Nach der Weihnachtsoratorium-Premiere in der Staatsoper Hamburg kommt der Chefchoreograf in die Waldgemeinde und spricht in der Auferstehungskirche mit Bischöfin Kirsten Fehrs über Religion und Ballett
Großhansdorf. Manche in der Staatsoper nennen ihn Johnny. Vielleicht weiß der Ballettintendant davon gar nichts. Es dürfte ihn jedoch freuen. Denn in diesem Spitznamen stecken Zuneigung und Anerkennung: Wenn die Hansestädter jemanden Johnny nennen und die Assoziation an See und Hafen wecken, dann ist derjenige angekommen. Und das ist er: John Neumeier – der Amerikaner in Hamburg. Wie sehr er in der Region verwurzelt ist, zeigt sein Besuch heute Abend in Großhansdorf – in der 9000 Einwohner zählenden Waldgemeinde vor den Toren der Metropole. Der Weltstar kommt als Schirmherr der Spendenaktion für die neue Orgel der Schmalenbecker Auferstehungskirche. Das Abendblatt sprach mit ihm über sein Engagement in Stormarn, über Tanz und sakrale Musik.
Hamburger Abendblatt: Wie ist der Kontakt zwischen Ihnen und Großhansdorf zustande gekommen?
John Neumeier: Die Organisatoren des Vereins ‚Eine Orgel für Großhansdorf‘ erzählten mir von diesem einzigartigen Projekt des Neubaus einer Orgel, das ich sehr interessant fand. Sie traten mit der Idee einer Schirmherrschaft an mich heran, der ich trotz meiner zeitintensiven Tätigkeit als Ballettintendant und Chefchoreograf nicht widerstehen konnte.
Warum unterstützen Sie gerade die Aktion in einer kleinen Vorstadtgemeinde?
Neumeier: Das Choreografieren zu geistlicher Musik ist ein wichtiger Teil meines Werkes. Wenn ich eine Kirchengemeinde bei einem so tollen Projekt, wie dem in Großhansdorf unterstützen kann, freut mich das sehr. Neben dem ‚Messias‘ von Händel, dem Requiem von Mozart und der ‚Matthäus-Passion‘ von Bach, habe ich nun mit der Choreografie zu dem gesamten Weihnachtsoratorium von Bach ein weiteres, geschlossenes Ballett auf sakrale Musik vollendet. Großhansdorf liegt vor den Toren Hamburgs, viele Menschen aus Stormarn werden das Weihnachtsoratorium in der Staatsoper sehen. Sie kommen regelmäßig zu uns ins Ballett, was mich sehr freut. Kultur und Musik gehören überall hin, in Opern, Theater und in Kirchen. Egal ob klein oder groß, ob in oder um Hamburg.
Wie wollen Sie das Projekt des Orgelvereins befördern?
Neumeier: Ich hoffe, dass ich mit meinem Engagement den Verein darin unterstützen kann, Sponsoren für die Vollendung des Orgelbaus zu gewinnen. Die Gesamtkosten der Orgel für die Auferstehungskirche in Großhansdorf liegen bei 800.000 Euro. Momentan ist der Spendenstand bei etwas mehr als 430.000Euro. Das ist schon enorm. Und das Projekt ist weiterhin auf einem guten Weg. Bis die Orgel fertig ist, möchte ich alle Stormarner Bürgerinnen und Bürger, besonders die Großhansdorfer, motivieren, dieses wunderbare Projekt zu unterstützen.
Haben Sie auch mal an einer Orgel gesessen und gespielt?
Neumeier: Ich selbst spiele kein Instrument. Aber ich bin sehr neugierig auf die neue Orgel in Großhansdorf und ihren Klang. Ich denke, dass es ein schönes Zeichen ist, dass sich die Gemeinde für einen so einzigartigen Neubau entschieden hat.
Sind Sie ein religiöser Mensch und liefert der Glaube auch Kraft und Kreativität für Ihren Beruf?
Neumeier: Mein Glaube gibt mir Kraft. Als Student der Literaturwissenschaft an der Marquette University in Milwaukee, in Amerika, war ich Teil der Schauspielgruppe von John J. Walsh SJ, einem katholischen Jesuitenpater, der mich sehr beeinflusst, inspiriert und lange begleitet hat. Sakrale Musik bewegt mich. Sie ist eine der zentralen Quellen meiner Arbeit. Dabei möchte ich betonen, dass meine Choreografie zu Bachs Weihnachtsoratorium in erster Linie kein religiöses Unterfangen ist, sie will weder ein Ersatzgottesdienst sein noch den Versuch unternehmen, missionarisch tätig zu sein. Ich will mit meiner Choreografie keinen sakralen Tanz schaffen.
Werden Sie das Konzert in Großhansdorf anhören können? Erlaubt das Ihr Terminkalender?
Neumeier: Natürlich habe ich immer wenig Zeit aufgrund meiner vielen beruflichen Verpflichtungen, aber ich habe mich für die Schirmherrschaft begeistern lassen und werde nun mein Bestes tun, den Orgelbau zu unterstützen. Ich freue mich, dass ich am Montag in die Auferstehungskirche kommen kann und wir mehr über das Projekt berichten können – genau einen Tag nach der Ballett-Premiere in der Staatsoper. Bischöfin Kirsten Fehrs hat uns bereits bei den Proben besucht und sich jetzt Zeit für den Gesprächsabend genommen. Wir versuchen, auch Ausschnitte aus dem neuen Ballett zu zeigen.
Kann Großhansdorf bei der Einweihung der Orgel im nächsten Jahr noch einmal mit Ihnen rechnen?
Neumeier: Natürlich. Ich werde alles versuchen, dabei zu sein.
Kleine Frage am Rande: Sind Sie noch ein typischer Zeitungsleser oder gehen Sie hauptsächlich online, um sich über das Tagesgeschehen zu informieren?
Neumeier: Jeden Morgen gehört das Hamburger Abendblatt wie ein frischer Tee zu meinem Frühstück. Ich bin ein treuer Zeitungsleser und gratuliere zum 65. Geburtstag des Abendblatts. Dass es zusätzlich Regionalausgaben – wie die in Stormarn – gibt, finde ich wirklich lobenswert.