Reinbek. Australian Shepherd Bartók begleitet den Unterricht. Wenn er das Kommando übernimmt, steht soziale Kompetenz auf dem Stundenplan.
Er kann nicht sprechen, doch alle Kinder verstehen ihn auch so. Mit seinen sechs Jahren ist er jünger als diejenigen, die bei ihm lernen. Und auf dem Stuhl zu sitzen ist seine Sache nicht, der dunkelgraue Nadelfilzteppich im Klassenzimmer lädt vielmehr zum Verweilen ein. Bartók liebt es, dort zu liegen. Vornehmlich auf dem Bauch, aber gerne auch mal seitlich oder auf dem Rücken. Er hat vier Pfoten und ist der behaarteste Lehrer an der Reinbeker Grundschule Klosterbergen. Seit Februar dieses Jahres ist der Australian-Shepherd-Rüde dort im Einsatz. Wenn der Schulhund das Kommando übernimmt, steht soziale Kompetenz auf dem Stundenplan – integriert in Fächer wie Mathematik, Deutsch und auch Religion.
Kinder lernen im Umgang mit dem Hund, ihre Nervosität abzulegen
„Er nimmt mir viel Arbeit ab und hat eine Lehrerfunktion. Ich sehe ihn als einen Kollegen an. Bartók sorgt für ein gutes Miteinander“, sagt seine Halterin Silke Fischbeck. Sie ist Klassenlehrerin der 1a. Eine sogenannte Präventivklasse. Einige der 21 Jungen und Mädchen haben Sprachprobleme und Aufmerksamkeitsdefizite. Der Hund hilft ihnen, den Unterricht zu bewältigen. Fischbeck: „Ein Mädchen ist immer sehr aufgeregt und zugleich patzig, im Umgang mit Bartók lernt sie, ihre Nervosität abzulegen.“ Tiergeschützte Pädagogik heißt das im Fachjargon.
Die Vorteile beschreibt Bartóks Halterin so: „Ein Hund im Klassenzimmer regt das Verantwortungsgefühl und Einfühlungsvermögen an, durch die emotionale Hinwendung zum Tier entstehen positive Gefühle, die sich auch auf andere schulische Bereiche auswirken.“ Zudem erhöhe die Kommunikation mit dem Vierbeiner auch die Gesprächsbereitschaft jener Schüler, die sich im Mündlichen stark zurückhielten.
„Erst die Aufgaben machen und dann streicheln“
Schreierei kann der Rüde überhaupt nicht leiden. Das wissen auch die Kinder. Sie wurden im Unterricht auf Bartóks Einstieg als Lehrkraft vorbereitet, unter anderem über seine Körpersprache informiert. „Sie wissen jetzt ganz genau, welche Gefühle der Hund hat“, sagt Fischbeck.
Neben bunten Bildern an der Pinnwand des Klassenzimmers hängen auch mehrere DIN-A4-Zettel mit Hunderegeln. „Erst die Aufgaben machen und dann streicheln“, lautet eine davon. Das dürfen nur zwei Schüler gleichzeitig, und nur einer darf mit Bartók reden. Ganz wichtig: Der Boden muss immer aufgeräumt sein, damit das Tier keine Gegenstände verschluckt.
„Wenn Bartók in der Schule ist, sind einige besonders fleißig“
Einmal pro Woche verbringt der Vierbeiner drei Schulstunden in der 1a, danach folgt er Fischbeck für eine weitere Mathematikstunde in die 3b. Bartók, der 26 Kilogramm auf die Waage bringt und eine Schulterhöhe von 55 Zentimetern misst, mag auch keine Staubsaugergeräusche, dafür aber Käse. „Und Hundebonbons“, sagt die sieben Jahre alte Julia. Sie darf heute mit dem gleichaltrigen Malik ihre Aufgaben im Unterricht auf dem Boden neben dem Tier machen, während die anderen Schüler konzentriert auf ihren Stühlen sitzen. Es ist still im Raum. Julia fährt nach getaner Arbeit mit der Hand über Bartóks rotbraun-weißes Fell. Der genießt die Streicheleinheiten und streckt die Beine aus.
Weil die Kinder so gut mitmachen, bekommen sie als Belohnung kleine Plastikchips. Diese können sie gegen Hundebonbons eintauschen. „Wenn Bartók in der Schule ist, sind einige besonders fleißig“, sagt Fischbeck. Jetzt geht es zusammen mit dem Tier in den Sitzkreis. Nun geben die Kleinen Kommandos. Malik steht vor Bartók und sagt „Peng“, das Tier lässt sich zur Seite fallen. Dann fordert er den Hund auf, eine Pfote zu reichen. Es klappt. Bartók hat sich zwei Leckerlis verdient. Die Kinder mögen es, wenn der Rüde solche Kunststücke vorführt. „Wir nennen es Tricks. Alle hier finden Bartók richtig toll. Durch den Hund ist es in der Klasse immer sehr ruhig“, sagt Julia.
Schulkonferenz, die Stadt und das Schulamt gaben Einverständnis
Bevor er Lehrer wurde, hat Bartók eine Hundeschule besucht und eine spezielle Ausbildung erfahren. Fischbeck: „Das Tier muss gewisse Verhaltensweisen mitbringen, um diese Funktion zu übernehmen.“ Es dürfe nicht bellen und den Kindern Angst machen, müsse zudem gehorsam sein. Ihren Bartók beschreibt sie als temperamentvoll. Den Nutzen für das Tier durch seine Lehrertätigkeit beschreibt sie so: „Er braucht eine Aufgabe und ist dadurch beschäftigt. Bartók genießt es, von den Kindern gestreichelt zu werden.“ Er sei übrigens auch im Lehrerzimmer sehr beliebt.
Fischbecks Idee, das Tier mit an die Reinbeker Schule zu nehmen, hatte zuerst die Schulkonferenz zugestimmt. Danach prüften die Stadt und das Schulamt das Projekt. „Gerade das Schulamt hat sich schwergetan“, sagt die 42-Jährige, die bereits vor Bartók einen Schulhund an der Bildungseinrichtung hatte. Aus Altersgründen quittierte Lucie jedoch den Dienst.
Bartók macht nach der Schule zu Hause immer einen Mittagsschlaf. Zeit dafür hat er genug. Denn im Gegensatz zu anderen Lehrern muss er keine Klassenarbeiten korrigieren.