Ahrensburger Schüler von der Stormarnschule beschäftigen sich bei einem Kunstprojekt mit diesem Thema. Der Hospizverein, der sein 15-jähriges Bestehen feiert, zeigt die Werke im Marstall.

Ahrensburg. Der Tod ist unausweichlich. Er trifft jeden. Und doch ist das Thema tabu. Auch auf den Stundenplänen der Schulen ist der Tod nicht zu finden. Zu beklemmend? Zu belastend für die Jugend? Für die Großmutter von Carl Brockhausen auf jeden Fall. Sie machte sich Sorgen. „Sie meint, das gehe zu weit. Wir seien noch nicht reif dafür. Uns fehle die nötige Distanz“, sagt der 16-Jährige Enkel, der sich plötzlich in der Stormarnschule mit einer Unterrichtseinheit unter der Überschrift „Leben, Sterben, Tod, Trauer“, konfrontiert sah. „Aber ich habe meiner Großmutter gesagt, wir schaffen das schon.“

Und Carl und seine Klassenkameraden des elften und zwölften Jahrgangs haben es geschafft. Sechs Wochen haben sich die Stormarnschüler mit dem Tod auseinandergesetzt. Auf eine ganz besondere Weise. Rund 20 Kunstwerke sind dabei entstanden: Gemälde, Collagen, Skulpturen. Sie werden nun im Marstall ausgestellt – bei der Jubiläumsveranstaltung zum 15-jährigen Bestehen des Hospizvereins Ahrensburg.

Es war ein Weg mit vielen Hürden, denn so ganz geheuer war die Sache den Jugendlichen selbst nicht. Es gab Berührungsängste. „Einige hatten Probleme. Sie wollten sich nicht mit dem Tod beschäftigen, sagt die 17-jährige Joelina offen. „Es ist ein sehr düsteres Thema, das eine sehr düstere Stimmung auslöst. Ungewöhnlich für den Kunstunterricht. Darin waren wir uns alle einig“, ergänzt der gleichaltrige Jan Mundorf. „Aber die Vorsitzende des Hospizvereins hat uns besucht. Das war hilfreich“, sagt Karl Griese mit seinen 16 Jahren.

Erkenntnis: Tod kann auch etwas Positives sein

Der entscheidende Effekt, den Sabine Schaefer-Kehnert erzielte, war das Auslösen einer Erkenntnis. Mit ihr nahmen die Schüler dann die Hürden – künstlerisch und fast spielend. Die Erkenntnis lautete: Der Tod kann auch etwas Positives sein. „So wie Phoenix aus der Asche steigt, entspringt vielleicht ein neues Wesen, gibt es eine neue Chance“, sagt Jan. „Manche von uns haben sich deswegen nicht mit dem Tod, sondern mit dem Leben beschäftigt“, sagt Joelina. Ein Film über die verschiedenen Lebensabschnitte habe Anregung für ein dreiteiliges Bild gegeben. Joelina: „Und das ist eher fröhlich geworden.“ Claus: „Es geht ja auch nicht nur um den Tod. Beim Sterben erinnert man sich an all das Schöne im Leben.“

Die Sichtweise so zu ändern, und das mit 16 oder 17 Jahren, beeindruckt die Mitglieder des Hospizvereins, die das erste Mal ein solches Projekt mit der jungen Generation auf die Beine stellen. „Das ist toll. Das bewundere ich. Den Tod mit dem Leben zu verbinden, das ist auch das, was wir tun“, sagt Christiane Gatzemeier, eine der vier Koordinatorinnen, seit der Vereinsgründung 1998 dabei. Gatzemeier: „Mit dieser Einstellung ist der Tod kein Thema mehr hinter der Wand, kein Tabu.“

Die Koordinatorinnen des Hospizvereins sind die Anlaufstelle für all diejenigen, die Rat und Hilfe brauchen – und eine Begleitung für einen sterbenden Menschen. Vier Koordinatorinnen, aber nur eine Telefonnummer. „Um es den Angehörigen so leicht wie möglich zu machen“, sagt Gatzemeier. „Wir nehmen Kontakt zu den Betroffenen auf und vermitteln dann eine Begleiterin.“

Ehrenamtliche nehmen sich die Zeit, mit Sterbenden zu sprechen

Rund 40 Ehrenamtliche nehmen sich die Zeit, einmal in der Woche zu einem Sterbenden zu gehen, mit ihm zu sprechen, ihm nah zu sein, zuzuhören. Drei Sterbebegleiter sind von Anfang an dabei. Die durchschnittliche Verweildauer der Begleiter beträgt fünf Jahre. Lang genug für eine seelisch harte Arbeit. Die Vorsitzende Sabine Schaefer-Kehnert widerspricht mit einem Lächeln und mit ruhiger Stimme: „Die meisten denken, einen Sterbenden zu begleiten, sei belastend. Ich habe es immer als befriedigend empfunden, als sinnstiftende Arbeit.“ Es gebe keine Hektik. Kein Besuch im Minutentakt wie bei der Pflege. „Und wir haben auch noch das Glück, unser Tun in einer Supervision absichern zu können.“

Die Jugendlichen entwarfen einen Holzreifen als Sinnbild für den Kreislauf des Lebens. Sie haben Collagen gemacht und Figuren aus Draht und Pappmaschee geformt. „Auch eine Uhr der Zeit ist entstanden“, sagt Joelina und lacht über die Bezeichnung des Kunstwerkes, mit dem die Schüler der Endlichkeit eine Form geben wollten. Auch Zeichnungen und Bilder sind entstanden. Eins zeigt eine dunkle, lange Straße mit einem Licht am Ende. Und daneben sind die Stationen des Lebens zu sehen: Geburt, Hochzeitsfeier und andere schöne Dinge des Lebens. „Dinge auf die wir uns freuen, weil wir noch am Anfang stehen“, sagt Carl Brockhausen. Aber das Ende komme eben auch. Eine bittere Wahrheit. „Deswegen haben wir großen Respekt vor der Arbeit des Vereins“, sagt der 16-Jährige.

Der Respekt für die Arbeit der Ehrenamtlichen, heißt Respekt für Begleitung von 600 Menschen in den vergangenen 15 Jahren und für 13.000 Stunden an der Seite Sterbender. „Die erste Frage der Angehörigen ist immer: Was kostet das?“, sagt Koordinatorin Christiane Gatzemeier. „Denn die Angst, den letzten Groschen loszuwerden, ist groß. Aber das kostet nichts. Wir arbeiten alle ehrenamtlich.“ Und das seit 15 Jahren.

Das Fest soll dem Verein mehr Öffentlichkeit geben

„Es ist gut gelaufen“, sagt Sabine Schaefer-Kehnert, die mit der zweiten Vorsitzenden Marian van der Maten und der Geschäftsführerin Jessica Turnbull die Herren der alten Vorstandsriege im April abgelöst hatte. „Wir wollen den Verein noch präsenter machen, damit er in den Köpfen ist“, sagt Sabine Schaefer-Kehnert. „Denn wenn es soweit ist, schlägt man nicht lange in den Gelben Seiten nach.“

Das Fest soll helfen, dem Verein mehr Öffentlichkeit zu geben. Das Musiktheater Sowohl-Als-Auch wird für Gesang mit Klavierbegleitung sorgen, für Lesungen und Interviews. Die Moderation übernimmt Turid Müller, die die Gäste im Marstall auf unterhaltsame Weise über den Hospizverein informieren möchte. Auch die Stormarnschüler werden ihren Teil zum Fest beitragen – mit ihren Kunstwerken und Erläuterungen. „Wir fühlen uns alle geehrt, das wir am Projekt teilnehmen durften“, sagt Claus Brockhausen. „Wir hoffen, dass wir nicht zu oberflächlich an die Sache herangegangen sind und unsere Aufgabe mit der nötigen Ernsthaftigkeit gelöst haben. “ Die Großmutter des 16-Jährigen dürfte stolz auf ihn und all die anderen jungen Leute sein, die das Wagnis eingegangen sind und sich dem Thema Tod gestellt haben.