Das Hamburger Abendblatt stellt zehn Wochenmärkte in Stormarn auf den Prüfstand. Ist die Auswahl groß genug? Wie ist die Stimmung? Tester ist der Dehoga-Kreisvorsitzende Axel Strehl
Der Wochenmarkt am U-Bahnhof Großhansdorf ist recht klein. So klein, dass man ihn innerhalb einer Minute überqueren könnte - wenn der Marktbesucher nicht jeden Meter stehen bleiben würde. Für eiliges Überqueren duftet es zu gut, keine Chance für Hektik. Aber das ist doch im besten Fall das, was schön ist am Wochenmarkt: riechen, anschauen, aussuchen - und das alles in Ruhe.
Deswegen kommt auch Werner Jordan nach Großhansdorf. "Der Markt ist gemütlich und persönlich, und er ist dicht bei, da brauch' ich nicht lange zu schleppen", sagt er. Auch hier gilt: theoretisch. "Obwohl ich um die Ecke wohne, brauche ich hin und zurück 'ne Stunde. Hier kennt man einfach so viele Leute", sagt Jordan. Er steht gerade am Wagen von Dieter Apel. Bei ihm gibt es Holsteiner Katenschinken, Aufschnitt und an diesem Tag Speckkartoffelsalat aus eigener Herstellung. "Wochenmärkte sind wichtig für die Nahversorgung der Bevölkerung", sagt Apel. Der 67-Jährige steht seit sechs Jahren auf dem Großhansdorfer Markt.
"Dieter ist ein Netter", sagt Dennis Haecks vom Fischstand gegenüber. Er muss es wissen, denn er verkauft seine Waren schon seit 15 Jahren auf dem Markt am Eilbergweg. "Es ist sehr familiär hier, die meisten kennen einander schon seit Jahren", sagt Haecks.
Am Fischstand gibt es Tipps für Rezepte und zum Flirten
Mit "die meisten" sind nicht nur die Händler gemeint. Auch viele Kunden kommen seit Jahren. Bei Fischfeinkost Haecks gibt es deshalb Bonuskarten. Wer Fisch kauft und die Karte reicht, bekommt einen kleinen Fisch in die Karte gestanzt. Auf den zehnten Einkauf gibt es dann zehn Prozent Rabatt. "Da kommt wieder eine Kundin, von der weiß ich auch fast alles. Wir Händler sind auch Seelsorger, man hört sich alles an", sagt Dennis Haecks.
"Na mein Engel, was darf's sein?", fragt er charmant. Seelachs soll es sein, antwortet die Frau. 9,95 Euro möchte Dennis Haecks haben. "Billiger als ein neuer Hut", sagt die Kundin.
Darum, alles möglichst billig zu kaufen, gehe es in Großhansdorf nicht, sagt Dennis Haecks. "Hier geht es den Leuten um Qualität, die fragen nicht nach dem Preis", sagt er. Das sei auf anderen Märkten anders. "Außerdem ist es hier nicht so hektisch."
Vielleicht hat sich deswegen in der Waldgemeinde schon mehr ergeben als woanders. "An meinem Stand haben sich schon Leute zum Abendessen verabredet. Ich hatte einer Kundin ein Rezept empfohlen, und sie sagte, sie werde es gleich am Abend ausprobieren", erzählt Haecks. "Ein Mann, der danebenstand, sagte, er habe selbst noch nichts vor. Und dann haben die beiden sich tatsächlich getroffen", sagt er.
Dennis Haecks selbst hat auf dem Markt in Großhansdorf ebenfalls mal eine Frau kennengelernt. "Aber sie ist jetzt meine Ex-Freundin und kommt nicht mehr einkaufen", sagt er. Im Gegensatz zu dem Fischhändler, der bei Djalal Amirnekooei die Gewürzmischung "Spezial" kauft, die sei ein "Träumchen". Warum? Djalal Amirnekooei sagt: "Das ist meine eigene Mischung. Die kann man für alles benutzen. Alle Kunden, die probiert haben, sind begeistert." Eine Frau pflichtet ihm bei. "Die ist wirklich toll und nicht zu scharf." Dann fragt sie: "Hast du heute auch Ingwer?" Hat er nicht und zeigt auf einen Korb. "Gut", sagt sie und geht weg. "Sie kommt immer erst am Schluss zu mir", sagt Amirnekooei. "Ich kenne alle meine Kunden."
Dieser Satz ist oft zu hören. Auch am Obststand nebenan, bei Matthias Such. "Wir haben auch viele Kunden aus der Seniorenwohnanlage Rosenhof, die kennen mich schon seit 25 Jahren", sagt er. Viele Marktbesucher erwähnen seine Äpfel, wenn sie gefragt werden, was sie am liebsten kaufen. Sein Obsthof umfasst acht Hektar. "Wir haben Kirschen, Äpfel und ein bisschen Weichfrucht", sagt er. Zu den Weichfrüchten gehören zum Beispiel Himbeeren. Such kommt gern nach Großhansdorf. "Hier auf dem Markt sind sehr entspannte Leute, es ist alles durchdacht, und es gibt beim Sortiment keine allzu großen Überschneidungen. Das hier ist mein Lieblingsmarkt - mit Abstand."
Ähnliches sagt auch Andreas Werth aus Linau. "Ehrlich gesagt ist dieser Markt am schönsten. Auf den anderen Märkten haben die Leute weniger Zeit, hier ist alles gemütlicher. Werth steht in Andi's Schlemmerkiste und verkauft Brat- und Currywurst. Manchmal gibt es auch Pilzpfanne oder Gyros. Andreas Roth hat sich an diesem Tag für Currywurst entschieden. "Ich komme regelmäßig her. Wenn's passt, jede Woche."
Der Honighändler hat sich als Rentner einen Traum erfüllt
Wer bis zu Andi's Schlemmerkiste gekommen ist, hat den Markt fast überquert. Und wird aller Wahrscheinlichkeit nach trotzdem noch häufig stehen bleiben. Um Blumen zu kaufen vielleicht. Oder frisch gebackenes Brot. Oder um Jutta Hoose von der Hammoorer Landschlachterei beim Fleischhacken zuzusehen. "Gruß an die Tochter", sagt eine Kundin. "Ja, danke! Unser Sohn ist gerade krank. Und der Geselle hat sich in den Finger geschnitten, weil er nicht aufgepasst hat, das auch noch", sagt Hoose. "Och nee", sagt die Kundin.
Schräg gegenüber steht der Bus von Norbert von Pigage, er ist erst seit eineinhalb Jahren dabei. Die Bienenaufkleber auf dem Bus weisen darauf hin, was der 67-Jährige verkauft: Honig. "Meine Frau und ich haben etwa 50 Bienenvölker", sagt er. Seit er Rentner ist, haben die beiden aufgestockt, vorher waren es zehn Völker. "Ich habe als technischer Angestellter gearbeitet. Wir hatten immer Tiere. Gänse, Enten, Masthähnchen. Und wir wollten etwas tun, das der Natur zugute kommt." Nun kümmert er sich also um seine Bienen.
Roland Kolle, 68, ist eigentlich ebenfalls in Rente. "Und trotzdem bin ich vollzeitbeschäftigt", sagt er. "Ich langweile mich doch in meinem Tangstedter Garten, da arbeite ich lieber weiter." Und so steht er in dem roten Hanse-Hähnchen-Wagen, im Rücken die Wärme des Grills. Wer heute noch Hunger hat, muss sich beeilen: An diesem Donnerstag hat er fast alle Hähnchen verkauft. Nur noch eines dreht sich am Spieß. Aber in der kommenden Woche ist ja wieder Markt.
Alle Folgen der Wochenmarkt-Serie finden Sie auf www.abendblatt.de/stormarn-markt