Bad Oldesloe. Mandolinist tritt in Berlin und New York auf. Zum Schleswig-Holstein Musik Festival war er in Bad Oldesloe: Standing Ovations.
Avi Avital erschien flotten Schrittes. Schwarze Locken, dunkle Haut und ein als Kontrast besonders leuchtend wirkendes weißes Hemd – ganz im Stil der neuen „Wilden“ der griechischen Politik-Elite mit offenem Kragen. Ein einengender Schlips hätte auch nicht gepasst. Kaum hatte der Musiker den Altarraum der Oldesloer Peter-Paul-Kirche betreten, füllte er mit seiner Präsenz den sakralen Raum, der sich an diesem Abend in einen ausverkauften Konzertsaal des Schleswig-Holstein Musik Festivals verwandelt hatte.
Die Energie übertrug sich sofort. Die Zuhörer waren wie elektrisiert, gespannt, was kommen würde. Und dann griff der Israeli zum Plektron, einem Plättchen, mit dem er Töne aus seinem Instrument holte, die noch nie in der Oldesloer Kirche erklungen waren. So dynamisch und ungezwungen sein Auftritt, so dynamisch, kraftvoll und freigestaltend sein Spiel. Auf Anhieb hatte der Künstler eine Fangemeinde um sich versammelt, die der Faszination der Mandoline erlegen war.
Avi Avital zeigte, was in diesem Zupfinstrument steckt: mehr als fröhliche, kleine Melodien; mehr als Lieder, wie sie in der deutschen Wandervogelbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts beliebt waren; und mehr als ein Folklore-Sound, die viele mit der Mandoline in Verbindung bringen – und mit ihr Urlaubserinnerungen.
Der Musiker tritt in Berlin, in New York und in Stormarns Kreisstadt auf
Der Israeli hat die Mandoline von dem Image der Urlaubs-Romantik befreit und ihr einen Platz im internationalen Konzertbetrieb verschafft. In der Berliner Philharmonie tritt Avital ebenso auf wie in der Carnegie Hall in New York. Auf dem Programm immer viel Vivaldi, der für Mandoline komponiert hat. Auch in Oldesloe standen Werke des Italieners auf dem Programm, aber auch Musik von Tschaikowsky. Und das, obwohl der Russe „not a single note“ – nicht eine einzige Note – für die Mandoline geschrieben hat, wie Avital das Publikum auf Englisch und mit einem breiten Lächeln wissen ließ. Das sei eine „Challenge“, eine Herausforderung gewesen. Es habe Wochen gedauert, die ursprünglich für Klavier komponierten Stücke für die Mandoline umzuschreiben. So wie er das erzählte, muss das Umschreiben ein großer Spaß gewesen sein.
Das Ergebnis überzeugte. Vier Sätze aus „Die Jahreszeiten“ von Tschaikowsky hatte der Künstler für das Festival-Publikum ausgewählt. So war unter anderem der März zu hören, den Tschaikowsky im „Lied der Lerche“ verewigt hat. Mit einem perfeken Tremolo und virtuosem Wechsel zwischen Schlag- und Zupftechnik schaffte es Avital, die Möglichkeiten des Klaviers zu ersetzen und der Lerche mit seiner Mandoline zusätzlich ganz neue Töne zu entlocken. Das Cello sang mit. Und so wurde der Gesang des Vogels zu einem klagend-schönen Duett.
Zum Ende des Konzerts sprangen die Zuschauer auf und klatschten Beifall
Der Cellist James Bush war auch bei dem eigentlich für Geige komponierte D-Dur Mandolinen-Konzert von Vivaldi ein kongenialer Partner, ebenso wie die beiden Geiger und das Elbipolis Barockorchester Hamburg insgesamt. Das sechsköpfige Ensemble trug mit brillanter Technik, Spielfreude und Stilempfinden wesentlich zum Gelingen des Abends bei und ließ trotz kleiner Besetzung einen großen Orchestersound zu keiner Sekunde vermissen.
In der Pause war allerdings die Mandoline und ihr Spieler das beherrschende Thema. „Ein toller Typ“, sagte die Oldesloerin Sybille Fischbach und lachte. „Ich habe Mandoline vor ewigen Zeiten auf Sizilien gehört. Und jetzt dieses Konzert, das ist fantastisch.“
Ganz zufällig traf sie Volker Tönnsen wieder, einen alten Bekannten, mit dem sie sich bei einem Gläschen Wein über das Konzert austauschte. „Die Mandoline belebt alles“, sagte Tönnsen, der mit seiner Tochter Kristina aus Neumünster angereist war. Die Enkelin wollte nicht mitkommen.. „Sie wusste gar nicht, was eine Mandoline ist“, sagte Kristina Tönnsen. „Ich habe ihr erzählt, sie ist die übergewichtige Schwester der Gitarre.“
Gestimmt ist die Mandoline allerdings wie die Geige. So standen am Nachbartisch drei Hobby-Mandolinisten aus Wedel, die passenderweise bei einer Geigenlehrerin Unterricht haben. „Wir spielen nur einfache irische Tunes“, sagte Werner Stoll. „Wie Avi Avital allein zwischen Akkorden und Melodie wechselt, ist einfach toll.“
Nach der Pause packte der Solist noch ‘was drauf und setzte schließlich mit dem „Sommer“ von Vivaldi einen so furiosen Schlusspunkt, dass die Zuhörer von den Stühlen sprangen, Bravo riefen und sich Zugaben erklatschen: ein bulgarisches Volksstück und noch „a litte piece von Vivaldi“ – wie Avital mit charmanter Untertreibung ein weiteres hoch-artifizielles Stück ankündigte und mit standing ovations belohnt wurde. Kopfschüttelnd verließ ein Besucher die Kirche und sagte zu seiner Begleiterin: „Einfach unglaublich.“