Heidi Laute-Sies ergänzt die unvollendete „Galerie der Hände“ ihres verstorbenen Ex-Mannes Rolf Laute an der Manhagener Allee
Tunnel sind gewöhnlich Orte, die niemand besucht, wenn er nicht muss. Wer in Ahrensburg unterwegs ist, kommt nicht umhin, oft in den Untergrund zu gehen, um voranzukommen. Das ist die schlechte Nachricht für Ahrensburg. Doch es gibt auch eine gute: Wo sonst hat er die Chance, die unvermeidliche unterirdische Verbindung als anregenden Gang durch die Kunstgeschichte zu nutzen?
Die Rede ist vom Fußgängertunnel entlang der Manhagener Allee, der unter den Bahngleisen hindurchführt. Dort wurde aus der Not eine Tugend gemacht und der unwirtliche Ort zur Bildergalerie umfunktioniert – sozusagen mit Kunst so zugekachelt, dass es sich lohnt, innezuhalten und genauer hinzuschauen. Die Präsentation hat allerdings den Nachteil, dass das groß angelegte Werk unvollendet blieb und als Patchwork von heterogener Qualität den Gesamteindruck trübt, und das seit etwa 20 Jahren. Umso überraschter dürften Passanten in dieser Woche gewesen sein, dass erneut Hand angelegt wurde, von einer Frau, die von einer Leiter aus Mosaiken in zwei Rahmen an der Wand befestigte.
Rolf Laute bat seine Ex-Frau, weiter an dem unvollendeten Werk zu arbeiten
Heidi Laute-Sies ist in doppeltem Auftrag aktiv geworden. Zum einen hat sie einen Vertrag mit der Stadt Ahrensburg geschlossen, gegen Zahlung von etwa 6000 Euro zwei Mosaiken fertigzustellen. Zum anderen erfüllt sie einen Wunsch ihres 2013 verstorbenen Ex-Ehemanns Rolf Laute. Der hatte seine längst von ihm geschiedene Frau gebeten, weiter an dem Werk zu arbeiten, das er selbst nicht mehr hatte vollenden können. Das war insofern eine ideale Lösung für ein festgefahrenes Projekt, als die ehemalige Kunsterzieherin und mit Glasmalerei vertraute Heidi Laute-Sies ihrem Ex-Mann ab und zu assistiert hatte und seine Plänen sehr gut kannte.
„Galerie der Hände – gewidmet allen Ahrensburgerinnen“ nannte Rolf Laute das Projekt, mit dem er 1990 den Magistrat der Stadt überzeugte, ihm die Gestaltung der „Kunst am Bau“ im Manhagener Tunnel zu übertragen. Lautes Idee bestand aus mehreren Teilen. Als Entree sollten zu beiden Seiten des Tunneleingangs an den gegenüberliegenden Wänden die Namen und Berufe von vorbildlichen Ahrensburger Frauen als rot und schwarz geflieste Inschriften an den weiß gekachelten Tunnelwänden aufs Thema einstimmen.
Herzstück des Entwurfs war die eigentliche „Galerie der Hände“: je elf großformatige Mosaiken auf den Tunnelwänden mit Motiven aus bekannten Gemälden der Kunstgeschichte. Laute hatte sich dabei auf das Detail weibliche Hände konzentriert, das er in ein markantes Fliesenraster übersetzte. Außerdem sollten in den vier Lichthöfen des Tunnels mit vielfarbigen Mosaiksteinchen verzierte Reproduktionen der Venus von Milo stehen.
Als Rolf Laute nicht weiterkam, wurden Freiflächen mit Schüler-Graffiti ergänzt
Rolf Laute startete mit viel Elan, um das Ganze bis zur Eröffnung des Tunnels fertigzustellen. Doch die Arbeit erwies sich als aufwendiger als gedacht. Zudem wurde er immer mehr in das von ihm begründete, wachsende Projekt „Die Schlumper“ mit behinderten Künstlern eingebunden. Ende 1995 waren erst elf der 22 Wandmosaiken, die Statuen und die Inschriften fertig. Als es danach nicht weiterging, beschloss der Magistrat, die übrigen Flächen von Schülern mit Graffiti gestalten zu lassen, was nicht mehr als ein unbefriedigendes Provisorium wurde – zumal Sprayer die Galerie verunstalteten. Überraschender und erfreulicher Nebenaspekt der Verunzierung: Die Sprayer ließen alle Mosaiken Lautes unbehelligt. Respekt!
Zur Überraschung der Verwaltung meldete sich Rolf Laute 2010 wieder in Ahrensburg und kündigte an, seine Arbeit fortzusetzen. Er schaffte jedoch nur noch ein weiteres – nicht bezahltes – Mosaik nach einem Velázquez-Gemälde, bevor er schwer erkrankte und starb. Heidi Laute-Sies einigte sich in diesem Jahr mit der Stadt darauf, dass sie zwei weitere bereits vorbereitete Kachelbilder anbringen würde.
Dabei folgte sie im wahrsten Sinne des Wortes den Plänen von Rolf Laute. Auf dem Boden lag eine großformatige Bleistiftzeichnung, die das Motiv nach Art eines Puzzles unterteilt. Heidi Laute-Sies hatte die einzelnen Puzzlestücke bereits im Atelier vorbereitet. Mosaiksteine, die passgenau auf einer transparenten Klebefolie angeordnet waren und deren Rückseiten in den Fliesenkleber an der Wand gedrückt wurden, bevor Heidi Laute-Sies die Folie vorsichtig abzog und einzelne Steinchen zurechtschob. So setzte sie die größeren Puzzlestücke zusammen und schloss das Ganze anschließend mit Fugenmörtel wie ein Fliesenleger.
Ihre Arbeit hat eine neue Perspektive für das Werk geschaffen – es ist sozusagen Licht am Ende des Tunnels sichtbar. „Rolf Laute hat Vorschläge für acht weitere Bilder hinterlassen, die ich ausführen könnte, wenn Ahrensburg das will“, sagt Heidi Laute-Sies.
Es wäre wünschenswert, dass die Stadt sich die späte Vollendung einer Idee leistet, von der alle etwas haben. Und es wäre eine wunderbare Pointe, wenn die Hände seiner Ex-Frau Rolf Lautes „Galerie der Hände“ vollenden würden.