Nach dem tödlichen Unfall der Zehnjährigen in Schönningstedt fordert die Familie schnelles Handeln. Ihr Vorschlag: eine Blitzanlage und Leitplanken. Sie wollen andere Kinder besser schützen.

Reinbek. Tiefe Trauer, unerträglicher Schmerz und Ohnmacht – diese Gefühle sollen anderen Eltern erspart bleiben. Das ist das Ziel von Holger und Maren Mäckel. Ihre zehn Jahre alte Tochter Sarah war bei einem Verkehrsunfall im Reinbeker Ortsteil Schönningstedt Mitte Mai so schwer verletzt worden, dass sie zwei Tage später im Krankenhaus starb. Die Eltern setzen sich jetzt dafür ein, dass der Schulweg sicherer wird. „Da muss sich etwas ändern“, sagt Maren Mäckel.

Sarah ist offenbar gestorben, weil ein Lastwagenfahrer zu schnell unterwegs war. Zu diesem Ergebnis ist ein Dekra-Sachverständiger gekommen. Der 52 Jahre alte Lkw-Fahrer hatte am 14. Mai an der Kreuzung Schönningstedter Straße/Sachsenwaldstraße die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Er kam in einer Kurve von der Fahrbahn ab, der Lastwagen prallte gegen einen Ampelmast. Direkt daneben stand Sarah mit ihrem Fahrrad. Das Mädchen wurde getroffen und in den Graben geschleudert. Ein Notarzt konnte die Schülerin nach 20 Minuten wiederbeleben. Die Ärzte im Krankenhaus verloren aber den Kampf um ihr Leben.

„48 Stunden standen wir an ihrem Bett“, sagt Maren Mäckel. Bereits in der Klinik sprach sie mit ihrem Mann darüber, dass sich an der Kreuzung etwas ändern müsse. „Unsere Tochter hat sich immer für andere eingesetzt und würde genauso handeln“, sagt die Mutter. Die Mäckels haben am Mittwoch, 18. Juni, einen Termin im Rathaus. Dort wollen sie über Ideen sprechen, die die Kreuzung sicherer machen.

„Wir wissen, dass es nie eine hundertprozentige Sicherheit geben wird. Aber es gibt Möglichkeiten, dort etwas zu verändern“, sagt die Mutter. In den schlaflosen Nächten nach Sarahs Tod begann die Familie, im Internet zu recherchieren. „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass eine feste Blitzanlage Autofahrer zwingen würde, dort nicht zu schnell zu fahren“, so Maren Mäckel. Und eine Leitplanke an der Kurve könnte dafür sorgen, dass Fahrer nicht mehr von der Straße abkommen.

Veränderungen müssten mit dem Land und Kreis abgesprochen werden

Auf Abendblatt-Anfrage sagte der Reinbeker Bauamtsleiter Sven Noetzel, dass die Schönningstedter Straße (L222) und die Sachsenwaldstraße (L314) Landesstraßen seien und deshalb das Land Schleswig-Holstein zuständig sei. Das Rathaus werde sich aber mit den Behörden in Verbindung setzen. Noetzel: „Es geht hier um die Sache und nicht um Zuständigkeiten.“

Umbauten – wie zum Beispiel das Aufstellen einer Leitplanke – müssen vom Land ausgehen. Bei einer festen Blitzanlage hat Reinbek dagegen mehr Möglichkeiten. „Die Stadt müsste sich mit uns an einen Tisch setzen“, sagt Astrid Matern, Fachdienstleiterin für öffentliche Sicherheit beim Kreis Stormarn. Es reiche allerdings nicht zu sagen, dass man an der Kreuzung einen festen Blitzer brauche. „Die Stadt muss auch sagen, wie sie sich die Umsetzung vorstellt. Zum Beispiel, wie die Daten von Verkehrssündern an den Kreis übertragen werden sollen.“

Außerdem muss die Stadt ihr Anliegen auch begründen. „Wir beobachten, dass gelegentlich Fahrer an dieser Stelle zu schnell in die Ortschaft fahren“, sagt Eggert Werk, Chef der Reinbeker Polizeiwache. Allerdings sei die Kreuzung kein Unfallschwerpunkt.

Die Reinbeker Politiker haben die Schulwegsicherung ebenfalls auf ihre Agenda genommen. Der Verkehrsausschuss hat die Verwaltung beauftragt, an einigen Straßen zu prüfen, ob es für Schüler gefährliche Konstellationen gibt. „Dieses Vorgehen ärgert mich“, sagt Maren Mäckel. Das Ehepaar ist der Auffassung, dass nur Gutachter beschäftigt werden und Jahre vergehen, bis sich tatsächlich etwas ändert. „Wir möchten einen Fahrplan von der Verwaltung“, sagt die Mutter. „Was wollen sie wann machen?“

Die Eltern wollen ihren Teil beitragen. Sie hatten vor der Trauerfeier dazu aufgerufen, auf Blumen zu verzichten und stattdessen Geld für einen sicheren Schulweg zu spenden. „Wir verlangen ja nicht, eine Brücke oder einen Tunnel zu bauen. Wir sind Realisten“, sagt Maren Mäckel. Ehemann Holger ergänzt: „Auch wollen wir uns nicht verzetteln und alle Gefahrenpunkte in der Stadt entschärfen.“

Am Morgen des Unfalltages sang Sarah vor Glück in ihrem Zimmer

Dirk Jensen, ein Freund der Familie, unterstützt die Initiative. Er erinnert sich an einen weiteren tödlichen Unfall in Reinbek aus dem Jahr 1978. „Drei Kinder wollten eine Abkürzung nehmen und sind statt über die Holländerbrücke – eine Fußgängerbrücke – direkt über die Hamburger Straße geradelt. Ein neun Jahre altes Kind wurde dabei von einem Auto erfasst und starb.“ Nach dem Unfall seien Absperrgitter an der Straße aufgestellt worden. „Seitdem ist dort kein Kind mehr gestorben“, so Jensen. Das ist auch das Ziel für die Kreuzung Schönningstedter Straße/Sachsenwaldstraße.

„Wir wachen jeden Morgen auf und glauben, dass alles nur ein Albtraum war“, sagt Maren Mäckel. Immer wieder kommt die eine quälende Frage hoch. Warum musste die lebensfrohe Sarah sterben? „Ich sehe sie noch am Tag des Unfalls. Sie war morgens so glücklich, dass sie in ihrem Zimmer gesungen hat“, sagt Holger Mäckel, „denn einen Tag zuvor hatten wir mit einem Reiterhof auf Sylt telefoniert, weil Sarah unbedingt in den Ferien dorthin wollte.“

Die Zehnjährige war in diesem Frühjahr schon einmal dort. „Ich sehe noch, wie sie am Strand reitet und mir dabei zuwinkt“, sagt die Mutter. Die Eltern erinnern sich auch daran, wie Sarah zu Hause vor ihnen Klavier gespielt und dazu gesungen hat. „Das waren immer richtige Auftritte“, so der Vater.

Für Anna, die Zwillingsschwester von Sarah, ist vor allem die Stille im Haus schwer zu ertragen. Holger Mäckel: „Es ist eine Hälfte, die ihr fehlt.“