Klaus Plöger macht bei seiner Atelier-Sommertour Station bei Janine Gerber in Klein Barnitz. Die 39 Jahre alte Künstlerin lebt und arbeitet seit einigen Jahren in der alten Schmiede
Barnitz. Die Titel ihrer Bilder sind lang. Sehr lang. „Und merkwürdig“, gibt Janine Gerber zu. Das Bild dort? Sie muss selbst eine Weile überlegen. Mit dem Alter hat das nichts zu tun. Die in der Szene als Shooting-Star geltende Barnitzer Künstlerin ist gerade einmal 39. Dann hat sie’s: Der Titel lautet: „Schnellen Schrittes verändert sich der Abstand zwischen ihr und der alten Frau“. Wirklich merkwürdig. Zu sehen ist eine große, graue Fläche. Die Besucher im Atelier sind verblüfft. Allen voran Landrat Klaus Plöger,
Hieße der Titel „zwischen ihr und dem Mann mit den weißen Haaren“, würde es perfekt zur Situation passen. Plöger hat sich einen Schemel geholt und ist jetzt ganz dicht herangerückt, um dem Geheimnis des mehrere Meter hohen und breiten Bildes auf die Spur zu kommen. Es hilft nichts. Plöger: „ Ich sehe hier nur Struktur und Pinselstriche. Sind die bewusst so gesetzt?“
Der Landrat geht regelmäßig auf Sommertour, weil er wissen will, was in seinem Kreis künstlerisch so vor sich geht. Ganz genau, offenbar. An diesem Tag ist er in der alten Schmiede in Klein Barnitz, in der Janine Gerber seit einigen Jahren lebt und arbeitet. „Die Experten haben zu mir gesagt: Da musst du hin. Also bin ich hier“, sagt Plöger.
Für den Landrat ist der Effekt des Unverständlichen in der modernen Kunst so etwas wie das Salz in der Suppe. Dass sich ihm das Bild nicht auf Anhieb erschließt, freut ihn fast. Es eröffnet das Zwiegespräch mit den Künstlern, eine Art Schlagabtausch. Janine Gerber hält dagegen und versucht zu erklären. „Das finde ich gut“, sagt der Landrat zu ihr. „Manche Künstler sagen gar nichts. Aber Sie spielen das Spiel mit. Ich bin schließlich nur der Onkel fürs Zuhören. Sie müssen erklären.“
Janine Gerber versucht es: „Die große Ölfläche reflektiert das Licht. Es geht mir um die Räumlichkeit, die dadurch entsteht. Aber auch um Gefühle. Ich habe mir überlegt, wie man Luft darstellen kann, und versuche, auch Gerüche und die Frische zu vermitteln.“ Landrat Plöger schaut sie an. „Sie meinen, ich muss mich mehr anstrengen?“ Die Künstlerin kontert: „Sie müssen gar nichts.“ Aber dass der Betrachter länger vor einem Bild stehen und sich drauf einlassen müsse, dass sei wohl so.
Als Plöger sich umdreht und auf eine Papier-Arbeit zeigt, geht das Spiel von vorn los. „Ist das Kunstwerk schon fertig oder ist das ein Ärgernis, weil es nicht geklappt hat?“ Janine Gerber lacht. Die Arbeit zeige Bewegung. Eine Frau, die laufe. „Ich mache Körperstudien, Bewegungsstudien und versuche dann, diesen flüchtigen Moment einzufangen“, sagt die Barnitzerin und zeigt auf einen Ausriss in der meterlangen Papierrolle, der einen Arm andeuten soll. „Für mich ist das eher ein Bein mit einem Stützstrumpf“, sagt Plöger. Die Künstlerin bleibt gelassen. Gerade zu den Papierarbeiten hat sie eine ganz eigene Position. „Ist die Arbeit einmal gezeigt, hat sie ihre Aufgabe erfüllt“, sagt sie. „Dann nehme ich Teile des Papiers weg und mache etwas anderes daraus. So löst sich das Kunstwerk langsam auf“, sagt die Frau mit den langen braunen Haaren, der leisen Stimme und dem eher schüchternen Blick, der im Widerspruch zu ihrem Erfolg steht.
Janine Gerber malt in Öl, sie fertigt Papier-Installationen an, sie aquarelliert und sie macht Fotos. Sie hat bereits mehrere Stipendien erhalten, unter anderem 2007 das Schleswig-Holstein-Stipendium der GEDOK, dem Berufsverband der Künstler. Und sie kann eine lange Liste von Ausstellungen an renommierten Orten vorweisen. Studiert hat die vielfältige Künstlerin in München und in Berlin. Von dort ist sie aufs Land gezogen, nach Klein Barnitz. „Die Großstadt inspiriert. Aber ich brauche die Weite des Nordens , die Ruhe. Und ich liebe Stormarn.“ Dieser Satz ruft Klaus Plöger sofort wieder auf den Plan. „Da werden wir uns sofort einig.“
Ob sich die Künstlerin und Plöger auch handelseinig werden, ist noch offen. Der Kreis hat schon viele Bilder von Stormarner Künstlern gekauft. Die Kulturstiftung auch. „250 bis 300“, sagt Katharina Schlüter, die neue wissenschaftliche Mitarbeiterin der Sparkassen-Kulturstiftung, die mit auf Atelierbesuch gekommen ist. „Was soll das denn kosten?“, kommt eine erste Anfrage von Plöger beim Blick auf das große, graue Bild, das er nicht so recht versteht und das ihn doch fasziniert.