Feuer, Hochwasser, defekte Lok: Seit 1960 wird in Ahrensburg jeder Einsatz protokolliert. Beim bislang letzten klemmte nur ein Fahrstuhl.
Ahrensburg. In einer besseren Welt hätte es dieses Jubiläum nicht gegeben. Da ist sich der Ahrensburger Feuerwehr-Chef Jürgen Stahmer sicher. „Jeder Einsatz, ob er nun dramatisch oder glimpflich endet, bedeutet für die Betroffenen Sorgen, Ärger, Schaden und Schmerzen“, sagt er. Nun hat die Feuerwehr dennoch ein bemerkenswertes Jubiläum gehabt: Am 25. Februar 2015 haben die ehrenamtlichen Retter um exakt 7.51 Uhr ihren 7000. Einsatz gehabt – gezählt ab dem 1. Januar 1960. Das ist der Tag, an dem die lückenlose Dokumentation begonnen hat. Eigentlich aber hat die Feuerwehr der Schlossstadt seit ihrer Gründung im Jahr 1881 noch viel mehr erlebt beim Retten, Löschen und Bergen. Das Abendblatt hat einige der spannendsten und kuriosesten Anekdoten, Zahlen und Fakten, die Carsten Mahns, Gruppenführer und Archivar der Feuerwehr, zusammengetragen hat.
Der 7000. Einsatz
Der Vorfall selbst dürfte in die Kategorie eines glimpflichen Einsatzes fallen. In einem Wohn- und Bürogebäude an der Großen Straße bleiben am Mittwochmorgen drei Menschen in einem Fahrstuhl stecken. Laut Jürgen Stahmer ist dieser Einsatz ein ganz typischer. „Früher stand das Löschen von Feuern im Vordergrund, heute machen technische Hilfeleistungen den Großteil unserer Arbeit aus“, sagt er. Oft müssen die Feuerwehrleute auch bei Notfällen Haustüren öffnen, bei Unfällen verunglückte Autofahrer aus ihren Fahrzeugen schneiden oder im Anschluss ausgelaufenes Öl oder Kraftstoff von der Straße aufnehmen.
Der härteste Tag
Am 10. Juli 2002 gibt es für die Männer und Frauen der Freiwilligen Feuerwehr Ahrensburg keine Verschnaufpause. 122 Einsätze absolvieren sie an dem Tag. Der Grund sind zahlreiche Überschwemmungen infolge andauernder Regenfälle. Bis zu 1000 Liter Niederschlag pro Quadratmeter fallen binnen 24 Stunden in Ahrensburg und dem Rest des Kreises nieder, Keller laufen voll, Straßen werden überspult, und Gewässer treten über die Ufer. Zum Vergleich: 1961, 1962 und 1965 gab es beispielsweise lediglich 17 Einsätze im gesamten Jahr. Die meisten Alarmierungen pro Jahr erreichen die Feuerwehr in Jahr 2002. 394 sind es. Zweitplatziert ist das Jahr 2013 mit 377 Einsätzen. 2014 fahren die Männer und Frauen zu 304 Einsätzen.
Die kurioseste Anekdote
Die unglaublichste, aber belegte Geschichte der Ahrensburger Feuerwehr ereignet sich kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Drei französische Kriegsgefangene sollen ein Löschfahrzeug der Feuerwehr gestohlen haben, um damit nach Hause zu fahren. Wenige Monate später hat der Ahrensburger Eduard Pfleger die gleiche Idee und flieht ebenfalls mit einem gestohlenen Löschfahrzeug nach Hause. Es wird bis 1969 für Einsätze verwendet. „Wo jeder sich etwas leiht, kommt nichts weg“, so kommentiert Florian Ehrich, Ortswehrführer in Ahrensburg, die Anekdote aus dem Jahr 1945.
Der vermasselte Fußballabend
Es ist ein Spiel, über das sicherlich noch in Jahrzehnten gesprochen wird: das Halbfinale der Fußball-WM 2014 zwischen dem Gastgeber Brasilien und Deutschland. 1:7 lautet der Endstand. Die Mitglieder der Ahrensburger Feuerwehr haben ihre ganz eigene Geschichte zu dem Erdrutschsieg der Deutschen Elf beizutragen. Nämlich dass sie nichts davon mitbekommen haben. Stattdessen sind die Kameraden und Kameradinnen ab 20.30 Uhr – um 22 Uhr wird in Belo Horizonte angestoßen – stundenlang wegen eines Unwetters im Einsatz, müssen unter anderem ein Haus im Neubaugebiet Erlenhof sichern, das wegzurutschen droht.
Der längste Anfahrt zum Einsatz
Ahrensburg und Umgebung, wenn die Nachbarwehren die Hilfe der Stadtwehr anfordern, das ist in den meisten Fällen das Einsatzgebiet der Ahrensburger. Im Einsatz-Rekordjahr 2002 legen die Retter auch die längste Anfahrt zurück: etwa viereinhalb Stunden Fahrzeit, 470 Kilometer bis in die sächsische Landeshauptstadt Dresden. Dort sind die Ahrensburger im August während des Elbe-Hochwassers als Brandschutzbereitschaft abgestellt. Mit fast zehn Metern erreicht der Fluss in diesem Tagen seinen bislang höchsten Stand, große Teile des Stadtgebietes sind überschwemmt.
Die Gründung der Feuerwehr
134 Jahre und 49 Tage wird die Ahrensburger Feuerwehr am heutigen Freitag alt. „Man hatte seinerzeit erkannt, dass Spezialisten benötigt werden, die sich mit Feuer auskennen, und dass entsprechende Geräte benötigt werden“, sagt Florian Ehrich. 25 Gründungsmitglieder gab es. Die erste Wache war in der Straße Lohe (Hausnummer 3). Später zogen die Feuerwehrmänner in ein Gebäude gegenüber dem Amtsgericht. Heute hat die Feuerwehr in Ahrensburg vier Standorte: das Rettungszentrum Am Weinberg, eine Wache im Stadtteil Am Hagen und jeweils eine in den Stadtteilen Ahrensfelde und Wulfsdorf. Etwa 140 Kameraden und Kameradinnen sind engagiert. Dazu kommen 40 Mitglieder der Werksfeuerwehr des Druckkonzerns Prinovis, die allerdings nur auf dem Werksgelände im Einsatz sind.
Die royal-bürgerliche Fusion
Bis 1909 gab es im heutigen Stadtgebiet zwei Wehren. Das hatte, im Gegensatz zu heute, aber nichts mit der Größe der damaligen Siedlung Woldenhorn zu tun, sondern mit dem Schloss. Das Prachtgebäude mit seinen Nebengebäuden (Marstall, Bagatelle, Schlosskirche) hatte über Jahrzehnte eine eigene Feuerwehr: die Gutsfeuerwehr. Daneben rettete, löschte und barg die 1881 gegründete Wehr. Vor 106 Jahren fusionierten die Wehren dann.
Die dunkelste Stunde
Wie 2002 ein Rekord-Jahr ist, ist 2014 ein Schicksalsjahr. Bereits im Herbst 2013 hat eine Brandserie in Ahrensburg ihren Anfang genommen, bei der immer wieder Strohballen, Autos, Lauben und Papiercontainer brennen. Zeitweise vergeht kein Wochenende, an dem die Feuerwehrleute nicht in der Nacht aus dem Bett springen müssen. Nach mehr als einem Jahr, im Dezember 2014, werden dann sechs junge Männer im Alter zwischen 17 und 21 Jahren festgenommen. Acht Großfeuer und zwei Versuche sollen auf ihr Konto gehen. Sie sitzen, mit Ausnahme des 17-Jährigen, in U-Haft, in Kürze soll Anklage erhoben werden. Doch aufatmen können die Feuerwehrmänner nicht: Vier der Inhaftierten sind Mitglieder der Ortswehr Ahrensfelde. Der Schock bei den Kameraden sei groß, heißt es von der Wehrführung.
Der Lichtblick
Nach der Krise sei mittlerweile wieder Ruhe eingekehrt, sagt Jürgen Stahmer und fügt an: „Der Schock über die Festnahmen hat uns am Ende noch enger zusammengeschweißt.“