Seit einem Jahr wird der Bahnübergang bei Rümpel von Männern per Hand und Absperrband gesichert. Eigentlich hätte die Schrankenanlage im November schon wieder funktionieren sollen. Jetzt ist fast Mai.
Rümpel. Es heiße nicht Flatterband, sagt der Mann, der es in der Hand hält. „Es heißt Absperrgirlande.“ Und das ist schön, denn eine Girlande ist zum Geburtstag sehr passend: Die Situation am Bahnübergang bei Rümpel ist seit einem Jahr unverändert. Seit etwa einem Jahr ist die Schrankenanlage an Kilometer 28,153 der Bahntrasse zwischen Lübeck und Hamburg ausgefallen. Seit einem Jahr sichern Bahnübergangsposten den Bereich per Hand. Und seit einem Jahr stehen deshalb viele Autofahrer am Absperrband über die Kreisstraße 61 bei Rümpel, warten – und wundern sich, weshalb das mit der Reparatur so lange dauert.
„Dort hat es eine größere Störung gegeben, das ist aber schon länger her, das war im April 2013“, sagt eine Sprecherin der Bahn, die nicht möchte, dass ihr Name in der Zeitung steht. „Ein Blitz ist eingeschlagen, die Batterie ist explodiert, es ist Säure ausgetreten. Man hat mehrfach versucht, das zu reparieren.“ Eigentlich habe nur die Technik in dem defekten Schaltkasten erneuert werden sollen, die Anlage aber sei so stark beschädigt, dass eine einfache Reparatur nicht möglich sei. Es werde eine neue Schrankenanlage gebraucht. Für die müsse eine Genehmigung durch das Eisenbahnbundesamt vorliegen. Dann könne die Ausschreibung und dann die Bauausführung erfolgen. „Der Schaden sollte schnellstmöglich behoben werden, aber so einfach war es dann eben doch nicht.“ Über die ausgefallene Anlage hatte die Regionalausgabe Stormarn des Hamburger Abendblattes bereits berichtet. Damals, im August vergangenen Jahres, hieß es, bis November sei das Problem behoben, nun heißt es: „Wir wollen die neue Anlage noch in diesem Jahr in Betrieb nehmen. Genauer kann dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt werden.“
100-mal pro Tag müssen die Männer sichern
Ein bisschen was ist aber schon passiert. „Mittlerweile sind Bäume weggeschnitten worden“, sagt der Mann am Band. Wie er heiße? „Bo...“ – das Telefon in seinem Auto klingelt. „Moment“, sagt er. Wenn das Telefon klingelt, muss er rangehen, sofort. Denn dann will ein Fahrdienstleiter einen Zug ankündigen. „Wenn der Zug aus Bad Oldesloe kommt, müssen wir sofort los, wenn er aus Bargteheide kommt, haben wir noch zwei Minuten“, sagt er, Bad Oldesloe liegt näher dran als Bargteheide. Dann gehen er und sein Kollege zu je einem Andreaskreuz, nehmen sich ein Ende der Absperrgirlande und sichern den Übergang. Er heiße Bogatzki, Rolf, sagt er später, als die zwei Züge an ihm vorbeigerauscht und die Bänder wieder abmontiert sind. Sein Kollege heißt Ömer Yildirim. Auch er geht manchmal ans Telefon. Etwa 100 Züge fahren pro Tag an den beiden Männern vorbei. Dementsprechend oft klingelt es. „Inzwischen kennen wir die Fahrdienstleiter. Manchmal sagen sie den Zug an und machen dann noch einen Spruch, Ömer reimt sich zum Beispiel auf Döner.“ Ein bisschen jedenfalls.
Nicht alle Anrufe werden von Bogatzki und Yilderim entgegengenommen, natürlich nicht. Die beiden arbeiten im Schichtdienst, drei Schichten teilen sich den Tag und die Nacht. Und selbst wenn jemand einen ganzen Tag lang am Bahnübergang steht, sieht er nicht immer Bogatzki oder Yilderim. „Weil hier die Belastung so hoch ist, arbeiten wir meist nur zehn Tage am Stück und tauschen dann durch“, sagt Bogatzki. „An anderen Übergängen fahren nur zwei Züge pro Stunde, das ist schon schön.“
Am Übergang bei Rümpel lohne es sich kaum, sich zwischendurch mal ins Auto zu setzen. „Man hat keine Zeit, sich zu langweilen“, sagt er. Das Auto ist, so gesehen, der Pausenraum. „Im Winter haben wir Strom bekommen, dann konnten wir die Heizung laufen lassen, natürlich extra abgesichert, damit die Sicherung nicht rausfliegt. Sonst wäre es kalt geworden.“
Autofahrer müssen bis zu zehn Minuten warten
Von Hand abzusperren dauert länger, als wenn eine Schranke den Job übernimmt. „Wir müssen aus Sicherheitsgründen viel früher zumachen als die elektrischen Anlagen. So kann es sein, dass die Autofahrer zehn Minuten warten.“ Er könne verstehen, dass sich Leute darüber aufregen. „Gerade wenn sie zur Arbeit müssen, werden sie ungeduldig. Aber viele haben auch Verständnis und kennen das hier schon.“ Zu Weihnachten habe manch ein Autofahrer sogar Kaffee und Christstollen vorbeigebracht. „Und eine Frau hier aus dem Dorf hat uns schon mal Eis geschenkt“, sagt Rolf Bogatzki.
Er kenne Bahnübergänge, die schon länger per Hand gesichert werden. Oben bei Puttgarden zum Beispiel, auch da sei er im Einsatz. So viele Züge wie hier fahren allerdings nicht vorbei. Vielleicht bekommen Rolf Bogatzki und die anderen Bahnübergangsposten am Ende der Zeit eine kleine Anerkennung, nach Kaffee und Christstollen. Vielleicht einen Verdienstorden: das Andreaskreuz am Bande.