Reinbek. Die Container im Stadtteil Krabbenkamp sind aufgestellt. Sie bilden zwei Wohnanlagen. Anwohner schalten das Ministerium ein.
Am Mittwoch rollten die Lastwagen in regelmäßigen Abständen an, brachten kleine Container in den Reinbeker Stadtteil Krabbenkamp. 32 an der Zahl, die zwei separate Wohnanlagen bilden. Jetzt erfolgt der Anschluss an die Versorgungsleitungen, spätestens am 1. Juli soll die neue Flüchtlingsunterkunft bewohnt sein. Unmittelbare Nachbarn im 860 Einwohner zählenden und damit kleinsten Stadtteil Reinbeks sind davon nicht begeistert.
Sie fühlen sich vor vollendete Tatsachen gestellt und kritisieren, am Verfahren nicht beteiligt gewesen zu sein. Ihr Frust manifestiert sich in einem Schreiben an das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten in Kiel aus der vergangenen Woche. Dessen Inhalt: ein Antrag auf sofortigen Baustopp. Eine Antwort steht aus.
Große Enttäuschung nach Einwohnerversammlung
Reinbeks Bauamtsleiter Sven Noetzel macht sich keine Sorgen wegen eines möglichen Einschreitens aus Kiel. Er sagt: „Eigentlich sind wir dafür zuständig. Die Baugenehmigung ist nicht angreifbar.“ Bürgermeister Björn Warmer, selbst Jurist: „Es gibt eine Rechtsgrundlage, Bürger zu beteiligen. Die greift hier aber nicht.“
Die Anwohner sind anderer Meinung. Sie beziehen sich auf Paragraf 72 der Landesbauordnung Schleswig-Holstein. Er sieht eine Beteiligung vor, wenn öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange berührt werden. Der Krabbenkamper Peter Boysen vertritt als Bevollmächtigter eine Dame, die in der ersten Reihe wohnt und betroffen ist. Er sagt: „Wir fühlen uns am Nasenring durch die Arena gezogen, sind viel zu spät informiert worden.“
Am 19. Mai hatte die Verwaltung eine Einwohnerversammlung organisiert. „Da hat man uns plattgemacht. Das war eine Alibiveranstaltung“, sagt Boysen. Zudem habe die Stadt, wenn überhaupt, Schreiben sehr spät beantwortet. Der Rentner spricht von einer „Ausbremstaktik“. Auch auf Bürgervorsteher Ernst Dieter Lohmann (CDU) sind die Anwohner nicht gut zu sprechen. Boysen: „Auf der Stadtverordnetenversammlung hat er uns abgebügelt. Das war unflätig.“
In Reinbek leben derzeit 119 Flüchtlinge und damit 20 weniger als vorgesehen
Untätigkeit in Sachen Information will sich Verwaltungschef Warmer aber nicht vorwerfen lassen. So habe Torsten Christ, Leiter des Amtes für Bürgerangelegenheiten, mit seinen Mitarbeitern Infomaterial zu dem Thema im Krabbenkamp verteilt.
Derzeit leben in Reinbek 119 Flüchtlinge und damit 20 weniger als vom Kreis vorgesehen. Am Ende des Jahres sollen es mindestens 210 sein. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagt Warmer. Weil die Stadt schnell handeln muss, entschied sie sich für die Anmietung von Containern an diesem Standort mit Platz für 32 Menschen. In zwei benachbarten Gebäuden leben bereits zwölf Flüchtlinge, ausschließlich Männer. Demnächst werden es also 44 sein – zu viel für den kleinen Stadtteil in der 26.700-Einwohner-Stadt, meinen die Protestler. „Wir fordern eine gleichmäßige Verteilung, 28 Flüchtlinge sind das Maximum an Verträglichkeit. Das ist unser Kompromissvorschlag“, sagt Boysen. Einige Mitbürger hätten Angst.
Hart ins Gericht geht der Krabbenkamper auch mit der Politik. Sie habe Zeit verplempert und hätte früher an anderen Standorten etwas machen müssen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Volker Müller hat mit den verärgerten Anwohnern telefoniert, sagt: „Man muss die Leute mit ihren Sorgen ernst nehmen. Unsere Möglichkeiten sind aber begrenzt.“ Er erwarte von den Einheimischen auch Verständnis.
Warmer will Newsletter zum Thema Flüchtlinge anbieten
Viele Krabbenkamper erinnern sich noch an das Jahr 1993, als auf dem Areal die beiden Schlichthäuser für Aussiedler aufgestellt wurden. „Damals wurden die Bürger ebenfalls nicht beteiligt. Außerdem gab es das Versprechen, sie auch wieder abzureißen“, so Boysen. Dass dort, wo jetzt die Container stehen, in absehbarer Zeit der B-Plan geändert wird und feste öffentliche Unterbringungen entstehen sollen, halten Anwohner nicht für zielführend. Boysen: „Wir wünschen uns eine Freizeitfläche.“ Am Dienstagabend hatte Warmer die Protestler zu einem Gespräch ins Rathaus geladen. „Um aufzuzeigen, wie wir arbeiten.“ Auch Boysen war dabei. Er sagt: „Es war emotionsgeladen. Womöglich bleibt uns nur noch der Klageweg.“
Demnächst will Warmer zum Thema Flüchtlinge einen Newsletter anbieten, um zeitnah zu informieren. Auswirkungen auf die Willkommenskultur habe der Zwist mit den Krabbenkampern nicht, sagt er.