Das Hamburger Abendblatt stellt zehn Wochenmärkte in Stormarn auf den Prüfstand. Ist die Auswahl groß genug? Wie ist die Stimmung? Tester ist der Dehoga-Kreisvorsitzende Axel Strehl
Reinbek. Der Duft wirkt offenbar anziehend. Jedenfalls bleibt Monika Grossmann prompt am Imbissstand von Thomas Saeger stehen. Sie blickt auf den Grill, runzelt die Stirn und fragt: "Können Sie mir Ihre Wurst mal vorstellen?" Der 55-Jährige zögert zwei Sekunden, dann schießt es aus ihm heraus. "Wieso, wir kennen uns doch gar nicht." Es herrscht ein Moment der Stille, dann bricht Gelächter aus. An den kleinen Tischen unter der Plane klopfen sich die Kunden auf die Schenkel. Grossmann, eine Mittsiebzigerin, lacht mit, sogar lauter als die anderen - und bestellt eine Currywurst. "Ist aber lecker", sagt sie und kommt gleich mit mehreren Gästen ins Gespräch.
Lustig geht es auch einige Meter weiter zu. Dort hat Marktmeister Karl-Heinz Schween, 64, aus den Vierlanden einen Stand. Mit seiner Frau Angelika, 58, und Sohn Matthias, 32, verkauft er Blumen, Obst und Gemüse. Alles frisch natürlich. Schween, der seit Gründung des Reinbeker Wochenmarktes auf dem Täbyplatz im Mai 1968 dabei ist, kennt hier alles und jeden: die anderen Händler, derzeit sind es 30, genauso wie Hunderte Kunden. Und er hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen.
"Fisch-Berni" trifft sich am Imbiss zum Kaffee mit Kollegen
Jetzt erblickt er Frau Maschke, eine ältere Dame. Man finde sich schon seit Jahren sympathisch, und die Begrüßungszeremonie ist sowohl mittwochs als auch sonnabends, den beiden Öffnungstagen, die gleiche. "Hallo Frau Maschke, ist Ihre Ehe noch in Ordnung? Und wo ist übrigens Ihr Mann?", ruft Schween. Antwort: Er schlafe noch, zudem gehe es ihm auch nicht so gut. "Hast' ihn wohl zu doll beansprucht." Frau Maschke schmunzelt: "Nee, nee." Dann winken sich beide zu. Spaß wird großgeschrieben auf dem Reinbeker Wochenmarkt, ganz groß sogar. Und die Geselligkeit kommt auch nicht zu kurz.
Fischverkäufer Bernd Keller, 59, den alle nur "Fisch-Berni" nennen, gönnt sich um 10.30 Uhr eine kleine Pause. Mit Fleischhändler Kai Voss, 46, trinkt er einen Kaffee in Saegers Imbiss. "Hier ist immer was los, da kann man mal den einen oder anderen Klönschnack mit Kollegen halten", sagt "Fisch-Berni". 38 Jahre sei er schon auf Märkten unterwegs, seit sechs Monaten ist er auch in Reinbek.
Wie es ihm dort gefalle? "Klasse. Das Publikum ist wirklich spitze. Und wer Qualität liefert und mit den Leuten kommuniziert, dem geht es auch gut. Ich empfinde es als sehr angenehm, mein Geld auf diese Art und Weise zu verdienen. Auch wenn ich schon hier bin, wenn andere noch schlafen." Thomas Saeger nickt, er fährt im Dunkeln um 4.30 Uhr als Erster auf die 3000 Quadratmeter große Fläche. Das frühe Aufstehen ist für ihn "in Ordnung". Schließlich liebe er seinen Job und den Kontakt mit den Menschen.
Die Reinbeker sind dankbar, dass es ihren Wochenmarkt gibt. Sie sparen nicht an warmen Worten. Und sie geben, wie zum Beispiel Inge Delkof. Schon seit Jahren bringt sie Anna Martins, 50, die Kartoffeln und Eier verkauft, einen Becher Kaffee an den Stand. "Hier werde ich angenommen wie ich bin. Ich brauche diese Sozialkontakte zum Leben", sagt die 68 Jahre alte Delkof.
Eine Kaffeepause mit minutenlanger Unterhaltung kann sich Ulrike Reinhardt, 40, die mit ihrem Schwager Dirk Sesiani einen Frischgeflügelstand betreibt, heute nicht leisten. Schließlich schmeißt sie den Laden gerade allein und hat alle Hände voll zu tun. Dabei müsse sie viel erklären. "Die Menschen sind ernährungsbewusster geworden, fragen immer wieder nach den Inhaltsstoffen der Produkte." Die Optik stimmt jedenfalls. Das Hähnchenkrokantfilet sieht sehr schmackhaft aus, und beim Blick aufs Maishähnchen läuft einem das Wasser im Mund zusammen.
Aber der Renner sei derzeit die Putenschinkensülze, 100 Gramm kosten 1,30 Euro. Rita und Uwe Hölting entscheiden sich trotzdem für Geflügelaufschnitt, 200 Gramm für den 18 Jahre alten Enkel, den sie gleich besuchen. "Fleisch sowie Aufschnitt kaufen wir immer frisch und aus der Region. Da gehen wir keine Experimente ein."
Selbst kreierte Käsepralinen schmecken nach Schoko und Pfefferminze
Experimentierfreudig ist hingegen Martina Bauermeister. Sie kommt aus Brunsbek und offeriert Käsesorten. Ihre Spezialität sind die selbst kreierten Frischkäsepralinen, 100 Gramm für 2,99 Euro. Es gibt sie in den Geschmacksrichtungen Schokolade, Kaffee, Limette und Pfefferminze. Axel Strehl, Kreisvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), der die Wochenmärkte für das Hamburger Abendblatt testet, ist begeistert. Sein Urteil: "Die schmecken wirklich lecker." Und weil es so mundet, nimmt der Restaurantinhaber gleich eine gemischte Schale für den privaten Gebrauch mit. "Wir wollten etwas Außergewöhnliches herstellen", sagt Bauermeister. Und ja, es habe funktioniert. "Die werden sogar von Menschen verzehrt, die eigentlich keinen Käse mögen." Das Ausprobieren sei aber sehr zeitaufwendig, viel Käse lande während dieses Prozesses im Mülleimer.
Wegschmeißen muss auch Michael Bornhöft, 45. Zwar nicht viel, "aber wer gute Qualität verkaufen will, muss sich auch trennen können", sagt der Blumenhändler aus Kirchwerder. 95 Prozent seiner Ware kommt aus eigenem Anbau, der Stand leuchtet bunt. "Ein tolles Angebot. Es sieht prächtig aus und strahlt einen an", lobt Axel Strehl. Bornhöfts Stammkunden schätzen das. Zu ihnen zählt auch Uwe Frommhold, Geschäftsführer des Eishockeyclubs Hamburg Freezers. Knappe zwei Stunden sind es noch bis zum Marktende. "20 Rosen für nur fünf Euro", ruft Bornhöft. Ein kleiner Mengenrabatt, sonst kosten zehn Stück drei Euro.
Am Jörg Heimbachs Gemüsestand gegenüber herrscht reges Treiben. Verkäuferin Katharina Hachmann, 21, würde am liebsten alle drei Kunden gleichzeitig bedienen. Sie ist im Stress, lächelt trotzdem. Wo der Chef ist? "Kurz mal sanitär entspannen", sagt der stellvertretende Marktmeister Holger Mahns, 53, der mit seiner Frau Gitta einen Blumenstand hat. In wenigen Tagen feiern sie Silberhochzeit. Wo er die Blumen für sie kauft, will er aber nicht verraten.
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