Für viele Radwege in Stormarn gilt keine Benutzungspflicht mehr. Auf der Straße fahren müssen die Radler aber nicht. Viele sind durch die neue Situation verunsichert.
Bargteheide. Katrin Rieger ist verunsichert. „Ich komme mit der Situation nicht klar“, sagt die Bargteheiderin. So wie ihr geht es vielen. Der Fahrradweg am Tremsbütteler Weg ist noch da. Aber das blaue Schild ist weg. Was bedeutet das? Darf sie den Radweg jetzt nicht mehr benutzen? Muss sie sich jetzt die ohnehin schmale Fahrbahn mit Autos, Lkw und Bussen teilen?
Katrin Rieger entscheidet sich dagegen. Ihr ist das zu gefährlich. „Ich hätte einfach ein mulmiges Gefühl dabei.“ Mulmig ist ihr aber auch jetzt zumute, weil sie fürchtet, dass sie für das Radeln auf einem Radweg ohne blaues Schild ein Verwarnungsgeld bezahlen muss. „Wenn ein Polizist käme, würde ich natürlich den Anweisungen folgen und auf die Straße ausweichen“, sagt Katrin Rieger. „Allerdings nur widerstrebend.“
Ein Polizist wird nicht kommen und sie auf die Straße zwingen. Und Angst vor Strafe muss die Bargteheiderin auch nicht haben – genauso wenig wie alle anderen Radfahrer, die zurzeit im Kreis fahren und nicht mehr so recht wissen, wo es langgeht.
„Die Radwegebenutzungspflicht ist aufgehoben“, sagt Anja Kühl, Ordnungsamtsleiterin in der Stormarner Kreisverwaltung. Und das bedeute: Jetzt herrscht Wahlfreiheit. Man muss also nicht mehr auf dem Radweg fahren, wenn das blaue Schild fehlt, aber man kann. Andersherum: Man darf dann auf die Straße, muss aber nicht.
Überall in Stormarn wurden in den vergangenen Monaten die blauen Radschilder abgebaut. Abgesehen davon, dass über Sinn und Unsinn der Aktion und erhöhtes Gefahrenpotenzial für Radfahrer schon heftig diskutiert wurde – es herrscht vor allem Unklarheit und damit auch Rechtsunsicherheit. Und diese beiden Dinge regen Bargteheides Bürgermeister Henning Görtz und Kollegen in anderen Kommunen besonders auf.
„Das Thema Radwege hat in meinen Sprechstunden die Krähenplage und die Laubbeseitigung schon längst getoppt“, sagt Görtz. „Die Leute wissen nicht, woran sie sind. Ein Schild kann helfen.“ So fordert der Bargteheider Bürgermeister den Kreis dazu auf, seinen Ermessensspielraum stärker zu nutzen. Auch wenn es eine neue Rechtslage gebe, vieles sei nicht nachvollziehbar – zum Beispiel das Abbauen des blauen Schildes am Tremsbütteler Weg.
„Hier wurde erst vor einigen Jahren ein drei Meter breiter Geh- und Radweg angelegt. Für viel Geld“, sagt Görtz. Das Verkehrsaufkommen dort sei hoch. Und die Brücke über die Bahngleise mache die Situation zusätzlich unübersichtlich. „Und jetzt sollen dort auch noch die Räder auf die Straße.“
Wichtig sei, von Fall zu Fall zu entscheiden. „Es geht mir nicht um einen Schilderwald um jeden Preis“, sagt Görtz. Dass das Radschild im Voßkuhlenweg abmontiert worden sei, sei in Ordnung. „Aber die Bahnhofstraße ist schmal, stark befahren und hat auch noch eine fiese Kurve“, sagt der Bürgermeister. „Und der Radweg ist obendrein durch einen Grünstreifen von der Fahrbahn getrennt.“
Die Änderung stammt aus dem Jahr 1998, aber sie wird erst jetzt umgesetzt
Neu ist die Rechtslage allerdings nicht. „Die Radwegebenutzungspflicht wurde 1998 aufgehoben“, sagt die Ordnungsamtsleiterin des Kreises. Lange her. Dass Verwaltungsmühlen hin und wieder langsam mahlen, ist bekannt. Aber warum gerade jetzt der Abbau der Schilder begonnen hat, ist dann doch verwunderlich. Kühl: „Ich kann es Ihnen nicht sagen. Vielleicht gibt es gerade einen Trend.“
Auch der Bargteheider Fahrrad-Polizist Andreas Niemand hat keine Antwort darauf. Fragen bekommt er wie Bürgermeister Görtz dagegen eine Menge. „Die Menschen sprechen mich an, wenn ich auf Streife bin“, sagt er. Ich versuche ihnen zu erklären, wie die Situation ist.“ Seine klare Botschaft: Kein blaues Schild, kein Zwang, auf die Straße auszuweichen. Steht das Schild nach wie vor da, besteht auch die Pflicht, den Radweg zu benutzen. Wer das mehrfach missachte, könne tatsächlich zur Kasse gebeten werden. Aber auch da gebe es einen Ermessensspielraum.
Den sollten nicht nur Kreis und Polizei beherzigen, sondern auch die Bürger, sagt Landrat Klaus Plöger. Sie sollten sachgerecht und vernünftig entscheiden. Plöger: „Die Frage ist doch: Was ist gefährlicher: Auf einer Straße zu fahren oder auf einem Radweg, auf dem hohe Hecken die Sicht auf die Auffahrten versperren?“
Die neue Regelung lässt dennoch Fragen offen. So sieht es auch Ordnungsamtsleiterin Anja Kühl. Hilfreich sei die jährliche Verkehrsschau, an der Polizei, ADFC, der Kreis und die Bürgermeister teilnähmen. „Das ist eine gut gemischte Expertenrunde, die jederzeit neu entscheiden kann. Die jetzige Regelung bedeutet ja nicht, dass kein Radweg mehr gebaut wird oder wir die Gefahrensituation nicht im Blick haben.“ Lichtblick für Bürgermeister Görtz: Am Tremsbütteler Weg gibt es demnächst einen Ortstermin. Es wird also noch einmal beraten.
Wie immer die Sache ausgeht: Die Bargteheiderin Katrin Rieger hat aus der Diskussion und ihren Erfahrungen schon eine Konsequenz gezogen: „Ich werde mir jetzt auf jeden Fall einen Fahrradhelm anschaffen.“