Serie: Jeden Sonnabend stellen wir einen Verein und dessen Mitglieder vor. Heute: Die Ahrensburger Schützengilde
Adrian Schulz könnte diesen Sommerabend draußen verbringen. Der 16-Jährige könnte sich mit Freunden treffen, Fahrrad fahren oder wenigstens auf einer grünen Wiese für die Schule büffeln. All das will Adrian Schulz aus Ahrensburg nicht. Er will schießen. Und zwar mit einer Pistole. Also geht er, wie jede Woche, in eines der modernsten Schützenhäuser, das Norddeutschland zu bieten hat. Es steht, wie kann es anders sein, in der Schlossstadt, Am Hopfenbach - weitab vom Schuss.
Dort lässt er sich mit anderen Jugendlichen vom 23-jährigen Sven Bentien nach allen Regeln der Kunst trainieren - gemeinsam mit den insgesamt rund 30 anderen Schützen aus der Jugendabteilung der Ahrensburger Schützengilde. Die Räume und Hallen, in denen sie mit Luftgewehren und anderem Gerät auf 50 Meter entfernte Scheiben zielen, sind fensterlos und kühl. Für mehrere Stunden beugen sich die Jugendlichen einer anderen Ordnung als in ihrem Schulalltag. Hier haben Befehle wie "Sicherheit!" "Hände weg vom Sportgerät!" grundlegende und lebensbewahrende Bedeutung. Vor allem aber findet der junge Mann in seinem Hobby den nötigen Ausgleich zur Schule und offenbar auch seine seelische Balance. "Ich mache das wegen der Ruhe, die sich durch die Konzentration beim Schießen einstellt. Schießen wollte ich immer schon, bereits mit neun Jahren." Computerspiele? Rumballern am PC-Bildschirm? Fehlanzeige.
Die schwerste Zeit in der Geschichte des Vereins brachte die Wende
Adrian Schulz und Sven Bentin, der an der Hamburger Universität auf Lehramt studiert, stehen für einen Generationswechsel in einem Verein, dem in weiten Teilen der Öffentlichkeit noch immer das Image des Altbackenen anhaftet. Saufen, rauchen, schmauchen - so lauten häufig die ebenso gängigen wie falschen Vorurteile.
Doch ausgerechnet die schwerste Zeit in der Geschichte der Ahrensburger Schützengilde hat die entscheidende Wende gebracht. Seitdem liegt das Vereinsschießen bei den jungen Leuten aus der Region im Trend. Mit großer Resonanz beim wöchentlichen Training: "Es schwänzt keiner. Einfach deshalb, weil es uns Spaß macht", sagt Hobby-Schützin Denise Eltermann, 16.
Als der Verein 1955 gegründet wurde, genossen die Männer und wenigen Frauen das boomende Wirtschaftswunder in vollen Zügen. Das gesellige Miteinander stand mehr im Mittelpunkt als der sportliche Gedanke. Um zu zeigen, wer man in der Szene ist, zogen die Schützen mit ihren Trachten und Orden stolz durch die Dörfer und Städte. Marschmusik gab den Takt vor. Vor genau 50 Jahren, am 16. Juni 1963, gründeten die Ahrensburger Schützinnen dann die erste Damenabteilung im Kreis Stormarn, seitdem werden sie "Schützenschwestern" genannt.
Einer, der diese Zeit noch genau kennt, ist Siegbert Sobotke, Zweiter Vorsitzender der Ahrensburger Schützengilde. Er ist 71 Jahre und gehört dem Verein, mit einigen Jahren Unterbrechung, seit 1959 an. "In der Nachkriegszeit", sagt der pensionierte Postbeamte, "ging es den Schützen vor allem um Geselligkeit und Traditionspflege. Heute dagegen steht der sportliche Gedanke im Zentrum. Die Leute wollen nicht nur feiern - sie wollen vor allem sportlich schießen."
Was Senior Sobotke noch immer mit großem Erfolg gelingt. 2011 feierten ihn die Ahrensburger als Schützenkönig. "1971 wurde ich zum ersten Mal Schützenkönig", sagt Sobotke. Damals kosteten die Luftgewehre noch rund 700 Mark. Heute dagegen sind 2500 bis 3000 Euro fällig.
Dass bei den Sportschützen inzwischen hochmoderne Technik dominiert, lässt sich im neuen Schützenhaus beobachten. In dem fast 2500 Quadratmeter großen Gebäude gibt es drei große Schießstände. In einer Halle kann über eine Entfernung von 50 Metern mit Kleinkalibermunition geschossen werden. Der Schießstand für Luftgewehrschützen befindet sich in einem 15 Meter langen Raum. Und in der dritten Halle sind die Schießscheiben 25 Meter vom Standort des Schützen entfernt. Daneben befinden sich moderne digitale Bildschirme, auf denen die Sportler die Treffgenauigkeit verfolgen können.
Der Vorsitzende ist mindestens vier Tage pro Woche im Einsatz
1,2 Tonnen Munitionsschrott fallen jährlich in der Ahrensburger Gilde an, die sachgerecht entsorgt werden. Geschossen wird bei uns in allen "olympischen Disziplinen", sagt Thomas Looft. Der 53-Jährige ist Vorsitzende der Ahrensburger Schützengilde und gehört dem Verein seit 1985 an. "Anfangs", beschreibt er den technischen Wandel bei den Sportgeräten, "hatten wir noch Knickläufe. Heute sind das alles High-Tech-Geräte." Für die Jüngsten der inzwischen 220 Vereinsmitglieder steht sogar eine Lichtpunktanlage bereit.
Tagsüber arbeitet Thomas Looft bei Hamburg Wasser, doch in den Abendstunden ist er mit Leib und Seele für seinen Verein im Einsatz. Manchmal knipst er erst nach Mitternacht das Licht aus, weil so viel Arbeit anfällt und die Frauen und Männer danach noch ein bisschen zusammensitzen. "An mindestens vier Tagen in der Woche bin ich hier. Was ich mache, ist eigentlich ein voller Halbtagsjob."
Da sind nicht nur organisatorische und finanzielle Fragen zu klären, es geht manchmal auch um das Lösen von technischen Problemen. Stolz zeigt Looft einen schmalen Raum, in dem sich das digitale Rechenzentrum befindet. Über insgesamt 30 Kilometer lange Kabel werden alle wichtigen technischen Geräte gesteuert - von den Computern, den Monitoren bis zu den großen Bildschirmen, die im großen Saal die Ergebnisse bei den Wettkämpfen anzeigen. Damit die Zuschauern bestens informiert sind.
Dass die Ahrensburger Schützen über ein so leistungsfähiges Haus verfügen, ist auf ein tragisches Ereignis zurückzuführen. Im Januar 2007 war das Gebäude im Auetal in Flammen aufgegangen. Brandstiftung. Etliche Schützen suchten sich andere Vereine. Schließlich entschied sich die Gilde für einen Neubau. Ahrensburg unterstützte das Bauvorhaben mit 935.000 Euro. Im Juni 2009 wurde der 1,9 Millionen teure Neubau im Gewerbegebiet Beimoor-Süd eingeweiht. "Wir", sagt Looft stolz, "sind die modernste Schießsportstätte nördlich von Hannover."
Seitdem finden in Ahrensburg immer häufiger attraktive Turniere statt. 2012 haben sich neun Schützen aus Ahrensburg in 13 Disziplinen zu den Deutschen Meisterschaften qualifiziert, darunter fünf Jugendliche. In diesem Jahr stehen die Landesmeisterschaften noch aus, aber im Kreis haben die Ahrensburger bereits über 30-mal die ersten Plätze und mehr als 25-mal die zweiten Ränge belegen können.
Schon die jüngsten Vereinsmitglieder lernen, aufeinander zu achten
So leistungsorientiert die Ahrensburger Schützen sind, so wichtig ist ihnen auch das Thema Sicherheit. "Unser Training", sagt Looft, "ist zuerst auf Sicherheit und erst an zweiter Stelle auf Leistung ausgerichtet." Neben den vorgeschriebenen Prüfungen bietet der Verein laufend Fortbildungsveranstaltungen an. Munitions- und Waffenkunde, sichere Handhabung und Transport von Sportgeräten oder Informationen zu den olympischen Disziplinen stehen im Mittelpunkt.
Gerade in der Jugendarbeit hat das Thema Sicherheit einen hohen Stellenwert. Thomas Looft sagt: "So lernen bereits die Jüngsten, aufeinander zu achten und sich gegenseitig zu unterstützen."