Grosshansdorf . Ersttonfest am Dienstag. 2039 Pfeifen, 33 Register, drei Manuale und ein Pedal bald fertig. Kosten: 800.000 Euro.
Ein großes Cis wird erstmalig aus der neuen Orgel tönen. Ein tiefer, voller Ton. Einer Tuba ähnlich. Mit einer Frequenz von 32 Hertz übernimmt der Ton die Rolle des klanglichen Orgelfundaments. Passend. So dient doch das Ersttonfest in der Auferstehungskirche in Großhansdorf (siehe Textgalerie) als Basis eines musikalischen Neuanfangs. Ohne zerschmetterte Gläser und Richtkranz, dafür mit geselligem Umtrunk und katalanischen Spezialitäten wird bei diesem Ereignis vergleichbar mit einem Richtfest beim Hausbau, der erste Klang der komplett erneuerten Orgel gefeiert.
Förderverein feiert Richtfest am 8. September
Im Oktober letzten Jahres begann der Abbau der alten Orgel. Vier Wochen haben Monteure geschraubt, gehoben und geschleppt, um unter anderem Pfeifen und Holzfassade abzubauen. Die alte Orgel geht, bis auf die Fassade, vollständig an eine Kirche im polnischen Krakau. „Sehr vorsichtig, denn eine Orgel ist ein sehr sensibles Gerät“, sagt Ulrich Frank, verantwortlicher Montageleiter der Firma Grenzing mit Sitz in Barcelona. „Genau wie ein Mensch benötigt eine Orgel Luft zum atmen“, sagt er. Die einzelnen Organe müsse man mit Samthandschuhen anfassen. Hinter jedem Teil steckt eine komplizierte Feinjustierung. Etwa die empfindlichen Abstrakte aus kanadischem Zedernholz, feine Streben, so schmal und dünn wie Streichhölzer. Sie bringen Wind unter die Pfeifen. Nach dem Abbau in Großhansdorf wurde alles nach Barcelona überführt und vor Ort, im Montagesaal des Orgelbauers, erneut aufgebaut und abgestimmt. Erst dann konnten die Arbeiten beginnen.
Die renommierte Orgelbaufirma Grenzing sitzt in Barcelona und gilt in Fachkreisen als eine der weltweit besten. „Und diese kümmert sich nun um unser Kircheninstrument. Das erfüllt mich mit Stolz“, sagt Clemens Rasch, zweiter Vorsitzender des Vereins „Eine Orgel für Großhansdorf e.V.“ sowie Kantor und Organist der Kirche. Der Unterschied zu anderen Orgeln liege im Detail. „Einige Instrumente klingen schlicht langweilig. Diese sprechen zu mir“, sagt er.
Schon nach 50 Jahren wird die alte Orgel erneuert
Die alte Orgel wurde erst im Jahre 1965 erbaut und ist damit eigentlich noch nicht alt. Warum sie nach nur 50 Jahren komplett erneuert wird? Zu viele Mängel, zu schlechte Qualität. Es zwickte an vielen Stellen. „Besonders wichtig war uns der Qualitätssprung sowie die Verbesserung der Klangfarben“, sagt Rasch. „Eine gute Orgel erkennt man an lebendigen Tönen, die den gesamten Raum erfüllen.“ Die Vibrationen der Orgel müssen in Mark und Knochen übergehen, beim Organisten sowie bei den Besuchern. Die neue Orgel erfüllt all diese Kriterien. Und sogar noch viele mehr.
Die Holzfassade ist das Einzige, was von der alten Orgel übrig bleibt. Von innen und nach hinten heraus wird das Kunstwerk komplett neu sein. Was sich genau verändert hat? Die Pfeifen bestehen nun aus Zinn- und Blei-Legierungen, nicht aus Kupfer. Die auf dem Spieltisch sitzenden Tasten verteilen sich auf drei Manuale. Vorher gab es lediglich zwei. Sie wurden aus Rinderbein gefertigt und ersetzen nun die Plastikvariante. Auf diesen ursprünglichen Baustoff hat man schon vor Jahrhunderten geschworen. „Manchmal ist Altes doch besser als Neues“, sagt Rasch. „Ein natürlicher Stoff atmet – das liefert auch beim Spielen den entscheidenden Unterschied.“ Doch Tradition vereint sich beim Neubau auch mit Moderne: Die neue, zeitgemäße elektronische Assistenz macht das elektronische Spielen von einem zweiten Tisch möglich. Außerdem wurde beim Neubau sogar an einen Schutz gegen Schimmel – ein verbreitetes Kirchenproblem – gedacht.
Die Empore der Auferstehungskirche trägt jetzt das Gewicht der 17,9 Tonnen schweren Orgel. Sie ist 7,5 Meter hoch, fünf Meter breit und 9,5 Meter tief. Dazu gehören neben der Holzfassade auch insgesamt 2039 Pfeifen, 33 Register, sieben Bälger, drei Manuale und ein Pedal. Alles in allem: ein beeindruckendes Konstrukt, das viel mehr als nur eine technische Meisterleistung darstellt. „Ich spreche lieber von einem Kunstwerk“, sagt Rasch.
Die neue Orgel wird insgesamt 800.000 Euro kosten
Man kann die Leidenschaft zum Orgelspielen, zur Musik sehen, wenn Clemens Rasch erzählt. Sie steht ihm ins Gesicht geschrieben und fließt in Hände und Arme über, mit denen er gestikuliert. „Was Orgelspielen für mich ist? Alles“, sagt er. Zur Verdeutlichung schüttelt er ein Zitat von Friedrich Nietzsche aus dem Ärmel: „,Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum’ – das gilt bei mir vor allem für die Orgelmusik.“ Seit mehr als 40 Jahren spielt er Orgel. Als Sohn einer Musikerin gehörte Musik stets zu seinem Leben. Bereits mit 15 Jahren belegte er einen Orgelkursus. Es folgte ein Jurastudium. Heute verbindet er seine Berufungen gekonnt. Hauptberuflich ist Rasch als Anwalt für Musikrecht tätig, nebenberuflich erfreut er die Besucher als Organist und Kantor der Großhansdorfer Kirche.
Die Kosten für die neue Orgel werden insgesamt bei rund 800.000 Euro liegen. Die Kirchengemeinde hat zwar Rücklagen, auf die sie zurückgreifen kann, ist jedoch nicht in der Lage, solch ein neues Instrument vollständig aus den Kirchensteueren zu finanzieren. Daher wurde bereits im Juni 2012 der Projektverein „Eine Orgel für Großhansdorf e.V.“ gegründet. Er widmet sich ausschließlich der Finanzierung der Orgel. Die Spenden kommen von Privatpersonen und reichen von 25 Euro bis hin zu 100.000 Euro. „Bis jetzt haben wir 680.000 Euro zusammen“, sagt Rasch. Die letzte Rate fehle noch. Es müsse auch noch nach der Einweihung weitergesammelt werden.
Jeden Tag um acht Uhr beginnen die spanischen Monteure mit ihrer Arbeit. Montag bis Sonnabend sind sie mit Eifer und Freude bei der Sache. Das signalisiert auch das Singen und Pfeifen der Männerrunde beim Tragen der knapp sechs Meter langen Pfeife. Die gute Laune bricht auch bei viel Schweiß und Anstrengung nicht ab. 14 Tage wird noch aufgebaut. Solange, bis alle Pfeifen drin sind. Dann beginnt die Phase des Intonierens. Dabei werden die Pfeifen aufeinander und auf den Raum abgestimmt. Dahinter verbirgt sich ein komplexer Vorgang, der viel Kreativität, Können und einen Zeitraum von weiteren vier Wochen benötigt. „Wenn alles glatt läuft, sollte dieser Prozess bis Mitte Oktober abgeschlossen sein“, sagt Rasch. Am 1. November soll dann die große Orgelweihe stattfinden.
Das Ersttonfest steht für den Auftakt der neuen Klangvielfalt in der Großhansdorfer Kirche. „Diesmal soll uns das Instrument jahrhundertelang erhalten bleiben“, sagt Rasch. Eine qualitativ hochwertige Orgel folge dem Ewigkeitsprinzip. Am Dienstag ertönt das große Cis zum ersten Mal in der Großhansdorfer Auferstehungskirche. Bis in alle Ewigkeit? Vielleicht.