Reinbek funktioniert Teil der Stadtverwaltung zu provisorischer Wohnung für eine fünfköpfige albanische Familie um
Reinbek. Torsten Christ ist ein freundlicher, ein offener Mensch. Gleichwohl achtet der Leiter des Amtes für Bürgerangelegenheiten seit Mittwochmorgen penibel genau darauf, dass im Rathaus niemand in die falschen Flure einbiegt – sei es aus Versehen, sei es absichtlich. Die falschen Flure, das sind die, von denen die Wohnung der Flüchtlinge betreten werden kann. Fünf Albaner – eine Familie mit drei Kindern – sind in die Verwaltung eingezogen. Ein Notquartier, kein öffentlicher Raum mehr, sondern eine Privatwohnung. Sperrgebiet für Besucher.
„Wir hatten keine Möglichkeit, die Familie auf andere Weise unterzubringen“, sagt Amtsleiter Christ. 7,7 Prozent der Flüchtlinge, die nach Schleswig Holstein kommen, werden dem Kreis Stormarn zugewiesen. Von denen wiederum muss die Stadt Reinbek 11,3 Prozent aufnehmen. So gewährt sie bisher knapp 170 Flüchtlingen Unterschlupf „Bis November gingen wir allerdings davon aus, nur für knapp 130 Asylbewerber eine Unterkunft schaffen zu müssen“, sagt Christ.
Bis Ende des Jahres werden rund 2300 Flüchtlinge in Stormarn leben
Doch die Zahl der Menschen, die Zuflucht in Deutschland suchen und im Kreis Stormarn ankommen, fällt weitaus höher aus als ursprünglich angenommen. Christ sagt: „Es hieß, dass der Kreis Stormarn rund 1000 Flüchtlinge unterbringen müsse. Inzwischen ist diese Zahl aber bereits auf 1340 Menschen gestiegen.“ Tim Voidtke, Leiter des Fachdienstes für Grundsatzangelegenheiten in der Kreisverwaltung, geht davon aus, dass bis Ende des Jahres insgesamt 2300 Asylbewerber in Stormarn leben werden – mehr als doppelt so viele wie am Ende des Jahres 2014.
Und das macht sich auch in Reinbek bemerkbar. Eine Lösung für dieses Problem hat die Stadt zwar schon gefunden, nämlich den Bau neuer Flüchtlingsunterkünfte. Die allerdings existieren bisher nur in der Theorie. „Die Bauarbeiten werden erst im Spätsommer abgeschlossen sein“, sagt Christ. 50 Personen sollen dann in Mobilheime ziehen. Allerfrühestens im August sollen die bezugsfertig sein.
Daher versuchte Christ, Wohnungen anzumieten, in denen 70 zusätzliche Flüchtlinge untergebracht werden sollten. Das erwies sich jedoch als schwierig, da der Wohnungsmarkt in Reinbek ohnehin angespannt ist. Die Stadt nahm daher über einen längeren Zeitraum keine weiteren Flüchtlinge mehr auf. Die Asylbewerber kamen stattdessen in umliegenden Kommunen unter, etwa in Glinde oder Barsbüttel. Das wiederum führte zu einem Anstieg der sogenannten Negativquote der Stadt Reinbek. Christ erklärt, was das bedeutet: „Wenn Glinde Flüchtlinge aufnimmt, die eigentlich bei uns hätten unterkommen müssen, steigen wir in der Liste nach oben.“ Die Folge: „Es war also nur eine Frage der Zeit, bis Reinbek wieder an der Reihe war, eine Flüchtlingsfamilie unterzubringen.“
Eine Toilette im Flur ist schnell um eine Dusche ergänzt worden
Als sich dann die albanische Flüchtlingsfamilie ankündigte, war Einfallsreichtum gefragt. Schnell ist Torsten Christ auf die Idee gekommen, einen Teil der Stadtverwaltung zu einer Wohnung umzufunktionieren. Sein Chef, der Reinbeker Bürgermeister Björn Warmer, habe den Vorschlag sofort genehmigt und Geld für den Umbau bereit gestellt. Auch Christs Kollegen zeigten sich von der Idee angetan. „Das gesamte Rathauspersonal steht hinter der Aktion“, sagt Christ. „Andernfalls hätten wir so etwas hier auch gar nicht machen können.“
Offiziell ist im Rathaus von einem „Verwaltungsraum“ die Rede, der nun Wohnraum ist. Nach Abendblatt-Informationen handelt es sich um ein Sitzungszimmer. Der Raum ist 40 Quadratmeter groß, darin stehen drei Einzelbetten und ein Etagenbett. Die Toilette im Flur davor ist um eine Dusche erweitert worden. Ein notdürftiges Badezimmer ist so entstanden. Und in einer Teeküche ist noch ein Geschirrspüler aufgestellt worden. „So haben wir eine Wohnung einfachen Standards geschaffen“, sagt Torsten Christ. Um ihre Unterkunft zu betreten, steht der Flüchtlingsfamilie ein separater Eingang zur Verfügung.
Dieser Bereich ist nun ganz offiziell keine öffentliche Verwaltung mehr, sondern eine private Wohnung. Deshalb wird er von den Verwaltungsmitarbeitern auch streng vor der Öffentlichkeit abgeschirmt. Die Albaner möchten zurzeit öffentliche Aufmerksamkeit um jeden Preis meiden.
Eine Dauerlösung soll ihr Aufenthalt im Rathaus ohnehin nicht sein. „Wir sind auf der Suche nach einer Wohnung für die Familie“, sagt Torsten Christ. „Der Bürgermeister hat bereits an die Bürger appelliert, sich nach einer Bleibe für die albanische Familie umzuhören. Bisher haben wir aber noch keine geeignete Unterkunft finden können.“
Um mit der Flüchtlingsfamilie, deren Mitglieder nicht ein Wort Deutsch sprechen, kommunizieren zu können, nimmt die Stadt die Leistungen einer Dolmetscherin in Anspruch. Zusammen mit einem Sprach- und Kulturvermittler betreut sie die Familie und hilft außerdem bei der Wohnungssuche. Christ: „Auf diese Art der Unterstützung sind wir angewiesen.“