Welche Gaumenfreuden auf dem Lande sind eine Reise wert? In der Sommer-Serie „So schmeckt der Norden“ haben wir für Sie 20 Landgasthöfe rund um Hamburg besucht. Heute geht es nach Hamfelde im Kreis Stormarn. Fisch und Fleisch aus eigener Zucht werden serviert im Gasthof Waldeslust

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eit 142 Jahren gibt es den Gasthof Waldeslust im stormarnschen Hamfelde schon – und mindestens ebenso viele Geschichten kann Seniorchef Klaus ­Koops davon erzählen. Sein Vater Hans habe beispielsweise den früheren Jagdpächter gebeten, sein Auto vor dem Gasthof zu parken. Dessen Hamburger Kennzeichen sollte Dorfbewohner und Spaziergänger beeindrucken. Und das tat es auch. „Guck mal, hier essen sogar die aus der Großstadt“, hieß es dann. Solche Marketingmaßnahmen hat Familie Koops heute längst nicht mehr nötig. Mittlerweile kommt ein Großteil der Stammgäste aus Hamburg. Auch der übrige Norden lässt es sich gern hier schmecken. Die Besonderheit: Fisch und Fleisch stammen aus eigener Zucht, das Wild ausschließlich aus umliegenden Jagdrevieren.

Alle Tiere leben auf weitläufigen Weiden rund um den Stormarner Gasthof

„Ich bin Hebamme, Kindergärtner und Schlachter zugleich“, sagt der 76-jährige Koops. Derzeit kümmert er sich um 36 Galloway-Rinder, 53 Moorschnucken mit 50 Lämmern, 22 Kamerun-Schafe, zwölf Rot- und 22 Damhirsche, mehrere Dutzend freilaufender Gänse, Enten und Puten und um mehr als 150 Legehühner. Alles Getier ist rund um den Gasthof nahe Trittau zu Hause. Dort lebt es auf den hofeigenen, weitläufigen Weiden und Wiesen im Billetal, bis es eines Tages auf dem Teller landet und den Waldeslust-Gästen serviert wird. Unter den Händen von Küchenchef Roberto Monesi und seinem Team entstehen Gerichte wie die Moorschnuckenplatte mit Macairekartoffeln, Wirsingkohl und Pflaume im Speckmantel (17,80 Euro). Dazu gereicht wird Mango-Chutney. Oder die Wildplatte „Waldeslust“ (24,50 Euro), auf der fünf verschiedene Wildfleischsorten mit Birne, Kronsbeeren und gebackener Banane kombiniert werden. Kinder und Senioren erhalten auf Wunsch kleinere Portionen.

Auch für Vegetarier ist die Auswahl groß. Doch das besondere Augenmerk liegt im Gasthof Waldeslust auf dem Fleisch. Das klingt jetzt vielleicht seltsam“, gibt Klaus Koops zu. „Aber ich habe jedes einzelne Tier von Herzen gern. Deshalb will ich es – wenn es soweit ist – auch selbst schlachten.“ Koops­ hat nicht gezählt, wie häufig er schon bei seinen aus Schottland stammenden Rindern Geburtshilfe leistete oder er einem Moorschnuckenlamm das Fläschchen geben musste. Eines aber weiß er ganz genau: Sobald das letzte Stündlein für ein Tier geschlagen hat, soll das so stressfrei wie möglich verlaufen. Obwohl der Gasthof als eines der wenigen Restaurants landesweit über einen EU-zertifizierten Schlachtraum verfügt, will Klaus Koops die Tiere nicht erst dorthin führen. „Schon allein der Weg würde ihnen Angst machen“, sagt er.

Gäste überzeugen sich von artgerechter Tierhaltung mit eigenen Augen

Eine Ausnahmegenehmigung erlaubt es dem gelernten Schlachter, das Leben der Tiere bereits auf der Weide zu beenden. Kurz und schmerzlos. „Wer Fleisch isst, dem sollte wichtig sein, dass es den Tieren zu Lebzeiten gut ging“, sagt Klaus Koops. Seine Tochter Sylvia, seit 2000 Inhaberin des Gasthofes und zuständig für „alles, was dazugehört“, sieht das auch so. Sie freut sich immer wieder, ihren Gästen zu zeigen, wie artgerechte Tierhaltung aussehen kann. Von den 80 Plätzen auf der großen Sonnenterrasse des Gasthofs schaut man direkt den Gänsen ins Gehege, die Kamerunschafe warten ungeduldig auf ein paar Streicheleinheiten. Und wer Glück hat, entdeckt die prächtigen Hirsche, die mit ihren Kühen und Kälbern über das 36 Hektar große Gelände streifen.

Ein Stammgast wünscht sich schonseit Jahren immer geplatzte Forellen

Dort liegen auch die fünf großen Teiche, die aus eigener Quelle gespeist werden und in denen Forellen und Karpfen leben. „Dazu gibt es auch eine schöne Geschichte“, sagt Klaus Koops. Vor zig Jahren habe ein Gast sich beschwert, dass er eine „aufgeplatzte Forelle“ serviert bekam. Die Begründung des Gastwirts, der Fisch sei zu frisch gewesen, hielt der Basthorster für eine Ausrede. Koops habe daraufhin extra für ihn eine weitere Forelle gefischt und gleich gekocht. „Natürlich platzte die dann auch auf. Seitdem haben wir einen Stammkunden mehr.“ Ihm servieren sie auf Wunsch jedes Mal einen „geplatzten Fisch“, während andere Gäste eine Forelle bekommen, die zwischen Herausfischen und Kochen mindestens eine Stunde geruht hat und daher in einem Stück bleibt.

Sylvia Koops ist nach ihrem Vater, den Großeltern und den Urgroßeltern nun die vierte Generation, die den direkt am Rand der Hahnheide gelegenen Gasthof führt. Geplant war das nicht. „Als junges Mädchen wollte ich raus aus dem Dorf“, erzählt die heute 52-Jährige. Sie arbeitete in England, an der Ostsee und in der Schweiz. In Frankreich studierte sie Französisch, in Lübeck BWL und Touristik. 1993 stand fest, dass keiner ihrer drei Geschwister den Gasthof übernehmen würde. Schwanger mit Sohn Jonathan kehrte sie zurück. „Eine gute Entscheidung“, sagt sie heute. Der Ort, an dem sie aufgewachsen ist, ist längst wieder zu ihrem Zuhause geworden. Sylvia Koops ist überzeugt, dass sich dieses heimelige Gefühl auf die Menschen überträgt, sie auch deswegen immer wieder gern im Gasthof Waldeslust einkehren.

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