Schönberg. Christin Lüdtke ist eine Frau für „Not-Felle“: Nun beteiligt sie sich an einer aufwendigen Rettungsaktion für rumänische Labortiere.

Sie sind klein, flauschig und sollen getötet werden. In Rumänien müssen die Betreiber eines Versuchslabors 244 Meerschweinchen loswerden. An den Tieren wurden nie Versuche durchgeführt, sie gelten als „Überschuss“. Rund 80 der Meerschweinchen sollen nach Hamburg kommen, zehn von ihnen nimmt Christin Lüdtke aus Schönberg bei Trittau bei sich auf.

Die 24 Jahre alte Altenpflegerin hat bereits mehr als 20 Meerschweinchen, züchtet seit ein paar Jahren in kleinem Rahmen die Rassen Minipli und Lunkarya. Vor etwa drei Jahren eröffnete sie in ihrer Wohnung eine Notstation. Und das kam so: „Als ich anfing, Jungtiere zu vermitteln, sprachen mich immer mehr Leute an und baten mich, Meerschweinchen aufzunehmen.“ Mal waren es Tiere, deren Partner gestorben waren und die sich allein nicht mehr wohlfühlten. Mal stellten die Besitzer fest, dass ihre Wohnung zu klein war. „Es gab auch Fälle, in denen ich Gruppen von 20 bis 30 Tieren aufgenommen habe“, sagt Lüdtke.

Christina Pelz, 48, ist eine befreundete Züchterin. Die Verkäuferin wohnt in Hamburg, nimmt, wenn es notleidende Meerschweinchen gibt, große Gruppen auf. Sie sagt: „Vor vier Jahren habe ich fast 100 Meerschweinchen aus Elmenhorst gerettet.“ Die Tiere hätten in einem Pferdehänger und einem verfallenen Schuppen gehaust. Pelz: „Die Meerschweinchen waren total zerbissen, einige hatten keine Augen mehr.“

Der Verein „My Second Life“ holt die Tiere aus dem rumänischen Labor

Nun also die „Not-Felle“ in Rumänien. Wo genau eigentlich? Das dürften die Meerschweinchen-Freundinnen nicht sagen, sagen sie – das Labor wolle das nicht. Das wiederum ist auch im Sinne des Labors: Lüdtke war bei Facebook auf eine Meldung des österreichischen Vereins „My Second Life“ aufmerksam geworden. Der Verein rettet seit 2011 Labortiere, meist Ratten und Mäuse. Die Gründerin des Vereins, Michi Trauer, berichtete auf ihrer Facebook-Seite von der geplanten Tötung der 244 Meerschweinchen, fragte nach Menschen, die Tiere aufnehmen würden. Trauer: „Ich nehme grundsätzlich nur so viele Tiere, wie ich vermitteln kann.“ Der Leiter des Versuchslabors war an Trauer herangetreten, hatte sie gebeten, die Meerschweinchen vor dem Einschläfern zu bewahren.

„Die Tiere wurden für einen Versuch gezüchtet, der nicht durchgeführt wurde“, sagt Trauer. „Die Meerschweinchen sind gesund, ihnen ging es nicht schlecht.“ Um ihnen „ein neues, schönes Leben“ zu ermöglichen, fing Michi Trauer an, die Rettung zu organisieren.

Voraussichtlich am 20. Juni kommen die Meerschweinchen in Hamburg an

Zunächst müssen die 244 kleinen Vierbeiner von Rumänien nach Österreich transportiert werden. Von dort geht die Reise für 129 von ihnen nach Deutschland weiter. Am 13. Juni fährt Trauer, so der Plan, mit zwei Tierärzten in einem Transporter nach Rumänien. Die Meerschweinchen legen die weite Strecke in gesicherten Transportboxen zurück. Trauer: „In den Boxen sind Heu und wasserhaltiges Frischfutter wie Gurke und Melone.“ Alle 200 Kilometer gebe es Stopps, bei denen die Tierärzte die Tiere durchcheckten.

Der Wagen werde auf 20 Grad Celsius temperiert. Falls Komplikationen auftreten, hat Trauer bereits die Tierkliniken, die an der Fahrtroute liegen, informiert. „Da komme ich sofort dran, wenn ich anrufe“, sagt sie. Schon mehrfach habe sie Meerschweinchen aus Laboren herausgeholt und mit ihnen weite Strecken fahren müssen. Bisher sei noch nie ein Tier krank geworden oder gestorben. In Österreich dürfen sich die Meerschweinchen eine Woche lang auf einem Reiterhof in Pferdeboxen von den Strapazen der etwa 1500 Kilometer langen Fahrt erholen.

Die Meerschweinchen, die nach Hamburg kommen, haben dann eine Reise von weiteren 1000 Kilometern vor sich. Auf dieser Fahrt ist kein Tierarzt an Bord des Transporters. „Ich habe eine Checkliste und Notfallmedikamente dabei“, sagt Trauer. Außerdem habe sie auch auf dieser Route bereits die Tierkliniken informiert. Wenn alles wie geplant abläuft, kommt Michi Trauer am 20. Juni in Hamburg an.

Futterausgaben von 20 bis 30 Euro täglich

Dort übernehmen Christin Lüdtke und Christina Pelz die Tiere. Drei weitere befreundete Hobbyzüchterinnen wollen ebenfalls ein paar Tiere aufnehmen. Sie agieren als Pflegestellen, sind eine weitere Zwischenstation für die Nager auf dem langen Weg in ein neues, richtiges Zuhause. Lüdtke und Pelz müssen für den Laborleiter dokumentieren, wo die Meerschweinchen untergekommen sind. Auf die Helfer kommen neben der Arbeit hohe Kosten zu. Pelz: „Die Böcke werden alle kastriert, jede Kastration kostet etwa 60 Euro.“ Nicht zu vergessen seien das viele Frischfutter und die Einstreu. Auch müssen die Retter bereit sein, eventuelle Tierarztkosten zu zahlen.

Christin Lüdtke gibt zurzeit 20 bis 30 Euro pro Tag für Futter aus. Bei Christina Pelz sieht es ähnlich aus. Nun verdoppeln sich diese Kosten für ein paar Wochen. Denn bevor Lüdtke und Pelz die Tiere an liebevolle Menschen vermitteln, setzen sie die Meerschweinchen in Quarantäne. Die frisch kastrierten Tiere müssten zudem sechs Wochen unter Beobachtung sein. Doch den beiden Frauen sind die Kosten egal. „Es ist mein Hobby“, sagt Lüdtke. Und auch wenn die Rettungsaktion Kritiker auf den Plan rufen werde, sei sie überzeugt, das Richtige zu tun: „Jeder hat ein anderes ethisches Empfinden. Ich will die Tiere retten.“