Bargteheide. Äpfel, Birnen, Nüsse, Pflaumen: Es ist Erntezeit. Auch Stormarner, die keinen Garten haben, können sich die Körbe voll machen.

Es hat etwas von einer Jagdszene. Die Beute ist in Windeseile auf dem Waldboden gesichtet, gegriffen und verschwindet im Jute-Beutel, der an der Schulter der Jägerin baumelt. Hanna Dohmeyer, 21 Jahre alt und Studentin der Betriebswirtschaftslehre an der Uni Hamburg, ist zufrieden. Mit den Kastanien, die die Bargteheiderin im Beimoorwald gefunden hat, will sie Herbstdekoration basteln.

Hanna Dohmeyer jagt zur Erntezeit in Sommer und Herbst auch Holunderbeeren im Beimoorwald oder Äpfel in Bargteheide. Sie sagt: „Ich koche Marmelade, Sirup, mache Suppe oder esse die Früchte so.“ Sie sagt auch, warum sie das Obst lieber in der Natur sammelt, als es im Geschäft zu kaufen: „Das sind die echten Bio-Produkte hier.“ Wenn sie mit dem Fahrrad, zu Fuß oder auf dem Beifahrersitz des Autos in Stormarn unterwegs ist, hält sie die Augen auf nach Bäumen, Sträuchern und Büschen, an denen es etwas zu ernten gibt. Wenn sie neue Beute entdeckt, dann ist das „ein richtig schönes Erfolgserlebnis“. Eines, das Hanna Dohmeyer mit anderen Stormarnern teilen möchte.

70 Fundorte sind in Stormarn vermerkt

Auf der Internetseite Mundraub.org markiert die Studentin die Standorte, damit auch andere die Früchte finden können. Rund 300.000 Menschen machen das in Deutschland, sagt Andie Arndt, Sprecherin der Berliner Online-Plattform. Rund 70 Fundorte sind im Kreis Stormarn auf der virtuellen Karte vermerkt. Es gibt unter anderem Pflaumen in Bad Oldesloe, Holunder in Bargteheide, Maronen in Ahrensburg, Waldmeister in Lütjensee, Haselnüsse in Reinbek oder Brombeeren in Barsbüttel. Arndt: „Jetzt zur Erntezeit besuchen rund 100.000 User monatlich unsere Seite, um sich zu informieren.“

Die ungezählten Bäume im öffentlichen Raum, an denen Obst reift, das im Herbst ungenutzt zu Boden fällt und verdirbt, haben die Mundraub-Gründer auf die Idee gebracht. Hanna Dohmeyer gefällt der ökologische Gedanke. „Ich mag keine Verschwendung“, sagt sie. Im kommenden Jahr will die Studentin auch Pilze sammeln, zuvor aber bei einem Workshop lernen, die essbaren Sorten zu erkennen. Sie sagt: „In Großhansdorf gibt es beispielsweise sehr viele Pilze in den Wäldern.“

Beim Mundraub sollte der Pflücker auch auf Eigentumsrechte achten

Legal ist der Mundraub nicht immer. Zwar wurde der früher meist straffreie Straftatbestand namens Mundraub 1975 abgeschafft, also das Entwenden von Nahrungsmitteln im geringen Maß und zum baldigen Verzehr. Aber nur, weil seitdem gilt: Der Diebstahl eines Apfels ist dasselbe wie der Diebstahl eines Feuerzeuges beispielsweise. Und auf Diebstahl stehen bis zu fünf Jahre Haft.

Hanna Dohmeyer und die Betreiber von Mundraub.org achten darauf, dass ihre Ernte oder Ernteempfehlung kein Diebstahl ist. Arndt: „Es ist uns wichtig, dass keine Eigentumsrechte verletzt werden.“ Timm Alpen ist Richter und der stellvertretende Leiter des Amtsgerichts Reinbek, er sagt: „Auch wenn es kaum Sachen gibt, die niemandem gehören, kann bei herrenlos aussehenden Bäumen meist von einem vermuteten Einverständnis der Eigentümer ausgegangen werden.“ Sprich: Ein Obstbaum am Straßenrand, ein Beerenstrauch am Knick oder die Pilze im Wald können geerntet werden. Jurist Alpen: „Pauschale Aussagen sind kaum möglich. Im empfehle Sammlern, mit Augenmaß zu urteilen.“

Bei von der Stadt angelegten Bäumen ist Ernten erwünscht

Hanna Dohmeyer hat sich ihre Augenmaß-Regel aufgestellt: Was eingezäunt ist, gehört jemanden und ist tabu. Im Beimoorwald dürfen sich Spaziergänger aber sicher sein, dass sie straffrei pflücken dürfen. Nadine Neuburg, Sprecherin der schleswig-holsteinischen Landesforsten sagt: „Für den Eigenbedarf dürfen Beeren, Nüsse und Pilze in unseren Wäldern geerntet werden.“

Auch in einigen Stormarner Städten ist das Ernten ausdrücklich erwünscht. Kurt Soiffling, Biologe der Stadt Bad Oldesloe: „Wir haben sogar extra für die Bürger Streuobstwiesen angelegt.“ Es gibt unter anderem Kirschen, Äpfel und Zwetschgen in der Kreisstadt. Ebenso in Ahrensburg. „Bei den von der Stadt angepflanzten Bäumen ist das Ernten erwünscht“, sagt Stadtsprecherin Imke Bär. In vielen Fällen seien die Obstbäume als Ausgleich für Bauprojekte angelegt worden. So gibt es in der Schlossstadt zum Beispiel drei Walnussbäume am Buchenweg, rund 140 Äpfelbäume unter anderem am Ahrensburger Redder und Birnenbäume An der Schlossgärtnerei.

Bei der Ernte sollte man darauf achten, dass der Stiel am Obst bleibt

Die Ernte sei noch einige Wochen in vollem Gang, sagt Dirk Köpcke von der Obstbauversuchsanstalt in Jork (Niedersachsen). Laut dem promovierten Obst-Experten lohnen sich vor allem die spätreifenden Äpfelsorten wie etwa Jonagold. Auch Birnen, Pflaumen und Zwetschgen werden noch reif. Köpcke: „Bei der Ernte sollte darauf geachtet werden, dass der Stiel am Obst bleibt.“ Drehen statt ziehen empfiehlt er. „So vermeidet man unnötige Wunden an der Frucht und sie halten länger“, sagt Köpcke und rät für die Lagerung, das Obst in gelöcherte Tüten und dann in den Kühlschrank zu legen. „So bleiben die Früchte frisch.“

Hanna Dohmeyer, die neben Standorten auch Rezepte und Bastelanleitungen auf ihrem Blog (wwwFraeuleinSelbstgemacht)­ teilt, ist mit der Ernte fertig. Bis zum nächsten Jahr, wenn die Bäume und Sträucher in Stormarn wieder Obst tragen.