Todendorf. Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge brauchen Hilfe und es gibt Interessenten. Warum die Unterstützung dennoch so schwer ist.

Mit den steigenden Flüchtlingszahlen kommen immer mehr Kinder und Jugendliche in Stormarn an, die niemanden an ihrer Seite haben, der für sie die Verantwortung übernimmt. 1499 Asylbewerber leben zurzeit hier, 50 kommen jede Woche dazu. Unter ihnen jede Woche zwei bis drei Jugendliche, die allein sind. Sie erhalten per Gesetz einen Vormund, der die rechtliche Vertretung übernimmt. Doch im Kreis herrsche ein Mangel, berichtet die Rechtsanwältin und Geschäftsführerin des Todendorfer Vormundschaftsverein Lebenslinien Anke Gesa Perthes: „Unsere Kapazitäten sind ausgeschöpft.“ 34 unbegleitete Flüchtlingsjugendliche leben laut Kreisjugendamt aktuell in Stormarn. „Es werden immer mehr“, sagt Perthes.

Auf diese Problemlage macht sie mit den beiden Richterinnen Angela Landwehr und Inga Jensen-Buchholz vom Ahrensburger Amtsgericht in einer Informationsveranstaltung am Donnerstag, 24. September, aufmerksam (siehe rechts): „Wer vertritt die Interessen ausländischer unbegleiteter Kinder und Jugendlicher im Kreis Stormarn?“ Das Thema gehöre in die Öffentlichkeit. „Viele Menschen, auch in der Politik, wissen gar nicht, dass die Flüchtlingsjugendlichen einen Vormund brauchen,“ sagt Perthes.

Das Gesetz sieht Amtsvormünder als letzte Wahl

Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge benötigten, je jünger sie seien, um so stärkere Unterstützung und Betreuung, sagt Berufsvormund Tobias Rohde aus Todendorf. Zu den ersten Schritten gehöre, einen Vormund zu bestellen. Diese Aufgabe stellt den Kreis bei den steigenden Flüchtlingszahlen vor ein Problem: Vormunde hatte vor allem der Vormundschaftsverein Lebenslinien zur Verfügung gestellt, bei dem vier Berufsvormünder tätig sind. „Früher hatten wir nur vereinzelt Flüchtlingsjugendliche“, sagt Geschäftsführerin Perthes. Doch jetzt seien die Zahlen explodiert. „Das können unsere Vormünder nicht mehr auffangen – wer macht es dann?“

Zwar gibt das Kreisjugendamt an, zur Zeit seien Kapazitäten bei den Mitarbeitern vorhanden, um Vormundschaften zu übernehmen. Aber: Der Gesetzgeber sieht Amtsvormünder als letzte Wahl. „Es gibt eine Rangfolge, die das Amtsgericht bei der Bestellung einzuhalten hat“, sagt Michael Burmeister Sprecher des Ahrensburger Amtsgerichts. „Einzelvormünder gehen vor Vereinsvormünder, Vereinsvormünder gehen vor Amtsvormünder.“

Es gibt viele Interessenten für dei Aufgabe

Nur wenn ehrenamtliche Einzelvormünder oder Vereinsvormünder nicht vorhanden seien, sollte das Gericht vom Amt Angestellte einsetzen, so das Vormundschaftsgesetz. Es könne zudem zu Interessenkonflikten kommen, sagt Perthes: „Der Sorgeberechtigte, der die Anträge auf Jugendhilfemaßnahmen stellt ist zugleich Kostenträger dieser Hilfen.“

Es seien schon viele Anfragen von Bürgern gekommen, die an einer ehrenamtlichen Vormundschaft interessiert sind. „Dieses Potenzial gilt es, aufzugreifen. Aber sie müssen geschult werden,“ sagt Perthes. In Berlin tut dies das Projekt Akinda des Vereins Xenion, in Hamburg das Projekt Vormundschaften des Deutschen Kinderschutzbundes, in Kiel der Verein Lifeline im Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. In Stormarn tut das niemand. Der Verein Lebenslinien würde gerne.

Informationen gibt es am 24. September

Wer vertritt die Interessen ausländischer unbegleiteter Kinder und Jugendlicher im Kreis Stormarn? Antworten auf diese und weitere Fragen soll eine Info-Veranstaltung am Donnerstag, 24. September, um 14 Uhr im Kreistagssitzungssaal (Mommsenstraße 13, Bad Oldesloe) geben.

Organisiert wird der Termin von Angela Landwehr und Inga Jensen-Buchholz vom Amtsgericht Ahrensburg sowie Anke Gesa Perthes vom Vormundschaftsverein Lebenslinien. „Unser Ziel ist es, gemeinsam mit allen Interessierten ein Bewusstsein für die Herausforderungen dieser Aufgabe zu schaffen und sich über die Herangehensweise auszutauschen.“

Wer dabei sein möchte, sollte sich möglichst anmelden, per E-Mail an: inga.jensen-buchholz@ag-ahrensburg.landsh.de, angela.landwehr@ag-ahrensburg.landsh.de oder RA-Anke-Gesa-Perthes@gmx.net .

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„Wir möchten Ehrenamtliche einbinden“, so Berufsvormund Tobias Rohde. Aber da stecke viel und wichtige Arbeit hinter. Geschäftsführerin Perthes sieht besonderes Gewicht in dem erforderlichen ausländerrechtlichen Know-How. Ole Vent, zweiter Vorsitzender von Lifeline e.V. nennt außerdem als wichtige Bereiche der Fortbildungen die Themen Traumatisierung, interkultureller Austausch und Bildungswege für die Jugendlichen Der Verein Lebenslinien würde diese Schulung gerne übernehmen, aber es mangele an der Finanzierung. Der Verein bräuchte zum Beispiel eine Vollzeitstelle, um Ehrenamtliche auf ihre Aufgabe vorzubereiten und zu begleiten. „Wir haben beim Landessozialministerium Fördergeld beantragt. Der Antrag ist trotz Unterstützung durch den Jugendhilfeausschuss mit der Begründung gescheitert, es stünden keine Landesmittel bereit.“

Dem Verein schwebt eine Kombination aus Berufs- und Privatvormund vor

Rohde ist staatlich anerkannter Heilerzieher und Berufsvormund. Unter seinen Mündeln sind zurzeit 13 Flüchtlingsjugendliche: „Und die nächsten stehen schon in der Warteschlange.“ Nadine Schier aus Bad Oldesloe, Rechtsanwältin, ebenfalls Berufsvormundin, jedoch unabhängig vom Verein, betreut 17 minderjährige Flüchtlinge. Sie hat auch deutsche Mündel und ist auch als Rechtsanwältin tätig: „Es wäre toll, wenn in Stormarn eine Lösung gefunden wird, Ehrenamtliche zu schulen. Dann könnte ich einige meiner Jungs mit gutem Gefühl abgeben an Menschen, die noch mehr Zeit für sie haben.“

Perthes und Rohde haben die Idee von einem Modell, in dem die Flüchtlingsjugendlichen zunächst einen Berufsvormund erhielten, der sich um die gesamten rechtlichen Angelegenheiten kümmere, die vor allem anfangs anfallen. Wenn dann der Status des Jugendlichen vorerst gesichert sei, könnten die Mündel einen Privatvormund erhalten. Der Berufsvormund habe dann wieder Kapazitäten für die nächsten Mündel. Und der Privatvormund könne sich stärker auf das Persönliche einlassen. „Privatvormünder haben die Stärke, viel Zeit und Energie mitzubringen, wenn sie nur ein oder zwei Jugendliche betreuen,“ sagt Perthes.