Bei einer Übung in Bargteheide mit zahlreichen Verletzten rüsten sich Feuerwehren, Rettungsdienst und Technisches Hilfswerk für den Ernstfall. An dem simulierten Unfall sind 200 Retter beteiligt.

Bargteheide. Ein Arm ragt aus einem Autofenster, die Hand ist abgetrennt. Die Frau, die in dem Fahrzeug sitzt, ruft um Hilfe, sie bittet einen näher kommenden Einsatzhelfer verzweifelt darum, sie aus dem Wrack zu befreien. Doch der Mann geht weiter. Er muss weitergehen, denn die Frau mit der abgetrennten Hand ist nicht das einzige Opfer. Nicht derjenige, der am lautesten ist, wird zuerst gerettet. Im Gegenteil: Wer schreit, bekommt noch Luft. Auch das – zielgerichtet, nicht von Emotionen geleitet zu arbeiten – sollten rund 200 Einsatzkräfte, die sich am Sonnabend an den Bargteheider Rettungstagen beteiligten, bei einem simulierten Großunfall trainieren.

Auf dem Betriebsgelände der Firma Backring Nord haben Freiwillige eine Unfallstelle nachgebaut. Das Szenario: Auf einer Baustelle an der Autobahn, im Bereich der Fahrbahnverschwenkung, sind zwei Fahrzeuge zusammengestoßen. Weil die nachfolgenden Fahrer nicht aufgepasst haben, ist es zu Folge-unfällen gekommen. Und auch in der entgegengesetzten Richtung herrscht Chaos: Autofahrer haben an der Unglücksstelle „gegafft“ und dabei selbst Unfälle gebaut.

Acht Freiwillige Feuerwehren, das Technische Hilfswerk (THW) und die Auszubildenden der Rettungsdienste des Landes nehmen an der Übung teil. Erstmals ist auch die Bundeswehr dabei, allerdings nur, um zuzusehen. „Es geht darum, sich für den Ernstfall zu rüsten“, sagt Frank Westerwald, Sprecher der Bargteheider Feuerwehr. Zum sechsten Mal machen die Einsatzkräfte eine solche Probe in Bargteheide. „Wir haben dafür eine große, unübersichtliche Unfallstelle mit vielen Verletzten aufgebaut“, sagt Westerwald. In diesem Jahr haben sich 30 Freiwillige als Unfallopfer zur Verfügung gestellt. Weitere 15 Puppen sitzen in den Fahrzeugen, die mit Autopressen bearbeitet wurden.

Sponsoren haben die Fahrzeuge und das Übungsgelände zur Verfügung gestellt

„Leider passiert es immer häufiger, dass solche sogenannten Massenanfälle an Verletzten ausgelöst werden“, sagt Westerwald. Ein MANV, wie der Vorgang kurz heißt, ist dann gegeben, wenn mehr als fünf Personen beteiligt sind. „Dann ist der normale Rettungsdienst allein überfordert, und die Leitstelle schickt auch andere Einsatzkräfte los.“

Dann geht es vor allem darum, dass die Zusammenarbeit der Einsatzkräfte reibungslos funktioniert. „Sinn der Übung ist es, die Kommunikationswege noch zu verbessern“, sagt Westerwald. Für den Erfolg eines großen Einsatzes wie dem in Bargteheide nachgestellten sei es erforderlich, dass sich die Retter kennen und miteinander kommunizieren. Dass diese Probe nicht die erste ihrer Art in Stormarn ist, macht sich bezahlt. „Wir merken, dass diese Übungen uns wirklich helfen: Das blinde Verständnis unter den Einsatzkräften wird besser, sodass sie schneller Hilfe leisten können. Das kommt den Geschädigten im Ernstfall zugute“, sagt Westerwald.

Auf der Unfallstelle wird es derweil voller. „Step by step rücken die Wehren an. Das wäre auch in echt so“, sagt Michael Schermer von der Bargteheider Feuerwehr, der die Übung koordiniert. Seit Mittwoch hatte er gemeinsam mit anderen Freiwilligen in seiner Freizeit die Kulisse aufgebaut. Die Kosten wurden von Sponsoren gedeckt, die beispielsweise Baufahrzeuge zur Verfügung stellten. Auf die Versorgungszelte für Verletzte haben die Veranstalter in diesem Jahr verzichtet. „Das hätte den Rahmen gesprengt. Wer lebend gerettet wird, ist also quasi sofort gesund“, sagt Westerwald.

In einige Fallen sind die Einsatzkräfte getappt

Um möglichst viele Opfer retten zu können, ist es erforderlich, dass sich der Einsatzleiter zunächst einen Überblick über die Unfallstelle verschafft. „Wir müssen uns von allen Seiten an die Opfer heranarbeiten und festlegen, wer vorrangig gerettet werden muss“, sagt Schermer. Die Übung kann notfalls auch unterbrochen werden. „Es geht hier nicht darum, alles schnell, schnell zu machen. Die Freiwilligen sollen gern auch Dinge ausprobieren, zwischendurch kann dann Kritik angebracht werden, wenn sie nötig ist“, sagt Westerwald, der sich mit dem Abschluss der Übung zufrieden zeigt. Alles habe jedoch nicht reibungslos geklappt. „In einige der von den Übungsleitern extra eingebauten Fallen sind die Helfer durchaus getappt.“ So gab es beispielsweise in einem Autowrack einen leeren Kindersitz. „Das ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass man sich noch einmal nach einem Kleinkind umgucken muss. Das wurde leider nicht berücksichtigt“, sagt Westerwald. Allerdings: „Genau dafür sind solche Übungen da, solche Fehler sind von den Übungsleitern beabsichtigt, denn daraus lernt man.“

Ob die Übung im nächsten Jahr wiederholt wird, steht derzeit noch nicht abschließend fest.