178 Mädchen und Frauen haben im Jahr 2012 die Beratungsstelle des Vereins „Frauen helfen Frauen“ in Bad Oldesloe aufgesucht. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Plus von 23 Prozent.

Bad Oldesloe. Der Trainer war es bei Anna (Name geändert). Immer wieder hat er das Mädchen missbraucht, sich an ihr und ihren Mannschaftskameradinnen vergangen. Jahrelang hat das schüchterne Mädchen aus dem Kreis Stormarn geschwiegen – bis 2012. Wie Anna haben insgesamt 178 Mädchen und Frauen im vergangenen Jahr Hilfe bei der Frauenfachberatungsstelle des Vereins Frauen helfen Frauen in Bad Oldesloe gesucht. Das sind 23 Prozent mehr als in 2011.

Nicht die einzige Steigerung, wie sich aus der jüngst vorgestellten Jahresbilanz des Vereines liest, in der auch Annas Fall skizziert ist. Ein Fall, der exemplarisch für die Arbeit der Beraterinnen ist. Waren es 2011 etwa noch 1402 Beratungen, haben die Sozialpädagoginnen, Therapeutinnen sowie ihre ehrenamtlichen Helferinnen im vergangenen Jahr 1960 Gespräche geführt. Darunter: immer mehr junge Mädchen. 24 Prozent sind jünger als 17 Jahre. Eine erfreuliche Entwicklung finden die Verantwortlichen. „Je eher die Frauen den Weg in die Beratungsstelle finden, desto schneller können wir ihnen helfen.“

Dazu kommen die erwachsenen Frauen. Darunter: besorgte Schwangere, Frauen mit Liebeskummer, aber in erster Linie Gewaltopfer – wie Anna. Sie konnte die Albträume nicht mehr ertragen. Immer wieder tauchte das Gesicht ihres Peinigers in so genannten Flashbacks vor ihren Augen auf. Viele der Frauen leiden nach der Tat an Depressionen und Angstattacken. Einige erkranken gar an Essstörungen, andere verletzten sich selbst oder flüchten sich in Alkohol und Drogen geflüchtet. Es war die Sozialarbeiterin an der Schule, die Anna, damals 16, ermutigte, sich bei der Frauenfachberatungsstelle des Vereins zu melden.

Die Probleme der Frauen sind sehr unterschiedlich

Seit 1988 existiert der Verein. Ein Jahr später wurde das Notruftelefon ins Leben gerufen. Ein Angebot, das 25 Jahre später steten Zulauf findet. Der erneute Anstieg der Notrufe im vergangenen Jahr erklärt sich laut des Vereins auch durch das erweitere Angebot. Neun Stunden länger stehen die Beraterinnen seit 2012 den Frauen in Not im Kreis wöchentlich zur Verfügung.

Die Probleme der Frauen haben sich indes nicht geändert, sind unterschiedlich wie eh und je: Angst aufgrund ungeplanter Schwangerschaft, Essstörungen, Streit und Konflikte in der Familie oder mit dem Partner, Stalking. 38 Mädchen und Frauen, die 2012 in der Beratung waren, haben sexuelle Gewalt erlebt, 31 wurden in der Kindheit missbraucht, konnten sich wie Anna erst Jahre später den Beraterinnen anvertrauen.

Die meisten Frauen (55 Prozent) wurden 2012 aber bei der Beratungsstelle betreut, weil sie zu Hause körperlich oder psychisch misshandelt wurden. Auch sie kommen meist nicht direkt nach der Tat, selten gar aus eigenen Stücken. 68 Fälle häuslicher Gewalt gab die Polizei im vergangenen Jahr an die Beratungsstelle. Im Vergleich: Nur 31 Frauen und Mädchen meldeten sich aufgrund von erlebter Gewalt selbst. Von den übermittelten Fällen der Polizei konnte die Beratungsstelle 50 Opfer erreichen. 34 Frauen mit 31 Kindern waren so akut bedroht, dass sie im Frauenhaus Schutz fanden. 11 von ihnen kamen aus dem Kreis Stormarn. Das Frauenhaus in Ahrensburg wird ebenfalls von dem Verein unterhalten.

Anna hat ihr Trauma in der Beratungsstelle überwinden können, so schreibt der Verein in seiner Bilanz. Die Angst sei verschwunden, Anna habe gelernt, mit Vertrauten zu sprechen.

Die Fachberatungsstelle in der Bahnhofstraße 12 in Bad Oldesloe ist montags, donnerstags und freitags von 10 bis 12 Uhr und am Mittwoch von 13 bis 15 Uhr erreichbar.