Ahrensburg. Serie zum neuen Flächennutzungsplan (4): Firmen wollen nach Ahrensburg. Aber wo wäre noch Platz? Politiker machen Vorschläge.
Die gute Nachricht zuerst: Folgt man der Expertise des Flächennutzungsplanvorentwurfs vom 19. März 2015 und des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts von 2010, muss Ahrensburg sich keine Sorgen um die Zukunft machen. Dort heißt es, dass das Arbeitsplatzangebot ein ausschlaggebender Faktor für die Attraktivität einer Stadt sei. Und dann wird ein Zeugnis ausgestellt, das nach Musterschüler klingt: „Ahrensburg hat in diesem Punkt außerordentlich gute Ausgangsbedingungen.“ Die Stadt wird charakterisiert als Arbeitsstättenschwerpunkt mit einer weit überregionalen Bedeutung, die sich auch im Einpendlerüberschuss zeige. Hervorgehoben wird außerdem die Lage in der Metropolregion Hamburg auf der Achse nach Lübeck und zum Ostseeraum.
Ahrensburg hat zurzeit etwa 4400 Gewerbetriebe. Die regionale Agentur für Arbeit Bad Oldesloe erfasst 16.576 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in der Stadt (aktuellster Stand vom 30. Juni 2014). Zum Vergleich: 2005 hatte Ahrensburg noch weniger als 14.500 Beschäftigte. Die Arbeitslosenquote lag im März dieses Jahres bei vier Prozent.
Die erfreulichen Zahlen werden durch eine positive Einschätzung der Lage durch Ahrensburger Wirtschaftsvertreter unterstrichen, die beide Planwerke zitieren. Demnach sehen die Wirtschaftsvertreter insbesondere die Vielfalt des Gewerbes, den sogenannten Branchenmix, als besondere Stärke, weil Ahrensburgs Wirtschaft damit unabhängiger von der Entwicklung einzelner Wirtschaftszweige sei und eine geringere Anfälligkeit gegenüber konjunkturellen Schwankungen aufweise.
Stadt hat nur wenig Raum zur Expansion
Kommen wir zur weniger guten Nachricht. Ahrensburg stößt bei der Gewerbeentwicklung an seine Grenzen. Die Stadt hat zurzeit Gewerbeflächen von insgesamt 208 Hektar, das Gros davon mit knapp 190 Hektar im Gewerbegebiet Nord, weitere rund 14 Hektar im Gewerbegebiet West. Eine Flächenerweiterung steht bevor, im östlichen Teil von Beimoor-Süd wird vermutlich schon in diesem Jahr damit begonnen, etwa 20 Hektar Gewerbegebiet neu zu erschließen. Die Stadt ist sich weitgehend einig mit der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS), die den Großteil der Fläche von ihr kaufen und im Sinne Ahrensburgs vermarkten will. Ein Teil des Areals wird von einem Berliner Investor für die Verlagerung der Märkte von Famila und Aldi entwickelt. Soweit die aktuellen Erweiterungen.
Mehr Raum zur Expansion des Gewerbes kann Ahrensburg zurzeit nicht anbieten. Was fatal sein könnte. Laut einem von der Metropolregion Hamburg 2011 in Auftrag gegebenen Gutachten über eine zeitgemäße Gewerbekonzeption ist die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen „sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht eine unabdingbare Voraussetzung für die dynamische Entwicklung von Wirtschaftsstandorten“.
Bürgermeister Michael Sarach bestätigt eine permanente Nachfrage von Gewerbebetrieben, die sich in Ahrensburg ansiedeln wollen – er kann ihnen jedoch oft nicht die Flächen und Standorte anbieten, nach denen sie suchen. Große Potenziale schlummern in den bestehenden Gewerbegebieten, wo es erhebliche Leerstände gibt. Die Stadt hat jedoch keinen Zugriff auf diese Flächen, die Eigentum privater Unternehmen und Investoren sind. Potenzialflächen gibt es auch für die Außenentwicklung, aber auch hier kann die Stadt nicht eigenständig handeln. Beim Areal nahe der Autobahn, das für Logistikunternehmen geeignet wäre, würde Ahrensburg Unterstützung der Nachbargemeinden Siek und Großhansdorf brauchen. Und bei der Osterweiterung des Gewerbegebiets Nord müsste die Stadt Land von privaten Eigentümern erwerben – und zudem hoffen, dass die Erweiterung mit dem Landschaftsplan zu vereinbaren wäre.
Es wird eine der großen künftigen Herausforderungen für Politik und Verwaltung sein, neuen Spielraum für die strategische Flächenentwicklung zu gewinnen. Wir haben dazu die in der Stadtverordnetenversammlung vertretenen Fraktionen befragt. Was Analyse und Zielsetzung des Vorentwurfs des Flächennutzungsplans angeht, sind sich die Ahrensburger Kommunalpolitiker weitgehend einig. Dass sich die Antworten gleichen, beweist einmal mehr, dass die Spielräume, sprich Erweiterungsflächen für das Gewerbe in Ahrensburg zurzeit sehr begrenzt sind.
CDU
Tobias Koch, CDU-Fraktionsvor-
sitzender: „Das Hauptaugenmerk liegt in den nächsten Jahren auf der Erweiterung des Gewerbegebiets Beimoor-Süd. Ärgerlicherweise ist die Bebauungsplanung in der gesamten Amtszeit von Bürgermeister Michael Sarach kaum vorangekommen, sodass dort nach wie vor kein Baurecht besteht.
Darüber hinaus zeigt der Entwurf des Flächennutzungsplanes aber interessante Optionen für die Zukunft auf: Gewerbeflächen an der Autobahn ebenso wie eine potenzielle Erweiterung des Gewerbegebiets Nord in Richtung Osten. Die Aufnahme dieser Entwicklungsmöglichkeiten in den Flächennutzungsplan findet die volle Zustimmung der CDU.“
SPD
Hartmut Möller, SPD-Fraktionsvor
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sitzender: „Dadurch, dass Ahrensburg mit seiner günstigen Lage am Rande von Hamburg auf der Linie nach Lübeck bessere Entwicklungschancen als andere Städte hat, können wir uns fast aussuchen, wie wir bevölkerungsmäßig und gewerbemäßig wachsen wollen. Wir müssen aber die Voraussetzungen dafür schaffen, also Flächen zur Verfügung stellen, um die Gewerbesteuereinnahmen stabil zu halten. Die Erweiterung von Beimoor-Süd ist ein wichtiger Schritt, die Nachverdichtung auf bestehenden Flächen wäre ein weiterer. Wünschenswert wären planungsrechtliche Werkzeuge, mit deren Hilfe alte Gewerbegebiete restrukturiert und wiederbelebt werden können, etwa das Gewerbegebiet West. Die Umnutzung einer größeren Fläche ist nur bei einem Eigentümer leicht möglich, bei vielen kleinen Flächen in Streubesitz aber kaum durchsetzbar.
Wichtig ist auch, welche Art von Unternehmen sich neu in der Stadt ansiedeln. Ein so personalintensives Gewerbe wie Hightech wäre wünschenswert. Leider sah die Wirklichkeit in der Vergangenheit oft anders aus. Allzu oft kamen Firmen, Autohäuser zum Beispiel, die große Flächen benötigen, aber nicht viele Menschen beschäftigen. Wir brauchen auch einen gesunden Branchenmix, damit wir zufälligen ökonomischen Entwicklungen nicht allzu sehr ausgeliefert sind.“
GRÜNE
Christian Schmidt, Stadtverordne-
ter: „Der Ausweitung des Gewerbegebiets Beimoor-Nord in Richtung Osten können wir nicht zustimmen. Dieses Projekt kollidiert mit dem Landschaftsplan, weil es um ökologisch wertvolles Gebiet geht. Wir sehen jedoch großes Potenzial im Gewerbegebiet Beimoor-Nord, zum Beispiel auf dem Boltze-Gelände. Dabei geht es um Flächenrecycling. Die Stadt muss Anreize schaffen, mögliche Partner an einen Tisch zu bringen. Man muss nicht immer nur neue Flächen ausweisen.“
WAB
Peter Egan, Stadtverordne-
ter: „Wir haben zwar auf der Erweiterungsfläche am Beimoor-Süd neue Flächen zur Vermarktung, doch auch die werden in acht bis zehn Jahren vollständig belegt sein. Dann hätte Ahrensburg keine größeren Gewerbeflächen mehr in der Hinterhand. Wir sollten also schon jetzt über künftige Reserven nachdenken, denn Ahrensburg finanziert ein Drittel seines Haushalts – 20 von circa 60 Millionen Euro Gesamteinnahmen – aus Gewerbesteuern.
Allerdings ist die Erweiterung nach Beimoor-Ost eine Option mit ungewissem Ausgang, denn die Flächen dort sind kein städtisches Eigentum.
Parallel dazu sollten wir uns bemühen, erhebliche Leerstände in den bestehenden Gewerbegebieten abzubauen. Ich denke dabei an das Ex-Minolta-Grundstück, das ich auf 25.000 Quadratmeter schätze, oder an die Immobilie von Boltze, die leer steht. Die Stadt sollte mit den Eigentümern verhandeln, um Lösungen zu finden, die allen Beteiligten helfen. Bei der Vermarktung sollte darauf geachtet werden, dass eine gesunde Struktur beibehalten wird.
Wenn all das gelingt, werden wir unsere Standortvorteile auch in zusätzliche Gewerbeansiedlungen und höhere Gewerbesteuereinnahmen umsetzen können.
FDP
Olaf Falke, bürgerliches Ausschussmit-
glied: „Bevor weitere Flächen erschlossen werden, sollte erst einmal das Gewerbegebiet am Beimoor vollständig vermarktet werden. Zudem muss die Stadt auch die vorhandenen Leerstände im hinteren Teil des Gewerbegebietes besser nutzen. Hier sollte versucht werden, diese durch eine aktivere Wirtschaftsförderung wieder mit Mietern zu belegen. Es ist aber auch wichtig, dass die Stadt für die Zukunft zusätzliche Erweiterungsflächen vorhält, damit sie schnell handeln kann, wenn größere Unternehmen anfragen. Dafür eignen sich unter anderem die angrenzenden Flächen hinter der Strusbek, am östlichen Ende von Beimoor-Nord.
Gleichzeitig sollte in der Ansiedlungspolitik ein Richtungswechsel vollzogen werden. Anstatt wie bisher die Gewerbegrundstücke an den nächstbesten Interessenten zu verkaufen, sollte zukünftig mehr Wert darauf gelegt werden, Gewerbebetriebe anzusiedeln, die wenig Fläche verbrauchen und solide Gewerbesteuerzahler sind. Das Ziel sollte Qualität statt Quantität sein.
In Bezug auf die Flächen an der Autobahn sollten diese in enger Abstimmung mit Großhansdorf und Siek vermarktet werden. Sie bieten sich durch den direkten Autobahnanschluss insbesondere für Logistikunternehmen an.“