Ahrensburg/Bad Oldesloe. Mit dieser Frage muss sich derzeit das Amtsgericht Ahrensburg beschäftigen. Mitarbeiter der Behörde machen widersprüchliche Aussagen.
Thomas M. (Name geändert), Steuerinspektor beim Finanzamt Stormarn, soll Unterlagen in rund 20 Fällen einfach verschwinden lassen haben, um sich eine Menge Arbeit zu sparen. Das jedenfalls wirft ihm die Staatsanwaltschaft im Ahrensburger Amtsgericht vor, wo er sich wegen Verwahrungsbruchs verantworten muss. Doch wollte der 45-Jährige tatsächlich die Steuerbescheide vernichten? Oder läuft in der Oldesloer Behörde eine Intrige gegen den Beamten? Diese Frage muss der Richter klären.
Am 28. August 2014 räumt Thomas M. sein Büro, nach einem fünfwöchigen Urlaub wechselt er die Abteilung. „Ich habe beim Aufräumen mehrere ESt4b-Mitteilungen gefunden“, sagt der dünne Mann mit dem blauen Jackett dem Richter. Das sind in der Regel Meldungen eines anderen Finanzamts über betriebliche Einnahmen von Stormarnern. M. habe die Dokumente an seine Nachfolgerin übergeben wollen.
Fall liegt mehr als ein Jahr zurück – Zeugen widersprechen sich bei Details
„Ich habe die Papiere dann auf meine Tasche gelegt, die auf dem Stuhl lag, damit ich dies auch nicht vergesse“, so der Beamte, der die Umhängetasche mitgebracht hat. Er legt sie auf einen Stuhl, klappt den Deckel um, legt einen Stapel DIN-A4-Zettel drauf. „Damit sie nicht von der Tasche rutschen, habe ich sie noch leicht geknickt“, sagt M. Dann sei er zu einer Kollegin gegangen, von der er vermutete, sie wäre seine Nachfolgerin. „Warum haben Sie die Mitteilungen nicht gleich mitgenommen?“, fragt der Richter. „Ich habe schlechte Erfahrungen mit Kollegen gemacht, die einen als jemanden dastehen lassen, der seine Arbeit nicht schafft“, sagt M. Er habe prüfen wollen, ob seine Nachfolgerin verständnisvoll sei.
Während M. mit der Frau spricht, braucht ein andere Kollege eine Akte aus dem leeren Büro. „Ich bin in das Zimmer rein und habe die Tasche auf dem Stuhl gesehen, dort guckten die Meldungen raus“, sagt der Zeuge. Der 34-Jährige habe sofort seine Vorgesetzte verständigt. Die meldet den Fall der Sachgebietsleiterin, die Thomas M. in ihr Büro zitiert. „Ihre Stimme hat gezittert, sie war ganz rot im Gesicht und wütend“, sagt M. Die Chefin habe ihm unterstellt, dass er die Dokumente vernichten wollte. „Ich fühlte mich chancenlos, sie war aufgebracht“, sagt M.
Die Sachgebietsleiterin bestätigt ihren Verdacht vor Gericht. „Ich konnte mir nichts anderes vorstellen“, sagt die 49-Jährige.
Die Papiere in der Tasche haben die Zeugen aber anders in Erinnerung. Mal sollen sie zweimal gefaltet gewesen sein, mal hochkant in der Tasche gesteckt haben. Auch bei anderen Details gab es Widersprüche. Die Frage nach dem möglichen Schaden war ebenfalls nicht zu klären.
Klar ist im Gerichtssaal allerdings, dass zwischen Thomas M. und seinen Kollegen wenig Harmonie herrscht. Sie vermeiden den Blickkontakt mit dem Angeklagten. M. sagt selbst, dass er insbesondere zu seiner Vorgesetzten kein gutes Verhältnis gehabt habe. Ein Zeuge: „Beide waren nicht beste Freunde.“
Ein Urteil wird Anfang November erwartet, dann sollen weitere Zeugen gehört werden.