Im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt äußert sich Ralf Höhs über 122 Stellen, die abgebaut werden müssen, über Internetkriminalität, den Kampf gegen Einbrecher und Gewalt gegen Beamte.
Ahrensburg/Kiel. Aus seinem Privatleben macht er ein Geheimnis. Er verrät nicht einmal, ob er einen Lieblingskrimi hat. Doch in Bezug auf den vom Innenministerium verordneten Sparkurs pflegt der neue Landespolizeidirektor Ralf Höhs ein offenes Wort. Im Abendblatt-Interview spricht der ranghöchste Polizeibeamte in Schleswig-Holstein auch über die niedrige Aufklärungsquote bei Einbrüchen, über Internetkriminalität und über Gewalt gegen Beamte.
Hamburger Abendblatt: Herr Höhs, seit Jahresbeginn sind Sie Chef von rund 8000 Beamten in Schleswig-Holstein. Wo sehen Sie Ihre größten Herausforderungen?
Ralf Höhs: Neben dem vorgegebenen Stellenabbau, der große Teile meiner Arbeitszeit in Anspruch nehmen wird, ist das Thema Gewalt gegen Polizeibeamte ein Schwerpunkt. Zurzeit verschaffe ich mir einen Überblick über meine Aufgaben, besuche Dienststellen und lerne die Mitarbeiter kennen. Beim Digitalfunk und der neuen Einsatzleitstellentechnik gibt es etliche Fehlerquellen. Die arbeiten wir mit großem Engagement auf. Ich bin zuversichtlich, dass damit die öffentliche Diskussion auf ein sachliches Niveau zurückfindet. Polizeiarbeit ist ohne fortschreitende Technisierung nicht mehr vorstellbar. Die Polizei handhabt den Umgang mit Daten akribisch, rechtmäßig und pflichtbewusst. Das teilweise undifferenziert und pauschal vorgetragene Misstrauen gegenüber der Polizei trifft mich sehr.
Haben Sie angesichts der großen Verantwortung zwischenzeitlich auch einmal Angst vor der eigenen Courage bekommen?
Höhs: Die Aufgabe eines Landespolizeidirektors und die damit verbundene Verantwortung ist groß, aber nicht übermächtig. Sorge macht diese Aufgabe nur, wenn man versucht, sie allein zu bewältigen. Im Landespolizeiamt arbeiten sehr viele Fachleute, deren Unterstützung ich gern in Anspruch nehme.
Zuvor waren Sie Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität, Korruption und Bandenkriminalität. Welche Rolle spielen diese Verbrechen im nördlichen Hamburger Umland, speziell in den Kreisen Pinneberg, Stormarn und in Norderstedt beziehungsweise Segeberg?
Höhs: Die Straftaten sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. Das Hamburger Umland ist teilweise mehr von Kriminalität belastet als die der Metropole Hamburg fernen ländlicheren Strukturen. Beispielsweise bei organisierter Rockerkriminalität oder bei der Einbruchskriminalität. Aber eine überdurchschnittliche Häufung ist nicht festzustellen.
Nennen Sie uns bitte Ihre größten Erfolge aus dieser Zeit.
Höhs: Zu den größten Erfolgen meiner ehemaligen Dienststelle ist sicher zu zählen, dass Strukturen der organisierten Rockerkriminalität massiv aufgebrochen worden sind. Gleichermaßen haben wir in den Bereichen Einbruchsdiebstahl, Geldwäsche, Umwelt- und Verbraucherschutz, Computerkriminalität und Falschgeld im Laufe von vier Jahren Beachtliches geleistet.
Innenminister Breitner hat Sie mit Vorschusslorbeeren bedacht. Er sagte, Sie wollten vermitteln, gestalten und die Dinge zum Besseren verändern. Wie passt das zusammen mit der Vorgabe, innerhalb der kommenden sechs Jahre 122 weitere Stellen abzubauen?
Höhs: Die Vorgabe ist natürlich belastend. Und sie trifft die Landespolizei in Zeiten hoher Einsatzanforderungen. Eine Verringerung polizeilicher Präsenz kann nicht Ziel sein. Deshalb habe ich Prüfaufträge erteilt, die diesem Ansatz gerecht werden. Wir suchen nach Einspar- und Umsteuerungsmöglichkeiten in den Bereichen IT-Angelegenheiten im Landespolizeiamt, der Wasserschutzpolizei und der Verkehrsüberwachung. Ich möchte, dass die Kolleginnen und Kollegen in den betroffenen Bereichen so zügig wie möglich erkennen können, was auf sie zukommen wird. Am Ende wird es nicht darum gehen können, die Aufgaben auf weniger Schultern zu verteilen, sondern wir werden Farbe bekennen müssen, welche Aufgaben wir künftig nicht mehr erledigen können.
Die Landespolizei soll sich künftig noch mehr auf die Kernaufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung konzentrieren. Was bleibt liegen?
Höhs: Bereits seit Jahren hat die Polizei ihre Aufgaben kritisch überprüft. Die Konzentration auf die Kernaufgaben ist das Resultat dieser Analyse. Wir haben schon einiges abgegeben, zum Beispiel die Mofa-Schulen. Die Vorgaben der Politik werden zu weiteren Änderungen führen. Das wird gerade untersucht, Ergebnisse sind im Sommer 2014 zu erwarten.
Sie müssen künftig politische Interessen und Vorgaben mit denen Ihrer Mitarbeiter in Einklang bringen. Wie steht es um Ihr Verhältnis zur Gewerkschaft der Polizei?
Höhs: Die Gewerkschaft wird ein ernst zu nehmender Gesprächspartner insbesondere dann sein, wenn Sorgen und Nöte der Beamten artikuliert werden. Gewerkschaften und die Leitung der Landespolizei wollen im Prinzip das Gleiche, nämlich bestmögliche Arbeitsleistung zugunsten der Bürger. Und das mit größtmöglicher Arbeitszufriedenheit für die Mitarbeiter. Ich bin davon überzeugt, dass wir gut zusammenarbeiten können.
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft hatte im Abendblatt kritisiert, „in Schleswig-Holstein sind wir chronisch unterbesetzt“. Hat Manfred Börner Recht?
Höhs: Das sehe ich anders. Gemessen an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes haben wir eine in vielen Bereichen immer noch ausreichend ausgestattete Landespolizei. Dazu trägt auch der Umstand bei, dass bisher keine Stelleneinsparungen im Vollzug gefordert worden sind. Auch wenn sich diese Tatsache ab 2018 ändert, bleibt festzustellen, dass die Sicherheit der Bürger gewährleistet bleibt.
Seine Kritik war eine Reaktion auf die Empörung einer Abendblatt-Leserin aus dem Hamburger Umland. Die Frau hatte bei der Polizei in Barsbüttel im Kreis Stormarn um Hilfe gebeten, weil sie einen verdächtigen Mann auf ihrem Grundstück beobachtet hatte. Die Antwort der Polizei: „Wir würden gern jemanden schicken, haben aber leider gerade kein Auto zur Verfügung.“ Müssen sich die Bürger an diesen Zustand gewöhnen?
Höhs: Nein, hier handelt es sich um einen bedauerlichen Einzelfall, der trotz bester Fahrzeugverteilungskonzepte auftreten kann.
Laut Polizeigewerkschaft gibt es landesweit schon jetzt 160 Stellen zu wenig. In Ihrer Heimatstadt Pinneberg, in Norderstedt und Stormarn wird besonders im Hinblick auf Einbruchsdelikte immer wieder Kritik laut, die Polizei zeige zu wenig Präsenz auf der Straße. Wie wollen Sie angesichts des Spardrucks aus Kiel im Norden Hamburgs eine angemessene Gefahrenabwehr garantieren?
Höhs: Gefahrenabwehr ist nicht nur eine Frage von Präsenz uniformierter Vollzugskräfte, sondern die Gesamtheit der taktischen Ausrichtung der Polizei. Diese zu gewährleisten bleibt Aufgabe der Polizeiführung vor Ort. Meine Aufgabe ist es, innerhalb der Landespolizei eine Verteilungsgerechtigkeit herzustellen, damit der polizeiliche Auftrag überall erfüllt werden kann.
Optimierungsbedarf gibt es offensichtlich beim digitalen Funknetz. Es läuft nicht störungsfrei. Im Innenstadtbereich von Pinneberg geht zeitweise gar nichts. Das birgt doch große Gefahren bei heiklen Einsätzen.
Höhs: Derzeit läuft der Digitalfunk im Probebetrieb, der darauf abzielt, im Echtszenario Fehler aufzudecken und zu beheben. Daran arbeiten meine Kollegen sehr engagiert. Für diese Zeit ist neben dem Digitalfunk immer noch der analoge Funk vorhanden.
Noch einmal zurück zur Einbruchskriminalität. Das ist ein Thema, das die Menschen im Hamburger Umland besonders berührt. Wie können Ihre Mitarbeiter die schlechte Aufklärungsquote verbessern?
Höhs: Seit 2012 hat die Landespolizei ein Konzept aufgelegt, im dem Maßnahmen beschrieben sind, die diesem Phänomen entgegenwirken können. Dass diese Taktik Erfolg hat, beweist die Vergangenheit. Trotz weiterhin schlechter Aufklärungsquote hat die Landespolizei die Fallzahlen stabil gehalten, ja sogar leicht gesenkt. Das ist als großer Erfolg deshalb zu werten, weil in unseren Nachbarländern die Fallzahlen deutlich angestiegen sind. Gleichwohl wissen wir, dass Einbrüche nach wie vor allein durch polizeiliche Präsenz und Ermittlung nicht zu verhindern sind. Deshalb setzen wir auch auf Prävention und hatten zum Beispiel im Oktober die Auftaktveranstaltung zum landesweiten Tag des Einbruchsschutzes in Norderstedt.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung bei der Internetkriminalität?
Höhs: Das ist ein wachsendes Phänomen, das ich mit Sorge betrachte. Es wird uns in den nächsten Jahren massiv fordern. Deshalb ist es heute notwendig, die strategische Ausrichtung mit anderen Bundesländer und dem Bund, aber auch international festzulegen. Für die Landespolizei arbeite ich hier eng mit dem Direktor des Landeskriminalamtes, mit den Polizeidirektionen und der Staatsanwaltschaft zusammen. Zu diesen Überlegungen gehört auch, welche personellen und technischen Anforderungen künftig zu erfüllen sind.
Sind Ihre Beamten in diesem Bereich technisch und personell überhaupt ausreichend gerüstet?
Höhs: Die technische Ausstattung ist gut, in der Fläche sicher noch verbesserungsfähig. Personell gibt es hier Defizite. Aktuelle Prüfungen zum Stellenabbau beinhalten deshalb auch die Frage, ob zusätzlich zu den 122 abzubauenden Stellen weitere identifiziert werden können, die für andere Aufgabenbereiche umgewandelt werden können.
Die Ereignisse um die Rote Flora in Hamburg haben die Diskussion über das Thema Gewalt gegen Polizeibeamte neu befeuert. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation in Schleswig Holstein, speziell im Hamburger Umland?
Höhs: Die Fallzahlen sind inakzeptabel hoch. Daher haben wir uns im April 2013 entschlossen, Möglichkeiten der Verbesserung zu erarbeiten, um praktische Ergebnisse zu erzielen, die jeder Polizeibeamtin und jedem Polizeibeamten helfen, die täglichen Einsätze sicherer zu bestehen.
Hätten Sie zu Beginn Ihrer neuen Tätigkeit als Direktor der Landespolizei beim Innenminister einen Wunsch frei, wie lautete der?
Höhs: Innenminister Andreas Breitner hat seit seinem Amtsantritt deutlich pro Polizei Position bezogen. Ich wünsche mir und bin sicher, dass diese politische Rückendeckung für unsere hart und engagiert arbeitenden Polizisten fortdauert.