Louise Zietz aus Bargteheide war die Vorreiterin der heutigen Gleichstellungsbeauftragten. Im März 2015 ist ihr 150. Geburtstag.

Bargteheide. Es ist noch gar nicht so lange her, da wäre eine Frau als Bundeskanzlerin nicht möglich gewesen. Vor 150 Jahren durften Frauen ja noch nicht einmal zur Wahl gehen. Sie hatten kein Recht auf Bildung, Arbeit oder sonst irgendeine Selbstbestimmung. In diese Zeit hinein wurde in Stormarn eine später bedeutende Frauenrechtlerin geboren: Louise Zietz, Sozialdemokratin – und Vorreiterin der heutigen Gleichstellungsbeauftragten. Am 25.März 1865 kam sie in Bargteheide auf die Welt.

„Ihr Lebenslauf ist für die damalige Zeit absolut bemerkenswert“, sagt Angela Thomsen aus Bargteheide. „Vor allem, wenn man bedenkt, aus welchen Verhältnissen sie kam.“ Thomsen ist Vorstandsmitglied des SPD-Ortsvereins und hat sich intensiv mit der Geschichte von Louise Zietz befasst: ImMärz will die SPD Bargteheide den 150. Geburtstag mit einem großen Festakt feiern.

Louise Zietz, geboren wird sie als Louise Catharina Amalie Körner, wächst als ältestes von vier Kindern einer Wollweberfamilie auf. Sie ist arm, muss hart arbeiten, leidet an Hunger. Wie schlimm diese Zeit war, hat Zietz in ihrer Schrift „Aus meinem Leben. Wie wir Kinder beim Brotverdienen helfen mussten“ von 1919 selbst beschrieben. In dem Dokument heißt es: „Die Wolle musste die Kratzmaschine zweimal passieren. (...) Sollte die Wolle gewebt werden, musste sie auf Spulen gebracht werden. Das war für uns Kinder eine schreckliche Marter. (...) Der Rücken schmerzte, der rechte Arm, (...) drohte zu erlahmen. Die Finger (...) von den scharf gesponnen Fäden blutig gerissen. (...) Im Schrank war kein Brot, und der Hunger tat so weh.“

Von der Tabakfabrik-Arbeiterin in den SPD-Parteivorstand

Als Kind im elterlichen Betrieb zur Arbeit gezwungen, arbeitet Louise Zietz später in einer Tabakfabrik. Dann, mit Anfang 20, geht sie nach Hamburg, um eine Ausbildung zur Kindergärtnerin zu machen. „Sie muss sich das richtig hart erkämpfen haben. Das war völlig ungewöhnlich damals“, sagt Ute Sauerwein-Weber, Leiterin der Volkshochschule Bargteheide. Warum? „Sie hatte ja nur einen niedrigen Bildungsstand, hatte nur die Bargteheider Volksschule besucht“, sagt Sauerwein-Weber. Vermutlich habe sie sich einfach immer wieder an der Schule in Hamburg beworben. Und viele Bücher gelesen, um sich weiterzubilden.

In Hamburg knüpft Zietz Kontakte zur SPD. Dann tritt sie erstmals öffentlich in Erscheinung: Es ist November 1896, die Hafenarbeiter sind in den Streik getreten. Sie sind Tagelöhner, fordern bessere Arbeitsbedingungen, mehr Lohn. Aber Streik bedeutet auch: noch mehr Armut für die Familien zu Hause. Louise Zietz erkennt, die Männer brauchen die Unterstützung ihrer Ehefrauen, um nicht einzuknicken. Auf eigenen Frauenversammlungen ruft sie dazu auf, die Männer zu unterstützen. „Elf Wochen haben sie den Streik durchgehalten“, sagt Bargteheides VHS-Leiterin Sauerwein-Weber. Aber er sei nicht erfolgreich ausgegangen. „Dafür wurde aber sichtbar, was für eine selbstbewusste Frau Lousie Zietz war“, so Ute Sauerwein-Weber. Mit einem der Hafenarbeiter, Carl Christian Zietz, war Louise verheiratet, von ihm hatte sie ihren Nachnamen. Doch die Ehe, kinderlos, scheiterte. „Man muss sich natürlich auch fragen, wie der Mann in einer solchen Zeit neben einer so starken Frau hätte bestehen können“, sagt Sauerwein-Weber. Von 1892 an war Zietz SPD-Parteimitglied. 1908 wurde sie in den SPD-Parteivorstand gewählt: Die Weberstochter aus Bargteheide – plötzlich im höchsten Gremium der Sozialdemokraten. Damit war Zietz die erste Frau in Deutschland, die es in die Leitungsebene einer Partei geschafft hat.

Zietz war auch Pazifistin und flog deshalb aus dem Parteivorstand

Unermüdlich kämpfte die Bargteheiderin für ein Verbot von Kinderarbeit. Forderte mehr Rechte für Frauen ein wie Mutterschutz nach der Entbindung. Und sie verlangte das Wahlrecht für Frauen – es war eine Revolution, als es 1918 endlich anerkannt wurde. „Louise Zietz war eine Kämpfernatur. Die hat sich einfach überall durchgebissen“, sagt Ute Sauerwein-Weber. Dabei hatte sie ein enormes Pensum zu bewältigen: als Mitglied der Weimarer Nationalversammlung, als Abgeordnete des Reichstages, in einem Jahr hatte sie deutschlandweit 209 Reden gehalten. „Wenn man die Reichstagsprotokolle liest, merkt man: Diese Frau hatte überhaupt keine Angst“, sagt Sauerwein-Weber. „Sie hatte eine unheimlich spitze Zunge und blieb doch gleichzeitig immer höflich.“ Enorm finde sie das, und toll, dass eine so bedeutende Frauenrechtlerin aus Bargteheide stamme.

Zietz war auch Pazifistin, lehnte Kriegskredite ab, flog aus dem Parteivorstand. 1917 wurde sie Gründungsmitglied der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD). Die Wiedervereinigung mit der SPD erlebte sie nicht mehr. 1919 hielt sie noch die Grabrede für Rosa Luxemburg. Am 27. Januar 1922 starb sie, nachdem sie einen Schwächeanfall im Reichstagsgebäude erlitten hatte. Ihr Grab ist auf dem Sozialistenfriedhof in Berlin, ganz nah bei Rosa Luxemburg.