Serie “Bank-Geheimnisse“: Wir treffen Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Krankenschwester Sabine Tiedtke.
Bad Oldesloe. Als Krankenschwester kommt Sabine Tiedtke regelmäßig mit Menschen in Kontakt, die im Sterben liegen. Sie steht ihnen in ihren letzten Stunden bei und hilft den häufig überforderten Angehörigen, mit der Situation umzugehen. "Tod und Sterben sind immer noch Tabu-Themen in unserer Kultur", sagt sie. "Dabei gehen sie jeden von uns etwas an, denn wir müssen alle irgendwann sterben."
Die Oldesloerin hat ein großes Anliegen: Sie möchte Stormarnern in den letzten Tagen, Wochen oder Monaten vor ihrem Tod eine individuelle Begleitung ermöglichen. Dafür plant sie, in Bad Oldesloe ein stationäres Hospiz zu errichten. "Viele Menschen haben den Wunsch, zu Hause zu sterben", sagt die 49-Jährige. "In der Realität machen das aber nur die wenigsten. Die meisten Menschen sterben in Alten- und Pflegeheimen oder im Krankenhaus." Dort jedoch gebe es häufig nicht genügend Personal, um den Sterbenden und ihren Angehörigen die nötige umfassende Betreuung anzubieten.
"Viele Menschen ziehen sich zurück, wenn sie im Sterben liegen", sagt die Oldesloerin. "Die Angehörigen wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Sie fragen sich, ob sie den Sterbenden noch berühren dürfen, wann sie einen Arzt rufen müssen und freuen sich, wenn jemand die Trauer mit ihnen zusammen aushält." Deshalb sei es sinnvoll, den Sterbenden und ihren Angehörigen einen Raum zu geben, der ihnen vor dem Tod Sicherheit und Geborgenheit bietet. Tiedtke: "Genau das schaffen Hospize." Bisher gibt es in Stormarn kein stationäres Hospiz. Die nächstgelegenen Einrichtungen dieser Art stehen in Hamburg-Volksdorf und Lübeck. "Das ist sehr weit weg. Die Menschen sollten dort sterben dürfen, wo sie auch gelebt haben", sagt Sabine Tiedtke.
Ihre Pläne sehen vor, ein Mehrgenerationenhospiz zu errichten. Es soll offen sein für Männer und Frauen aller Altersklassen und Konfessionen. "Es wäre das erste Hospiz dieser Art in Deutschland", sagt die Oldesloerin. "Bisher gibt es nur in Kassel noch ähnliche Pläne." Sabine Tiedtke ist es wichtig, das Haus mit viel Leben zu füllen. Dabei treibt sie der Spruch von Cicely Saunders an, einer Gründerin der Hospizbewegung: "Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben."
In dem Hospiz soll es deshalb regelmäßig Konzerte und andere Veranstaltungen geben. Auch Haustiere sollen erlaubt sein. "Optimal wäre es, wenn die Einrichtung direkt in der Innenstadt entstehen würde", sagt Tiedtke. "Dann könnten die Menschen, die dazu noch in der Lage sind, mal zum Eisessen oder Biertrinken nach draußen gehen."
Die Idee zur Gründung eines Hospizes ist der Oldesloerin vor drei Jahren gekommen. Damals machte sie eine Weiterbildung zur Pflegedienstleiterin. "Im Wirtschaftsunterricht haben wir die Aufgabe bekommen, ein fiktives Unternehmen zu gründen", sagt die 49-Jährige, die sich damals für ein Hospiz entschied. "Seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen." Wenn es ums Sterben gehe, herrsche bei vielen Menschen eine große Unsicherheit. "Das Thema wird oft verdrängt", sagt Tiedtke. "Dabei wäre es besser, wenn sich die Menschen verstärkt ins Bewusstsein riefen, dass das Leben endlich ist." Bei ihr habe das Auseinandersetzen mit dem Tod schon dazu geführt, dass sie bewusster das Leben genieße. Sie nehme sich jetzt mehr Zeit für ihre Familie und ihre Hobbys, zum Beispiel Yoga, Tanzen und Spaziergänge mit Hündin Karlotta.
Sabine Tiedtke ist gelernte Bankkauffrau. Erst im Jahr 1997 entschied sie sich dazu, zur Krankenschwester umzuschulen. "Das war schon immer mein Traumberuf", sagt sie. "Ich habe die Menschen bewundert. Als Krankenschwester ist man den Menschen so nah wie sonst nirgendwo." Dennoch ist sie heute froh darüber, zunächst die Ausbildung zur Bankkauffrau gemacht zu haben. Tiedtke: "Dabei habe ich nämlich meinen Mann kennengelernt."
Die Beschäftigung mit dem Tod nehme sie nicht als Belastung wahr. "Das zieht mich nicht runter, sondern ich kann daraus Kraft schöpfen", sagt Sabine Tiedtke. Sie hofft nun auf viele Mitstreiter, um ihr Projekt in Bad Oldesloe verwirklichen zu können. Ein Fernsehbeitrag über die Leiterin des Hospizes in Niebüll habe sie darin bestärkt: "Sie hatte, genauso wie ich, eine Vision und hat es hinbekommen", sagt die 49-Jährige. "Das hat mir Mut gemacht, dass ich es schaffen kann, in Bad Oldesloe ein Hospiz aufzubauen."