Das Hamburger Nachrichtenmagazin wird ab 2015 nicht mehr in Norddeutschland gedruckt. Prinovis büßt geschätzte 20 bis 25 Umsatzmillionen Euro pro Jahr ein. Mitarbeiter in Sorge um Arbeitsplätze.
Ahrensburg. „Der Spiegel“ wird vom kommenden Jahr an nicht mehr in Ahrensburg gedruckt. Das Nachrichtenmagazin lässt seinen Vertrag mit dem Druckkonzern Prinovis zum Jahresende 2014 auslaufen. Damit verliert Prinovis, das größte Tiefdruckunternehmen Europas, einen langjährigen Großkunden, der zuletzt für einen geschätzten Jahresumsatz von 20 bis 25 Millionen Euro sorgte. Die Auflage des „Spiegel“ betrug im vierten Quartal des vergangenen Jahres 1.065.015 Exemplare, die seit Anfang dieses Jahres in Ahrensburg (vorher in Itzehoe) und in Dresden gedruckt wurden.
Die Mitarbeiter in Ahrensburg – etwa 500 Festangestellte plus Arbeitskräfte von Zeitarbeits- und Werkvertragsunternehmen – wurden durch einen Aushang informiert. Klar, dass der Ausfall eines Großkunden bei den Beschäftigten einer ohnehin gebeutelten Branche für Verunsicherung sorgt. Am Dienstag wollten sich die Mitarbeiter, die erst kurz zuvor vom Verlust des Großauftrags erfahren hatten, vor den Toren der Druckerei nur hinter vorgehaltener Hand gegenüber dem Abendblatt äußern. Auf die Frage nach den Konsequenzen antworteten einige vorsichtig und leicht fatalistisch, dass man jetzt erst einmal abwarten müsse, man könne ja ohnehin nichts daran ändern.
Hauptgrund für die Entscheidung des Verlags dürfte neben der Kostenfrage eine journalistische Neuorientierung des Hamburger Nachrichtenmagazins sein, bei der stärker auf Aktualität und auch auf mehr regionale Themen gesetzt wird. Signal dafür ist der neue Erscheinungstag: Von 2015 an wird der „Spiegel“ sonnabends statt montags herauskommen. Dann würde er im schnelleren und für Tageszeitungen bevorzugten Offsetverfahren aktueller gedruckt werden können. Ein Experte: „Der Tiefdruck erfordert wegen des Einrichtens der Zylinder längere Rüstzeiten. Offset ermöglicht dagegen größere Produktionsflexibilität – und den Magazindruck bekommt man damit auch gut hin.“
Ein Unternehmenssprecher: „Wir haben noch genug Zeit“
Über die Folgen für den Standort Ahrensburg sagte ein Sprecher von Prinovis: „Es ist zu früh, über irgendwelche Szenarien zu spekulieren. Wir befinden uns in der Evaluierungsphase und haben ja auch noch genug Zeit, uns darauf einzurichten, wie wir den Verlust des ‚Spiegel‘-Auftrags anderweitig kompensieren können.“
Martin Dieckmann, Landesfachbereichsleiter Hamburg/Nord der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di: „Wir haben in der Druckindustrie gelernt, dass auch Einschnitte und Verzicht die Arbeitnehmer nicht vor einer ungewissen Zukunft bewahren. Für Ahrensburg gilt ein Beschäftigungssicherungstarifvertrag, der bis Ende 2015 läuft. Wir beraten aber bereits über eine mögliche Anschlusslösung.“
Die Prinovis Limited & Co. KG wurde im Jahr 2005 als Zusammenschluss der Tiefdruckaktivitäten von arvato (Bertelsmann), Axel Springer sowie Gruner + Jahr gegründet. Mittlerweile hält Bertelsmann 74,9 Prozent der Anteile und Springer 25,1. Der Druckkonzern, dessen Jahresumsatz auf etwa 600 Millionen Euro geschätzt wird, hat rund 3500 Beschäftigte an fünf Standorten – neben Ahrensburg und Dresden noch Nürnberg und Liverpool. Die Produktion in Itzehoe wird am 30. April dieses Jahres aufgegeben.
Einige Kandidaten stehen als Nachfolger bereit
Martin Dieckmann von Ver.di mahnt an, dass Standortsicherung durch Innovationen erfolgen müsse – beispielsweise durch Hybridlösungen mit Offset- und Tiefdruckmaschinen an einem Ort wie demnächst bei Prinovis in Dresden: „Es ist längst überfällig, dass Bertelsmann für Deutschland ein zukunftsfähiges Konzept für Druckstandorte und Drucktechniken entwickelt. Besonders bitter ist, dass Initiativen des Prinovis-Managements, frühzeitig eine Kombination von Tiefdruck und Offset einzuführen, regelmäßig am Widerstand von Bertelsmann gescheitert sind. Das macht das Überleben mancher Standorte fraglich.“
In Ahrensburg trauern einige schon jetzt über den Verlust des „Spiegel“: Das tut weh“, sagt ein älterer Drucker, denn der ‚Spiegel‘ ist schon so lange mit unserem Unternehmen verbunden.“
Das Magazin wird ab 2015 vermutlich nicht mehr in Norddeutschland gedruckt. Kandidaten für die Nachfolge sollen nach Brancheninformationen Starck-Druck in Pforzheim, WKS in Wassenberg und Essen, aber auch Bertelsmanns Offset-Tochter Mohn Media sein. Am „Spiegel“ ist Europas größter Medienkonzern Bertelsmann – mit gut 25 Prozent – ebenfalls beteiligt.