Investoren bauen Eigentums- und Mietwohnungen sowie ein Altenheim. Die vier Projekte kosten 45 Millionen Euro. Das Zentrum der 18.500-Einwohner-Stadt Glinde bekommt ein neues Gesicht.

Glinde. Ein Chirurg, der das Gesicht eines Patienten komplett verschönert, würde den Zwischenstand seiner Arbeit, wenn er sie auf die baulichen Aktivitäten in Glindes Zentrum bezieht, so beschreiben: Die Nase ist gerichtet, Falten sind geglättet, Wangen, Lippen und das Kinn müssen noch angefasst werden. Zwar ist in Stormarns Süden mehr robuster Einsatz mit schwerem Gerät als filigranes Agieren mit Spritze und Skalpell gefragt. Aber auch die 18.500-Einwohner-Stadt bekommt in ihrer Mitte ein neues Gesicht.

An der Alten Wache werden derzeit drei Projekte in unmittelbarer Nähe gestemmt, die bereits 2015 bezugsfertig sind und das Stadtbild verändern: das Haus Glinn mit seinen 37 Eigentumswohnungen, in denen auch betreutes Wohnen ermöglicht wird, ein Altenheim mit 115 barrierefreien Pflegeapartments sowie 53 Seniorenwohnungen auf dem ehemaligen Gelände der Gärtnerei Diesing. Im Spätherbst dieses Jahres geht es auf der anderen Seite der Möllner Landstraße weiter. Dann wird das Areal Gleisdreieck mit 153 Wohnungen bebaut. Das Investitionsvolumen für die vier Projekte beträgt rund 45 Millionen Euro.

Unternehmensgruppe KerVita schafft 80 Arbeitsplätze im Altenheim

„Es sind alles kleine Puzzleteile, die ein Gesamtes ergeben. Stadtentwicklung hört nie auf. Wir gewinnen zunehmend an Attraktivität“, sagt Bürgermeister Rainhard Zug. Bereits vor rund vier Jahren war das Mühlencenter, ein Einkaufszentrum mit 6000 Quadratmeter Fläche, im Zentrum errichtet worden. Auch der Marktplatz wurde neu gestaltet. Geht es nach dem Verwaltungschef, könnte es mit den Veränderungen im Bereich der Marktpassage gleich weitergehen. Zug hat bereits mit Investoren gesprochen, bisher erfolglos. Er sagt: „Hier leben 6000 Menschen, die älter als 58 Jahre sind, und in den vergangenen fünf Jahren haben wir durch das Neubaugebiet An der Alten Wache 2500 Einwohner dazubekommen, darunter viele junge Familien. Das Potenzial in puncto Kaufkraft ist groß.“ Wer in Glinde investiere, könne gutes Geld verdienen.

Davon ist KerVita überzeugt. Die Hamburger Unternehmensgruppe erstellt auf einem 5300 Quadratmeter großen Grundstück das Alten- und Pflegeheim mit Platz für 121 Bewohner. Das Haus ist auf Menschen mit Demenz ausgerichtet. Das dreistöckige Gebäude, das in einer U-Form gebaut ist, bietet mehr als 5000 Quadratmeter Nutzfläche. Hier entstehen auch 80 Arbeitsplätze. Dazu zählen Pflegekräfte, Verwaltung, Köche und Hausmeister. Das Gebäude ist nicht ans Fernwärmenetz angeschlossen, sondern verfügt über ein eigenes Blockkraftheizwerk.

KerVita veräußert die Apartments als Kapitalanlage und pachtet sie dann, um sie zu betreiben. 70 Prozent der Wohnungen sind laut Geschäftsführer Torsten Rieckmann bereits verkauft. Sie kosten ab 130.000 Euro. Mit seinem Ambulanten Pflegedienst möchte er auch ältere Bewohner im Neubaugebiet An der Alten Wache erreichen und jene, die später eine Wohnung auf dem Gleisdreieck beziehen. Rieckmann: „Unser Heim wird am 1. August eröffnet.“

Für die Einhaltung des Zeitplans ist Winfried Lorenz zuständig. Der 62 Jahre alte Rostocker leitet die Baustelle. Er hat mit KerVita bereits mehr als ein Dutzend Altenheime gebaut. Mehrmals täglich pendelt er zwischen seinem Büro in einem Blechcontainer und dem Rohbau, gibt Anweisungen und kontrolliert die Arbeit der Gewerbe. Das Telefon ist immer griffbereit. Plötzlich klingelt es. Es ist ein Subunternehmer. „Ja, alles bestens hier. Den Fahrstuhl machen wir so wie in Greifswald“, sagt Lorenz, setzt in den Helm auf und stapft über den aufgeweichten Sandboden Richtung Gebäude.

Einschränkungen für Autofahrer bei Bebauung des Gleisdreiecks

Dort drinnen riecht es nach Beton. Und es ist feucht. Die Wasser- und Heizungsleitungen an den Decken liegen noch frei. Das Hämmern und Bohren ist schon von Weitem zu hören. Im Moment werden jede Menge Kabel verlegt. Elf Mann hat Lorenz unter seinen Fittichen, Klempner, Elektriker, Fensterbauer und Dachdecker, die in zwölf Meter Höhe OSB-Platten verlegen. Im Frühjahr stoßen dann Maler und Fliesenleger hinzu. Lorenz: „Dann sind hier 70 Handwerker beschäftigt.“

Gegenüber des Alten- und Pflegeheims steht das Haus Glinn, L-förmig und ebenfalls dreistöckig. Die Außenwand ist bereits verputzt, der Trockenbau abgeschlossen. Dieses Bauprojekt ist am weitesten fortgeschritten. Lorenz: „Die werden wohl demnächst mit dem Estrich beginnen.“ Die 37 seniorentauglichen Eigentumswohnungen mit einer Fläche von 60 bis 112 Quadratmetern werden von der Baufirma Senectus realisiert. Sie sollen im Juni fertig sein. Die Eigentümer haben die Möglichkeit, sich komplett versorgen zu lassen. Mit einer monatlichen Pauschale zahlen sie die Grundleistung einer Hausdame, hinzubuchbar sind unter anderem ambulante Pflege und bis zu drei Mahlzeiten am Tag. Beide Projekte sind in Kooperation zwischen KerVita und Senectus entstanden.

Nur einen Steinwurf entfernt, direkt neben dem Aldi-Discounter, erstellt das Wohnungsunternehmen Semmelhaack auf einem 4800 Quadratmeter großen Grundstück zwei dreigeschossige Neubauten mit 53 altersgerechten Wohnungen, 18 davon sind öffentlich gefördert. Spätestens im August sollen die Bewohner hier einziehen. „Momentan haben wir 271 Bewerbungen“, sagt Hartmut Thede, Leiter der Projektentwicklung. Allein aus der Nachbarkommune Oststeinbek stünden über 60 Personen auf der Liste. Thede: „Sie sind aber chancenlos, da Glinder Priorität haben.“

Polier Rainer Zahm, 57, arbeitet derzeit mit zehn Handwerkern zusammen, vor allem Maurern. Mitten auf dem Grundstück steht ein großer Baukran. Die Keller sind genauso fertiggestellt wie das Erdgeschoss des Hauses Nummer zwei, auch die Pellet-Heizungsanlage ist montiert. Im Frühjahr wird sich die Zahl der Handwerker verdoppeln.

Wesentlich mehr Fachkräfte benötigt die Firma Semmelhaack im Herbst dieses Jahres. Dann ist der Baustart für 153 Wohnungen, 60 Prozent davon sind öffentlich gefördert, auf dem 2,1 Hektar großen Areal Gleisdreieck direkt gegenüber anvisiert. Geplant sind sieben Baukörper, fünf davon sind drei-, zwei sogar viergeschossig. Im Gegensatz zu den derzeit im Bau befindlichen Projekten wird es beim Gleisdreieck auch Einschränkungen im Straßenverkehr geben. Wenn die Wohnungen stehen, wird ein Kreisverkehr, der von der Möllner Landstraße in die Straße Am Sportplatz führt, mit 35 Meter Durchmesser in Angriff genommen. „Ende 2016 oder Anfang 2017 sollen die Wohnungen bezugsfertig sein“, sagt Thede. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf knapp 20 Millionen Euro.