Kiel legt für Acker-Bewirtschaftung Mindestabstand zu Wallhecken fest. Die Landwirte empfinden dies als Anmaßung und sprechen von “kalter Enteignung“.
Stapelfeld. Volker Westphal hat eine Rechnung aufgestellt: 100 Hektar Ackerfläche besitzt der Landwirt aus Stapelfeld, die umgeben sind von rund 20 Kilometer Knicks. Künftig, meint er, wird von seinem Land ein Hektar wegfallen, den er nicht mehr bearbeiten darf. Grund dafür ist eine neue Verordnung des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, die zum 1. Juli in Kraft getreten ist. Diese soll dem Schutz der Knicklandschaft in Schleswig-Holstein dienen.
"Knicks leiden unter der immer intensiveren Nutzung von Flächen. Es ist deshalb fachlich geboten, den Schutz von Knicks zu gewährleisten", hatte Minister Robert Habeck (Grüne) bei der Bekanntgabe des Erlasses gesagt. Landesweit kritisieren Bauern die neuen Regeln seitdem scharf. Die Verordnung sieht unter anderem vor, dass Acker nicht mehr bis unmittelbar an den Knick heran bewirtschaftet werden dürfen. Bislang seien die Erdwälle "intensiv der Einwirkung von Dünge- und Pflanzenbehandlungsmitteln ausgesetzt", erklärte das Ministerium. Um das zu verhindern, müssen Bauern laut neuer Vorschrift einen 50 Zentimeter breiten Saumstreifen einhalten.
Die Landwirte empfinden dies als Anmaßung. Knicks seien vor rund 250 Jahren von Menschenhand entstanden. "Wir haben schließlich dafür gesorgt, dass die Knicklandschaft in Schleswig-Holstein entstanden und intakt geblieben ist. Statt uns dafür zu danken, ernten wir neue Vorschriften, die unseres Erachtens nach überzogen sind", sagt Volker Westphal. Schleswig-Holstein verfüge über ein Knicknetz mit einer Länge von rund 68.000 Kilometern. "Wir haben die Knicks bis jetzt nicht kaputt gemacht und werden es auch in Zukunft nicht tun", sagt Westphal. Im Grunde handele es sich bei dem Erlass um eine "kalte Enteignung". "Wir behalten das Land zwar, können es aber nicht mehr nutzen."
Zudem befürchten die Bauern, dass es nicht bei einem halben Meter bleiben wird, der nicht mehr bewirtschaftet werden darf. Denn die Vorschrift gibt auch vor, dass die Zweige künftig nicht mehr senkrecht vom Fuß des Knicks, sondern stattdessen schräg, nach oben hin auslaufend zurückgeschnitten werden dürfen. Und zwar nur alle drei Jahre und frühestens sechs Jahre nach dem letzten Auf-den-Stock-setzen, also dem letzten Kahlschnitt des Knicks. Nach drei Jahren stünden die Äste aber bereits "gut einen Meter" auf die Koppel, meinen die Bauern. "Da entstehen armdicke Stöcker", sagt Westphal. Er könne keinen Nutzen für die Umwelt an der Verordnung erkennen, im Gegenteil: "Wenn wir die Knicks nur noch so selten schneiden dürfen, sind sie in der Mitte wie tot."
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) ist allerdings anderer Meinung: "Ökologisch betrachtet ist das Quatsch", sagt Fritz Heydemann, Vorstandsmitglied im Nabu Schleswig-Holstein, der sich nach eigenen Angaben seit 30 Jahren "praktisch und theoretisch" mit der Knickpflege beschäftigt. "Der Brutraum soll geschützt sein. Bislang wurden die Knicks teilweise so stark gestutzt, dass sie an Gartenhecken erinnerten." Daher sei die Regelung des Ministeriums "längst überfällig".
Der Nabu halte die Verordnung für absolut sinnvoll. In der Vergangenheit seien die Knicks immer wieder "angepflügt" worden. "Die Verordnung hätte sogar noch stringenter sein können in einigen Punkten. Der 50 Zentimeter breite Saumstreifen ist eigentlich nur eine Kompromisslösung, die wir aber so akzeptieren", sagt Heydemann.
Auch die Vorschrift des Erlasses, nach dem alte und für den Erdwall markante Bäume erhalten bleiben sollen, begrüßt er. "In der Vergangenheit sind an den Knicks alte Eichen noch und noch abgekloppt worden", sagt der Nabu-Experte. Auch Minister Robert Habeck sagt: "Alte Bäume sind mit ihrer Heimat buchstäblich verwurzelt. Sie sind wichtige Faktoren für ein sauberes Klima und haben ein besonderes Potenzial für die Biodiversität. Deshalb verdienen sie einen besonderen Schutz."
Die Bauern können solchen Aussagen wenig abgewinnen. Er werde durch die Verordnung seiner Ernte beraubt, bemängelt etwa Jochen Delfs. Die drei Hektar Knicks, die die 23 Ackerflächen des Stapelfelder Landwirts umgeben, vermehrten sich noch einmal um die Hälfte. Delfs hat noch eine weitere Sorge: "Die neue Regelung wird zur Wettbewerbsverzerrung führen, weil sie nur in Schleswig-Holstein gilt. Normalerweise denken wir Landwirte aber EG-weit." Die Bauern wollen ihren Widerstand gegen die Verordnung nicht aufgeben. Werner Schwarz, Vorsitzender des Landesbauernverbandes, erwägt auch rechtliche Schritte.