko als gering einschätzt. Doch warum muss dann überhaupt saniert werden? Peters: „Weil auch das Grundwasser an sich ein schützenswertes Gut ist, das wir erhalten müssen.“