Die Alloushs wollten nach Schleswig-Holstein, weil sie das Bundesland durch Reisen in den vergangenen kennen und Deutsch sprechen. Sie belastet, dass sie nicht arbeiten dürfen und deshalb vom Staat alimentiert werden.

Ahrensburg. Drei kleine Engel mit Heiligenschein schweben aus tiefblauem Himmel herab. Jeden Tag sieht Farah Alloush dieses Motiv, das vor allem in christlichen Bildnissen auftaucht. Aber auch in der islamischen Welt, der die 34-Jährige Sunnitin angehört, werden diese Wesen als Boten Gottes gesehen. Dass diese Darstellung mit den weißen, ans Christkind erinnernden Gewändern dennoch besonders weihnachtlich anmutet, stört Farah nicht. „Wir mögen das Fest, weil es die Christen so schön feiern“, sagt die zierliche Mutter zweier Kinder. In Syrien habe die Familie auch christliche Freunde gehabt, mit denen sie zu Weihnachten Geschenke ausgetauscht habe. Das aber ist lange her, war vor dem Bürgerkrieg, der die Alloushs nach Ahrensburg verschlagen hat. Seit bald zehn Monaten leben sie in einem Holzbau nahe der Selma Lagerlöf Gesamtschule, seit mehr als einem Jahr sind sie in Schleswig-Holstein.

Die Angst um das Leben der Familie in der alten Heimat ist allgegenwärtig

Ihre Odyssee hat schon früher begonnen. Als im Laufe des Bürgerkriegs, der sich 2011 in Syrien entwickelte, ihre Heimatstadt Samarka zwischen die Fronten geriet. Bald feuerten Regierungstruppen, bald Rebellen auf den Ort vor den Toren von Damaskus. „Angst hatten wir vor allem vor den Schiiten“ sagt Farah Alloush. Angst hat sie auch hier noch – vor Gewalttaten gegen ihre Familie, weil sie geflüchtet sind. Deshalb möchte sie nicht mit richtigem Namen genannt werden und auf dem Foto unerkannt werden bleiben.

Auch das Haus der Alloushs, in dem Farahs Mann Mostafa als Koch und Konditor für den Lebensunterhalt sorgte, fiel den Geschützen zum Opfer. Zusammen mit der heute zwölfjährigen Tochter Lara flüchtete das Ehepaar in die Hauptstadt, wo die drei bei Freunden unterkamen. Aber auch deren Wohnung wurde von Granaten zerstört. „Wir zogen von Haus zu Haus“, sagt Mostafa Alloush. Bis auch Freunde ihnen keine Unterkunft mehr bieten konnten. „Da wollten wir nur noch weg aus Syrien“, sagt Farah.

Am liebsten nach Deutschland. Denn ein Bruder Mostafas lebt schon seit vielen Jahren in Schleswig-Holstein. Die Familie besuchte ihn häufig und lernte so auch dessen neue Heimat kennen. Zudem: Farah Alloush hatte ihr Abitur am Goethe-Institut in Damaskus gemacht und dort auch Deutsch gelernt. „Ich mag die deutsche Kultur“, sagt sie. Das Land stehe für sie auch für die Freiheit. Zudem waren sie damals schon bekannt mit Ute Bachmann, einer 54-Jährigen Hamburgerin, die die Familie in Syrien besucht hatte. Der Plan hatte nur einen Fehler: Die Deutsche Botschaft in Damaskus hatte längst ihre Pforten geschlossen, ein Visum war dort also nicht mehr zu bekommen.

Aber die Vertretung der Tschechischen Republik hatte noch geöffnet, stellte ihnen ein Besuchsvisum aus. Den Alloushs gelang es auch, ein Taxi nach Beirut zu ordern. Alle 200 Meter seien sie bei Straßensperren in Damaskus angehalten und kontrolliert worden, ergänzt ihr Ehemann. Von der libanesischen Hauptstadt ging es dann mit dem Flugzeug nach Istanbul, von dort mit einer weiteren Maschine nach Prag auf EU-Gebiet. Von der Goldenen Stadt nach Hamburg in die Nähe von Mostafa Alloushs Bruder zur reisen, war somit kein Problem mehr.

Der Bruder füllte für die Ankömmlinge auch den Asylantrag im Landesamt für Ausländerangelegenheiten in Neumünster aus. Einen Monat blieb die Familie dort in der Erstaufnahmestelle, dann bekam sie Unterkunft „in einem alten Haus, das mitten auf einem Acker bei Mönkhagen steht“, wie es Ute Bachmann beschreibt. Die medizinisch-technische Assistentin ist zu Besuch gekommen. „Nach zwei Monaten bekam Lara dort eine Schimmelpneumonie, also eine Lungenentzündung, die durch die verschimmelten Wände ausgelöst wurde“, berichtet Bachmann. Zusammen mit dem Amtsarzt in Bad Oldesloe sei dann eine neue Wohnung gesucht und in Ahrensburg gefunden worden. „Die Wohnung hier ist viel besser“, sagt die deutsche Freundin.

Die Flüchtlinge möchten in Ahrensburg arbeiten, dürfen es aber nicht

„Die Stadt ist sehr schön“, sagt Farah Alloush. Sie gehe hier oft spazieren. Auch die Nachbarn seien sehr nett. „Eine ältere Dame kommt zweimal in der Woche und hilft mir, mein Deutsch aufzubessern.“ Und für den Nachwuchs hat sie eine Stoffpuppe vorbeigebracht, mit der Sohn Omar, der vor ein paar Monaten hier zur Welt gekommen ist, spielt. Gut möglich, dass er sich später in Ahrensburg auch so wohl fühlt wie Tochter Lara, die auf die Heimgartenschule geht und deutsche Freunde hat. „Sie will hier bleiben“, sagt ihre Mutter.

Eine Antwort auf ihren Asylantrag haben die Alloushs bislang noch nicht erhalten. Arbeiten dürfen sie nicht, erhalten stattdessen rund 1000 Euro vom Staat, wie Farah Alloush sagt. „Es ist nicht gut, wenn der Mann zu Hause ist, das führt auch zu Streit.“ Ihr Mann Mostafa würde liebend gerne hier seinem Beruf nachgehen, syrische Lebensmittel verkaufen und so selbst für den Lebensunterhalt der Familie sorgen.