Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht das geplante Projekt am Glindfelder Weg mehr denn je infrage. Die Folgen werden in der Stadt unterschiedlich interpretiert.
Bargteheide/Jersbek. Die rechtliche Grundlage für den Bargteheider Windpark ist gekippt. Der Regionalplan ist nichtig. Aber bedeutet das auch, dass das umstrittene und schon oft totgesagte Projekt nun endgültig gescheitert ist? Während die Gegner des Windparks das Projekt für „abgeblasen“ halten, heißt es aus dem Bargteheider Rathaus: Noch ist nichts entschieden.
Die Sachlage ist kompliziert. So hat das OVG am Dienstag die Teilfortschreibung des für Stormarn geltenden Regionalplans zur Ausweisung von Windflächen zwar für unwirksam erklärt (das Abendblatt berichtete), aber zugleich neue Möglichkeiten für Investoren eröffnet. Was war der Fehler? Wie geht es nun weiter? Neun Fragen mit höchst unterschiedliche Antworten.
Ist der Bürgerwindpark gescheitert?
„Nein. Nicht automatisch“, sagt Bauamtsleiter Jürgen Engfer. „Die rechtliche Basis ist zwar weg. Aber das heißt nicht, dass es nicht Verfahrensschritte gibt, das Projekt fortzusetzen.“ Bargteheide werde das Urteil samt Begründung zunächst gründlich auswerten und dann mit der Kommunalpolitik das weitere Vorgehen abstimmen. Engfer: „Unter Umständen wäre eine Umsetzung des Projektes nach Baugesetzbuch möglich.“ Sofern das denn der kommunalpolitischer Wille sei.
Von der zuständigen Behörde, dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume (LLUR), kommt folgende Einschätzung: „Die Genehmigung für die Bargteheider Windkraftanlagen ist noch nicht erteilt. Von daher gibt es keine unmittelbaren Auswirkungen des OVG-Urteils“, sagt LLUR-Direktor Matthias Hoppe-Kossak. Welche Auswirkungen folgen könnten, werde gegenwärtig geprüft.
Ganz anders die Einschätzung der Bürgerinitiative Gegenwind Bargteheide, die zu den Klägern zählt. „Nachdem der Regionalplan für unwirksam erklärt worden ist, fehlt es an einer Genehmigungsgrundlage“, sagt Sprecherin Helga Dorer. Der alte Regionalplan trete wieder in Kraft – und in dem ist die Bargteheider Fläche nicht enthalten. Dorer: „Der Windpark ist abgeblasen.“
Löst sich die Bürgerwindpark GmbH & Co. KG Bargteheide jetzt auf?
„Nein“, sagt Bauamtsleiter Jürgen Engfer. Der städtebauliche Vertrag zwischen GmbH und Stadt sei von der neuen Rechtslage unberührt. Engfer: „Die Kommunalpolitik entscheidet über den Forstbestand der Gesellschaft.“ Dabei werde es auch darum gehen, ob das Projekt unter den neuen Voraussetzungen noch wirtschaftlich ist.
Und die Kommanditisten?
Engfer: „Falls das Projekt nicht umgesetzt werden kann oder soll, verlieren die Kommanditisten je nach Verlauf Teile oder ihre gesamte Einlage.“
Zum Zeitpunkt des Urteils genehmigte Anlagen dürfen gebaut werden. Trifft das nicht auf Bargteheide zu?
„Nein“, sagt Bauamtsleiter Jürgen Engfer. „Die Genehmigung des Bargteheider Windparks liegt zwar in der Schublade der Behörde. Aber sie wurde noch nicht zugestellt. Deswegen ist sie noch nicht wirksam.“
Die Stadt selbst hatte beim LLUR darum gebeten, die Genehmigung nicht zuzustellen. War das ein Fehler?
„Es war richtig“, sagt der Bauamtsleiter. Bargteheide sei einer Empfehlung der Kommunalaufsicht und damit einer Einschätzung des Innenministeriums gefolgt. Hintergrund sei die Beschwerde bei der EU-Kommission gewesen, nach der die Stadt mit der Vorfinanzierung der Windpark GmbH den Wettbewerb verzerrt habe. Engfer: „Allein der Empfang der Baugenehmigung hätte als Verstoß gegen das EU-Beihilferecht ausgelegt werden.“ Und weiter: „Es war zu befürchten ist, dass eine Klage in Millionenhöhe der Europäischen Union gegen die Bundesrepublik Deutschland an das Land Schleswig-Holstein weitergegeben wird.“
Das habe alles nicht genützt. So sieht es Helga Dorer von der Bürgerinitiative Gegenwind. „Wir stellen fest, dass das unter EU-Beihilfegesichtspunkten schon deutlich fragwürdige Bürgerwindpark-Projekt jetzt endgültig gescheitert ist.“
War das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes denn nicht absehbar?
„Für uns nicht“, sagt der Bauamtsleiter. „Ich bin sehr überrascht. Ich bin davon ausgegangen, dass die Landesplanung vernünftig arbeitet und Fachleute rechtlich sauber planen.“ Deswegen sei auch die Bitte an das LLUR, die Baugenehmigung zurückzuhalten, unproblematisch erschienen. Auch Jersbeks Bürgermeister Herbert Sczech ist erstaunt, in welchem Tempo das OVG die Anhörung durchgezogen habe. „Eine so komplexe Sache in nur einem Tag zu verhandeln und dann auch noch den Spruch zu fällen, das ist ungewöhnlich“, sagt Sczech. „Das liegt daran, dass das OVG sich mit den formalen Fehlern befasst hat und dann inhaltlich gar nicht mehr richtig eingestiegen ist.“
Woran ist der Regionalplan gescheitert?
Das OVG spricht in seiner Presseerklärung von „schweren Planungsfehlern“ des Landes. So hätten die Gemeinden die Aufnahme von Windflächen in den Regionalplan vorab ablehnen können. Außerdem seien die Kriterien für diese „Tabuzonen“ nicht hinreichend differenziert worden. Die Richter rügen auch ein mangelndes Beteiligungsverfahren der Öffentlichkeit.
„Der Ministerialrat des Landes Schleswig-Holstein betonte ausdrücklich, dass die Einbindung der Öffentlichkeit von erheblicher Bedeutung sei, weil Schleswig-Holstein weiterhin für den Ausbau der Windkraft ist“, sagt Helga Dorer, die bei der Anhörung in Schleswig dabei war, weil die Initiative mit zwei Anwohnern zu den Klägern gehörte. Ziel der Landesregierung sei es, die Energiewende im Einvernehmen mit den Bürgern voranzubringen. Dorer: Im Fall des Bürgerwindparks Bargteheide ist die Bürgerbeteiligung vollständig misslungen.“
Jersbek hat gegen den Regionalplan geklagt. Was geschieht jetzt?
„Ich kann das nicht sagen. Ich weiß nicht einmal, ob die Gemeinde wirklich Recht bekommen hat“, sagt der Jersbeker Bürgermeister. Zwar sei der Regionalplan „hops“. Aber dafür gebe es jetzt über das Baugesetz die neue Möglichkeit, Windparks im Außenbereich als privilegierte Vorhaben zu errichten. „Gewinner sind wohl eher die Investoren.“ Theoretisch könnten sich jetzt neue Betreiber in Bargteheide melden. Ganz so einfach sei es aber nicht. Die öffentlichen Belange müssten natürlich trotzdem berücksichtigt, Flächennutzungspläne geändert werden. Sczech: „Darüber entscheiden dann die Kommunalpolitiker. Mit dem Urteil haben die Gemeinden mehr Verantwortung und Ermessenspielraum bekommen.“
Müsste die Stadt das Genehmigungsverfahren noch mal durchlaufen?
„Vermutlich ja, nach Baugesetzbuch“, sagt Bauamtsleiter Jürgen Engfer. Die alte Fläche könnte erneut vorgeschlagen werden. „Nach der neuen Rechtsprechung könnten sogar Windparks genehmigt werden, die bislang aufgrund des Regionalplans nicht möglich waren.“ Aber das neue Verfahren koste Geld. Die Frage sei, ob sich das Projekt dann noch wirtschaftlich lohne. Engfer: „Das entscheidet die Politik.“