Im Vorfeld der Abstimmung über den Haushalt der Schlossstadt diskutieren die Finanzexperten der fünf Fraktionen über Schuldenabbau, wo Kosten gespart werden können und eine effektivere Verwaltung.
Ahrensburg. Ein Minus von rund einer Million Euro weist der Haushaltsplan Ahrensburgs für das kommende Jahr aus. Montag soll er in der Stadtverordnetenversammlung verabschiedet werden. Erst für 2017 sieht die Verwaltung einen so gut wie ausgeglichenen Haushalt vor. Und das bei einem Schuldenberg von derzeit rund 25 Millionen Euro. Einschließlich der Verbindlichkeiten von Betrieben, an denen die Stadt beteiligt ist, sind es sogar mehr als 40 Millionen Euro. Jährlich wendet die Schlossstadt rund 1,3 Millionen Euro für Zinsen und eine Million Euro für die Tilgung auf. Wie sollen die Schulden abgebaut werden? Gibt es Einsparpotenziale in der Verwaltung? Sollte Ahrensburg mehr Sozialwohnungen bauen? Was muss getan werden, um Unternehmen in der Stadt zu halten und neue anzulocken? Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, hat die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn im Vorfeld der Abstimmung in der Stadtverordnetenversammlung am kommenden Montag die finanzpolitischen Sprecher der fünf Fraktionen an einen Tisch gebeten.
Einigkeit darüber, dass die Schulden abgebaut werden müssen
„Wir haben drei Jahre lang das Glück des Untüchtigen gehabt“, mahnt Peter Egan von der Wählergemeinschaft WAB in den Anfangsminuten der Debatte. „Ahrensburg hatte in den vergangenen drei Jahren zusammen Fehlbeträge von etwa acht Millionen Euro eingeplant“, sagt er. Tatsächlich sei aber ein Gewinn von drei bis vier Millionen Euro erzielt worden aufgrund höherer Steuereinnahmen, die 13 Millionen Euro über den Schätzungen gelegen hätten. Egan: „Das wird aber nicht immer so weitergehen. Von daher müssen wir unbedingt etwas tun“, stimmt er Christian Conring (CDU) und Thomas Bellizzi (FDP) zu, die zuvor auf einen ausgeglichenen Ergebnishaushalt gedrungen hatten. „Das Geld für Zinsen und Tilgung könnten wir dann woanders sicherlich besser einsetzen“, betont Bellizzi und fordert einen „Masterplan Schuldenabbau“.
Dirk Langbehn von den Grünen hebt hervor, dass viele unumgängliche Ausgaben in den Kita-Bereich erforderlich gewesen seien und auch deshalb die Stadt ins Minus gerutscht sei. Die vorläufigen Zahlen – die definitiven Abschlüsse für die Jahre 2010 bis 2012 werden erst jetzt von einer externen Firma erstellt – seien dennoch besser ausgefallen, weil auch „viele Ausgaben geschoben worden sind“. Insbesondere seien dies Investitionen in den Straßenbau gewesen. Langbehn: „Da schiebt Ahrensburg einen Batzen vor sich her, der auch Werte verschlingt.“
Es könnte eine Mehrheit für die Erhöhung der Grundsteuer geben
Achim Reuber (SPD) nimmt den Ball auf und trägt einen Vorschlag der SPD vor: Der Hebesatz für die Grundsteuer B, die für bebaute und bebaubare Wohngrundstücke gilt, solle von derzeit 300 auf 380 Prozent angehoben und die Mehreinnahmen von gut einer Million Euro in den Erhalt der Straßen investiert werden. Der angestrebte Hebesatz entspreche dem Niveau sämtlicher vergleichbarer Gemeinden im Umland und würde bei einem 180 Quadratmeter großen Einfamilienhaus pro Monat eine höhere Belastung von 77 Euro ausmachen. Reuber: „Wir haben einen Bedarf von 1,5 Millionen Euro nur für den Erhalt der Straßen; und darin ist kein Neubau enthalten.“ Im Haushalt sind aber nur 700.000 Euro eingestellt. „Wir tun den Bürgern doch keinen Gefallen, wenn die Straßen verkommen und neu gebaut werden müssen.“ Dann werde die Anliegergebühr wesentlich höher.
Tatsächlich hat der Finanzausschuss der Stadtverordnetenversammlung empfohlen, den Hebesatz dieser Grundsteuer auf 350 Prozent zu erhöhen. Die Runde deutet darauf hin, dass die Parlamentarier dem zustimmen könnten. So sagen Egan und Langbehn klar, dass ihre Fraktionen für einen Hebesatz von 350 Prozent stimmen werden. „In Zukunft werden wir starke Aufwendungen für Sanierungen haben“, begründet Langbehn die Haltung der Grünen. Zugleich würden die Einnahmen einbrechen, weil zwei große Unternehmen Ahrensburg verlassen würden – ein Thema, das im Laufe der Debatte noch aufgriffen werden wird. Langbehn: „Das Geld, was wir jetzt nicht zusätzlich einnehmen, fehlt uns im Zweifelsfalle 2015.“
Insbesondere Grüne und FDP kritisieren Prozesse in der Verwaltung
Klar gegen eine höhere Grundsteuer sprechen sich hingegen Conring und Bellizzi aus. „Geld ist genug vorhanden, wir haben kein Einnahmeproblem“, sagt der finanzpolitische Sprecher der CDU, der auch dem Finanzausschuss vorsitzt. Conring beklagt zudem, dass die Verwaltung, die diese Steuererhöhung seit Jahren wolle, keinen Konsolidierungsvorschlag erkennen lasse. „Bevor die CDU eine Steuererhöhung mitmacht, müssen wir eine solide Zahlengrundlage haben“, meint Conring weiter, sprich: Es müssten alle definiten Jahresabschlüsse vorliegen.
„Die SPD verquickt die Straßenerhaltung zu unrecht mit der Grundsteuer“, hält der FDP-Fraktionschef dem SPD-Mann Reuber entgegen. Bellizzi: „Denn per se kann ich auch mehr in die Straßenerneuerung stecken, wenn ich bereit bin, in anderen Bereichen zu sparen.“ Wie Conring betont Bellizzi, Ahrensburg habe ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem. „Probleme sehen wir darin, wie die Verwaltung die Ausgaben handhabt.“ Ohne Abschreibungen seien die Ausgaben um 20 Prozent gestiegen. Bellizzi: „Da ist eindeutig Potenzial, das wir als Politiker in den Haushaltsberatungen mal wieder nicht ausgeschöpft haben.“
Die Verwaltung sage stets, sie könne ohne die Erhöhungen nicht auskommen, und dann müssten die Politiker beweisen, dass es doch anders gehe, sagt Bellizzi weiter. „Ich kenn das vom Kreis anders.“ Wenn der Landrat eine Erhöhung haben wolle, müsse er der Politik erklären, warum es nicht anders gehe. Das werde dann bei Summen von 100.000 Euro auf drei Seiten erläutert. „In Ahrensburg steht da einfach nur: ,wird benötigt’“, sagt Bellizzi. „Rein im Verwaltungshandeln hätten wir problemlos im Millionenbereich einsparen können ohne irgendwelchen Vereinen oder sonst wem wehzutun.“ Einzig ein paar Sachbearbeiter im Rathaus hätten ein bisschen geflucht. „Bevor dieses Potenzial nicht ausgeschöpft ist, bin ich genauso wenig bereit wie die CDU, an die Grundsteuer zu gehen.“
Ähnlich wie Langbehn warnt Bellizzi gleichwohl, dass Ahrensburg künftig weniger Geld zur Verfügung haben wird. Zum einen wegen des geplanten kommunalen Finanzausgleichs, der bei den Haushaltsberatungen kaum zur Sprache gekommen sei, vor allem aber, weil im vergangenen Jahr fünf Unternehmen, die mehr als 100.000 Euro Gewerbesteuer zahlten, der Stadt den Rücken gekehrt hätten. Bellizzi: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir in Zukunft Probleme haben werden, Unternehmen hier in Ahrensburg anzusiedeln und die vorhandenen zu halten.“
Alle sind für eine Verbesserung der Wirtschaftsförderung
Braucht Ahrensburg über die bereits im Rathaus eingerichtete Stabsstelle hinaus einen Wirtschaftsförderer, der anders als der Ladenflächenmanager in Bad Oldesloe nicht nur versucht, Einzelhändler in die Stadt zu holen, sondern auch Industriebetriebe und Dienstleister? Eine Frage des Abendblatts, die keiner in der Runde verneint. Ahrensburg bräuchte jemanden, der auch qualifiziert sei, der den Hintergrund und die Kontakte dafür habe, sagt Bellizzi. „Sehe ich genauso, gerne auch einen Externen“, antwortet Langbehn. „Wir brauchen einen Fachmann, der das wirklich in die Hand nimmt.“ Die Grünen forderten überdies schon seit Langem, dass die Verwaltung Betrieben nicht nur eigene Grundstücke anbiete, sondern schaue, was an Leerständen da ist und diese Flächen auch vermittle. „Ich habe nichts dagegen, jemanden einzustellen“, sagt Egan.
„Die Gewerbesteuer ist mit weitem Abstand erste und größte Einnahmequelle“, hebt Conring hervor. „Insofern ist es natürlich auch erste und größte Aufgabe des Bürgermeisters, für die Entwicklung der Gewerbegebiete zu sorgen.“ Ob allerdings ein Wirtschaftsförderer engagiert werden solle, sei „eine Organisationsfrage, in die ich mich nicht unbedingt einmischen möchte“. Er glaube aber, „dass die Abwanderung von Unternehmen auch damit zu tun hat, dass die Firmen nicht intensiv genug betreut wurden“.
Eindeutig für einen Fachmann für Wirtschaftsförderung spricht sich hingegen SPD-Mann Reuber aus. „Da müssen wir ergänzen.“ Dazu gehöre aber auch, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Reuber: „Wir überlassen das Unternehmen, anstatt zu sagen: Wir nehmen Geld für Sozialwohnungen in die Hand.“ Denn die Firmen bräuchten Mitarbeiter, die stadtnah wohnten und gerne und schnell zur Firma kämen und keine hohen Fahrtkosten hätten. Das erwarteten auch die Unternehmen.
SPD fordert mehr Unterstützung, damit die Verwaltung effizienter arbeitet
Ähnlich wie die Liberalen sieht auch Peter Egan von der WAB darüber hinaus Handlungsbedarf, um die Verwaltungsarbeit effizienter zu gestalten und somit auch eine bessere Einschätzung der Finanzlage zu erhalten. „Die WAB hat etwa 65 Änderungsanträge dazu gestellt, dazu kam noch eine Menge von der FDP und einige von den Grünen“, berichtet Egan. Damit sei nur versucht worden, „die aufgeblasenen Budgets der Verwaltung auf ein realistisches Maß zu bringen“. So sei beispielsweise gefragt worden, warum bei einem Posten im Plan plötzlich eine Null stand, obwohl in den Vorjahren dort immer 500.000 Euro angegeben worden seien. Egan: „WAB und FDP haben solche Positionen mal zusammengezählt, und dabei kamen etwa vier Millionen Euro zusammen.
„Ich muss sagen, das ist ein Verdienst von Herrn Egan, der dafür viel Zeit aufgewendet hat – Zeit, die ein Feierabendpolitiker eigentlich nicht dafür aufwenden kann“, lobt Christian Conring. „Aber leider muss ich sagen: CDU und SPD haben nicht einen einzigen Antrag genehmigt“, bleibt Egan empört. Es sei bei der Politik überhaupt kein Wille da, das Budget auf ein realistisches Niveau zu bringen. Egan: „Wenn wir das geschafft hätten, dann hätten wir jetzt einen Ergebnishaushalt, der ein Plus von etwa drei Millionen Euro ausweisen würde.“
„Politik und Verwaltung sollten sich auch mal außerhalb der Ausschüsse hinsetzen und eine Ausgabenkritik machen“, schlägt Langbehn vor. Er frage sich zudem, ob die Verwaltung effektiv arbeite. In dem Zusammenhang verweist er auf deren „grausige“ Umstellung auf das europäische Zahlungssystem SEPA. Statt den Geschäftskontakten Briefe zuzuschicken, in denen deren automatisiert ermittelte neue Kontonummer aufgeführt wird und die Adressaten zu bitten, zu prüfen, ob die Nummer richtig sei, habe die Stadt ihnen Schreiben zugeschickt, auf denen sie ihre neue Nummer eintragen sollten. Von den an die Verwaltung zurückgeschickten Briefen seien die Nummern dann per Hand in das System eingegeben worden. Ein anderes Beispiel sei der Bauhof. Langbehn: „Der schreibt für jede Sache ein Rechnung an die Stadt, weil es angeblich nicht möglich ist, pauschale oder monatliche Rechnungen zu bearbeiten.“ Da kämen dann weder Bauhof noch Verwaltung hinterher. „Mir geht es darum, diesen Prozess zu verbessern.“ So könnte vielleicht ein Drittel der Zeit gespart respektive für andere Arbeiten aufgewendet werden.
„Auf der anderen Seite muss man sehen, ob die Verwaltung überhaupt so ausgestattet ist, um Aufgaben wie die SEPA-Umstellung ökonomisch zu bewältigen“, gibt Reuber zu bedenken. „Wir erleben, dass wichtige Haushaltsmittel auch beim Stellenplan zusammengestrichen werden“, beklagt der Sozialdemokrat. So werde zum Beispiel darüber diskutiert, was Forderungsmanagement sei. Reuber: „Da wird das Geld reingeholt, da muss ich nicht darüber diskutieren, was das ist, sondern da muss ich sagen: Ja, okay, wir erweitern das, damit das effektiv erfolgen kann.“ Seit er im Juni wieder in der Stadtverordnetenversammlung sitze, erlebe er, dass die Verwaltung gebremst werde, wenn sie in die Effektivität investieren wolle. Gleichzeitig werde aber erwartet, dass sie ihre Aufgaben optimal erfülle. Wie Langbehn meine auch er, dass sich dazu Politik und Verwaltung zusammensetzen sollten.
Anstoß zur Optimierung der Prozesse sollte aus dem Rathaus selbst kommen
„Wir können nicht einfach lax darüber hinweggehen, wenn mehr Stellen gefordert werden, weil das Personal mit knapp 13,7 Millionen Euro jährlich der größte Ausgabenblock ist, den wir beeinflussen können“, gibt hingegen Conring zu bedenken. 2012 hätten diese Ausgaben „im vermutlichen Ist“ noch bei 11,9 Millionen Euro gelegen. Reuber entgegnet: „Ich habe ein Problem damit zu sagen, das ist gestiegen und der Bürgermeister ist schuld.“ Die Stadtverordneten hätten die Stellen in der Vergangenheit abgesegnet.
Bellizzi befürwortet eine externe Effizienz-Prüfung der Verwaltung. „ Da kann intern festgestellt werden, wo es drückt und wo eindeutig Potenzial ist.“ Er denke ebenfalls, die Fachleute für die eigene Arbeit sitzen vor Ort, sagt Langbehn. Jeder Vorgesetzte müsste wissen, was der Untergebene mache und im Prinzip auch wissen, was besser gemacht werden könnte.
„Der oberste Chef muss Druck machen, sonst passiert gar nichts“, meint Egan, nachdem er darf hingewiesen hat, dass er auch beruflich mit dieser Thematik befasst ist. Auch Conring meint: „Das muss von der Spitze der Verwaltung aus kommen.“ Die Politiker könnten von außen nicht in jedes Konto hineinschauen. „Wenn das nicht vom Verwaltungschef kommt, kann nur teurer externen Rat eingeholt werden.“
Für Reuber ist es ebenfalls „keine Frage“, dass solche eine Prüfung aus dem Hause selbst kommen muss. „Aber das braucht Zeit, denn es müssen dazu Leute umgeschult werden.“ Trotzdem sei auch externer Rat notwendig. „Denn im eigenen Haus gibt es Scheuklappen, an gewisse Dinge heranzugehen, etwa weil es persönliche Beziehungen gibt.“ Daher sei eine Mischform „ganz gut“.
Wünsche und worauf die Bürger wohl verzichten müssen
Auf Stadtentwicklungsprojekte muss Ahrensburg nach Ansicht von FDP-Fraktionschef Bellizzi in den kommenden Jahren aufgrund der Haushaltslage verzichten. Und auch die Straßensanierung werde deshalb „nicht von heute auf morgen kommen, sondern lange Zeit brauchen“. Ebenso sieht das Langbehn. Der Grüne wünscht sich dennoch den Ausbau des Radwegenetzes: „Man muss die Leute dazu bringen, mehr Wege mit dem Rad zurückzulegen.“ Bellizzi bezweifelt, ob das auf diese Weise klappt.
„Die Erhaltung der Straßen ist wichtig, aber wir sollten das nicht überbetonen“, meint hingegen CDU-Finanzexperte Christian Conring. Überhaupt werde Ahrensburg in Medien und in Leserbriefen schlechter dargestellt, als es sei. „Die Politik muss die anstehenden Projekte abarbeiten, also das Gewerbegebiet Beimoor Süd und den Kita-Ausbau.
Achim Reuber erwartet hingegen, dass sich bei der Straßenerhaltung in den kommenden Jahren mehr tut. Auch er ist für den Ausbau der Radwege. Insgesamt müsse aber die Attraktivität der Innenstadt verbessert werden, um die kleinen Geschäfte zu stärken. Peter Egan wünscht sich hingegen, dass bei den Sanierungen des Badlantic und des Bauhofs Geld gespart werden wird, das in die Infrastruktur der Stadt investiert werden kann. „Die Ahrensburger müssen sich aber darauf gefasst machen, dass all das nicht passiert, weil die Politik einfach nichts entscheidet.“