Nachdem der Kreis die Benutzungspflicht für Radwege aufgehoben hat, fordert die SPD in Bargteheide jetzt Gutachten zu Velorouten. Bürgermeister Görtz fordert, dass der Kreis sich bewegen müsse.
Bargteheide. Die Verunsicherung ist groß: Nachdem der Kreis Stormarn die Benutzungspflicht für Radwege weitgehend aufgehoben und die meisten blauen Schilder inzwischen abgebaut hat, wissen viele Radfahrer nicht mehr genau, was sie müssen und was sie dürfen. Hinzu kommt die Sorge, beim Wechsel vom Radweg auf die Straße in Schwierigkeiten zu geraten.
„Das Gefahrenpotenzial ist nicht zu unterschätzen“, sagt Peter Anklam (SPD), Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft (AG) Radverkehr in Bargteheide, die jetzt einen Gutachter fordert, um ein neues Radwegekonzept für die Stadt entwickeln zu können. „Wir geben Anregungen, aber wir sind keine Planer“, sagt Stadtvertreter Anklam. „Es ist nötig, dass uns ein Sachverständiger unter die Arme greift und bei der Planung von Velorouten unterstützt.“
Noch ist offen, ob ein Gutachter in den Entscheidungsprozess eingreift. Bürgermeister Henning Görtz sagt: „Wir sollten uns überlegen, wie wir für die Problemstellen zu Lösungen kommen.“ Der Kreis müsse allerdings mitspielen und sich „bewegen“, sagt der Verwaltungschef, der das Ergebnis der Kreisverkehrsschau und damit die Festlegung der wenigen nach wie vor benutzungspflichtigen Radwege kritisch sieht. „Ich hoffe auf Einsicht“, sagt Görtz. Als Beispiel für eine problematische Regelung nennt er die Bahnbrücke Tremsbütteler Weg, wo Radfahrer auf die Straße ausweichen sollen.
„Das Problem steckt auch im Kopf“, sagt Thomas Degenhardt, zuständiger Mitarbeiter im Bargteheider Rathaus. „Radfahrer und Autofahrer müssen sich auf die neue Situation einlassen.“ Die sei nicht frei von Problemen, aber der bislang ständige Wechsel zwischen den Systemen, also zwischen Radweg, Straße und Gehweg, habe die Verkehrssicherheit auch nicht unbedingt erhöht. Degenhardt: „Jetzt ist die Situation übersichtlicher. Grundsätzlich müssen die Radfahrer auf die Straße. Es sei denn, es liegt eine besondere Gefahrensituation vor. Dann ist der Radweg benutzungspflichtig.“ Ein Beispiel sei die B 75 auf der kompletten Länge durch Bargteheide.
Zur Klärung der Situation hat die Stadt auf Initiative der AG Radverkehr eine Infobroschüre in Auftrag gegeben. Sie wird demnächst erscheinen und im Rathaus ausliegen. „Der Flyer enthält einen Plan, mit dem sich der Radfahrer einen Überblick verschaffen kann, welche Radwege benutzungspflichtig sind und welche nicht“, sagt Peter Anklam.
Damit sei aber keineswegs alles geklärt. Bei der jüngsten Sitzung der AG Radverkehr wurde daher beraten, wie die Situation verbessert werden könnte. Es ging unter anderem um die Markierung von Fahrradstreifen auf der Jersbeker Straße, die aber wohl nicht möglich sein wird. Anklam: „Die Straße ist dafür zu schmal.“ Über eine Markierung auf der Alten Landstraße müsse noch gesprochen werden. Der Ausbau der Verkehrsinsel in der Jersbeker Straße auf Höhe Trabrennbahn sei dagegen als Querungshilfe unverzichtbar, ebenso wie ein benutzungspflichtiger Zweirichtungsradweg nach Jersbek. Zur Diskussion steht weiterhin ein Minikreisel an der Kreuzung Alte Landstraße/Lindenstraße/Hasselbusch für querende Fußgänger und als Übergangsstelle für den benutzungspflichtigen Radweg in Richtung Timmerhorn.
Die SPD hatte einen Zehn-Punkte-Plan in der Sitzung der AG Radverkehr vorgelegt. Weitere Vorschläge auf der Liste: ein absolutes Parkverbot vor den Bahnhofsarkaden und ein benutzungspflichtiger Radweg in der Bahnhofstraße – vom Kreisel bis zur Fußgängerampel– und ein benutzungspflichtiger Zweirichtungsradweg von der Fußgängerampel bis zur L 89.
Die Beratungen werden fortgesetzt, Empfehlungen an den Ausschuss für Planung und Verkehr weitergeleitet. Er tagt wieder am Donnerstag, 9.Oktober, ab 18.30 Uhr in öffentlicher Sitzung im Ratssaal. Die AG Radverkehr trifft sich am Montag, 3. November, ab 18.30 Uhr, ebenfalls im Ratssaal.
Dass Radfahrer bundesweit und nun auch in Stormarn grundsätzlich auf die Straße sollen, ist auf eine Initiative der Radfahrer-Lobby zurückzuführen: 2010 erwirkte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) ein entsprechendes Urteil beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Den Sicherheitserwägungen der beklagten Kommune folgte das Gericht nicht. Es gehe darum, die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer zu stärken und Radfahrer nicht auf baulich unzureichende Radwege zu zwingen, hieß es in der Begründung.
Wie problematisch die Entscheidung ist, zeigt sich in der Umsetzung der Vorgaben. Stormarn hat sich eine Menge Zeit gelassen und erntet jetzt heftige Kritik. Auch von Heiner Zarncke, dem Sprecher der ADFC-Ortsgruppe Bargteheide. „Die Reform ist schlecht kommuniziert worden“, sagt der Bargteheider. „Und wir sind auch nicht der Meinung, dass Radfahrer grundsätzlich auf die Straße sollten.“ Als erfahrener Verkehrsteilnehmer fühle er sich auf der Fahrbahn zwar sicher. Zarncke: „Aber für Schüler, die es gewohnt waren, auf einem Radweg zu fahren, ist es problematisch.“ Das gelte auch für viele Erwachsene.
Ein Problem gebe es außerhalb von Ortschaften auf viel befahrenen Straßen. „Vor allem dann, wenn für beide Richtungen nur ein Radweg zur Verfügung steht und der nicht benutzungspflichtig ist“, sagt Zarncke, der eine differenziertere Betrachtung der unterschiedlichen Verkehrssituationen und bessere Regeln fordert. Als Privatmann sagt er: „Plötzlich alles umdrehen, das macht keinen Sinn.“