Bad Oldesloe. Politik und Verwaltung sprechen vom Lohn gemeinsamer Anstrengungen. Aber die Lage könnte sich wieder verschlechtern.
Stormarn ist auf dem Weg zum schuldenfreien Kreis. Die letzten beiden großen Kredite über zusammen noch knapp 3,9 Millionen Euro werden Ende dieses Monats vorzeitig zurückgezahlt. Der Finanzausschuss hat der Ablösung bereits zugestimmt, sodass das endgültige Ja der Abgeordneten im Kreistag am 26. Juni nur noch eine Formalität ist. Anfang 2008, vor siebeneinhalb Jahren, stand Stormarn bei den Banken noch mit rund 50 Millionen Euro in der Kreide. „Diese Entwicklung ist das Ergebnis der Arbeit vieler“, sagt Christiane Maas, die als Kämmerin in der Kreisverwaltung die strenge Hüterin der Finanzen ist. Und mittlerweile auch ein Schrecken der Banken. „An uns können die Geldinstitute nichts mehr verdienen“, sagt sie schmunzelnd.
Pro-Kopf-Verschuldung sinkt bis Jahresende auf 14 Cent
Ende Juni bleiben in der Kreis-Bilanz nicht einmal mehr 100.000 Euro Schulden stehen. Bis Dezember sinkt diese Summe durch reguläre Tilgungen auf 33.000 Euro – das sind für jeden der 235.000 Einwohner gerade einmal 14 Cent. Im Minusrekordjahr 2008 lag dieser Wert exakt bei 220,14 Euro. „Ende Februar 2016 werden wir dann tatsächlich völlig schuldenfrei sein“, sagt Maas. Das hat in Deutschland Seltenheitswert: Nur der Rhein-Erft-Kreis (Nordrhein-Westfalen) und der Landkreis Oberhavel (Brandenburg) stehen im Kernhaushalt (ohne ausgegliederte Unternehmen) ähnlich gut da.
Wichtigste Voraussetzung für diese einzigartige Entwicklung ist unbestritten das dauerhaft hohe Steueraufkommen in Stormarn, einem der wirtschaftlich stärksten Kreise bundesweit. Hinzu kommt, dass seit Jahren alle Beteiligten an einem Strang ziehen. „Mit meiner Linie habe ich überall Gehör gefunden“, sagt Christiane Maas, „das reicht vom Landrat über die Parteien im Kreistag bis zu den Bürgermeistern in den Kommunen.“ Die Kreisumlage – der Steueranteil, den die Städte und Gemeinden weiterleiten – ist die mit Abstand größte Einnahmequelle.
„Gemeinsam haben wir in den vergangenen 20 Jahren viel geleistet“, sagt auch Landrat Klaus Plöger über das Miteinander in der kommunalen Familie. Er betont, dass nicht nur die Schulden, sondern auch die Kreisumlage gesunken sei: vom höchsten Wert in Schleswig-Holstein auf den mit 34,5 Prozentpunkten zweitniedrigsten.
Ein Garant für die kontinuierliche Entwicklung ist das sogenannte Stormarner Modell: Im Kreistag ist es seit mehr als einem Jahrzehnt Usus, dass die sich Parteispitzen in den Haushaltsberatungen zusammensetzen, Kompromisse finden und am Ende gemeinsam den Etat festzurren. „Selbst wechselnde Mehrheiten wurden und werden nicht für Geschenke an die jeweilige Wählerklientel ausgenutzt“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Joachim Wagner. Über Parteigrenzen hinweg sei das Ziel der finanziellen Konsolidierung verfolgt worden. Wagner kann das beurteilen: Er ist seit mehr als 20 Jahren Kreistagsabgeordneter.
Finanzausschuss-Vorsitzender: Sind nicht so verschwenderisch wie andere
Der SPD-Abgeordnete René Wendland, der auch Vorsitzender des Finanzausschusses ist, urteilt ähnlich. „Sicher sind wir in der glücklichen Situation, dass wir seit vielen Jahren von einer guten wirtschaftlichen Lage profitieren“, sagt er. Das sei aber auch woanders so. Neben der sachlichen Zusammenarbeit gebe es noch einen weiteren wichtigen Aspekt: „Wir sind nicht so verschwenderisch wie andere.“ Das zeigt sich schon im Kleinen: Weder der Kreispräsident noch der Landrat lassen sich von einem Chauffeur zu Terminen fahren.
Hinzu kommt, dass Sondereinnahmen nicht sofort wieder ausgegeben wurden. „Erlöse aus dem Kreisvermögen haben wir in die Schuldentilgung gesteckt“, sagt Kämmerin Christiane Maas. Das galt für den Verkauf des Kreiskrankenhauses in Bad Oldesloe sowie für die Altenheime in Ahrensburg und Reinfeld, aber auch für die Anteile an der Müllverbrennungsanlage Stapelfeld. Mit Sorge blickt aber auch Maas – ebenso wie die Kreistagsabgeordneten – auf das neue Finanzausgleichsgesetz (FAG, siehe Kasten). „Ob unsere Lage so bleibt, mag ich nicht vorhersagen.“ Schon für Anfang 2017 hält sie deshalb 5,6 Millionen Euro Neuverschuldung für möglich. Ein Jahr darauf könnte das Minus bereits auf 14,4 Millionen steigen.
Dabei kann es durchaus vorteilhaft sein, sich mit dem Stempel „schuldenfrei“ zu schmücken. „Das kann ein Markenzeichen sein“, sagt Andreas Burth, der beim hessischen Rechnungshof arbeitet und in seinem Internetportal Haushaltssteuerung.de die öffentlichen Finanzen in Deutschland analysiert. Das Signal für Unternehmer sei klar: In diesem Kreis kann man mit Geld umgehen, und Firmen müssen keine ständigen Steuererhöhungen befürchten. „Auch für die Bürger ist es eine Vorbildfunktion“, sagt Burth. Zudem schaffe sich Stormarn „einen Puffer für schlechtere Zeiten“.