Knabenkraut, Rohrweihe, Eisvögel: Der Hobbyforscher will erreichen, dass die Fläche unter Naturschutz gestellt wird.
Bargteheide. Ingo Hartung (51), in Wetteranorak und Gummistiefeln, späht auf dem alten Knickweg ins Bargteheider Moor durch das Fernglas. Zwischendurch spricht er auf ein Diktiergerät. "Ich bin jetzt täglich hier, immer auf der Suche nach Vogelbrutpaaren. Ich notiere zum Beispiel die singenden Männchen der Zaunkönige", sagt der Bargteheider Hobby-Naturkundler. Er ist in einem selbst gestellten Auftrag unterwegs: Ehrenamtlich kartiert der ehemalige Fahrdienstleiter der Reichsbahn und heutige Nachtchauffeur das rund 20 Hektar große Niedermoor.
Der Pilzkenner, der seit zehn Jahren auch ehrenamtlicher Kartierer der Deutschen Mykologischen Gesellschaft ist, hat seit 2006 in dem Areal an der Landesstraße 89 (Bargteheide-Hammoor) Entdeckungen gemacht, die selbst die Stammwanderer überraschen. "Das Gebiet hat geballte Biologie auf engstem Raum", sagt Ingo Hartung. "Im Zentrum fand ich typische Moorpflanzen wie Glockenheide. Und auf dem Magerrasen entdeckte ich Bachnelkenwurz, eine seltene, rotbraun blühende Pflanze, die auf der Roten Liste steht - genauso wie das Große Knabenkraut, eine Orchidee. In der Mitte des Moores wächst mit dem Gelben Graustiel-Täubling sogar ein Pilz der Roten Liste."
89 Vogelarten hat Ingo Hartung bisher im Moor entdeckt und zum großen Teil auch fotografiert: "Zwei Eisvogelpärchen und ein Kranichpaar brüten dort. Ich sah Turmfalken, durchfliegende Seeadler und die Kornweihe, eine seltene Greifvogelart." Im Vorjahr entdeckte er das Gelege von Rohrweihen mit fünf Jungen. Auch den Uhu hat er schon gehört.
Ingo Hartung fand geschützte Waldeidechsen, Laubfrösche und seltene Krötenarten. "Ab Februar wandern die Kröten vom benachbarten Feuchtgebiet Langenhorst über die L 89 ins Moor und zurück", sagt der Bargteheider. Damit die Tiere nicht überfahren werden, will er als nächstes mit Freunden einen 120 Meter langen Krötenschutzzaun aufstellen.
Auch die Knicks rund um das Moor sind von seltenem Artenreichtum: "Von den 79 Gehölzarten, die sich in Schleswig-Holsteins Wallhecken finden, sind hier 39 vertreten." Hartung hat in dem als Wildschutzgebiet ausgewiesenen Areal unter anderem mehr als 400 Schwarzerlen, 90 Schwarzpappeln und 30 Silberweiden gezählt. Außerdem gibt es noch mehr als 800 Quadratmeter Schilf.
Rund 40 Besitzer teilen sich das Bargteheider Moor. Der Stadt gehört im westlichen Teil eine ehemalige Mülldeponie, die bis in die Siebzigerjahre genutzt und dann renaturiert wurde. Das Gebiet ist Bestandteil der Stormarner Biotopverbundachse - aber das reicht Ingo Hartung nicht: "Es ist an der Zeit, die Artenvielfalt zu erhalten. Ich möchte, dass es Naturschutzgebiet wird."
Um sein Ziel zu erreichen, hat er der Stadt und der Naturschutzbehörde des Kreises seine 30-seitige Kartierung geschickt: "Das Land muss ja aussagefähige Unterlagen bekommen."
Seine Aufzeichnungen ergänzt Ingo Hartung in diesem milden Winter ("Die Natur ist vier Wochen weiter als sonst") und über das Jahr: "Mir fehlen ja noch die Insekten. Die sind erst zum Teil erfasst." Sein Aufwand ist groß. Im Vorjahr war er zu 40 mindestens dreistündigen Begehungen im Gebiet. Insgesamt war er an rund 200 Tagen dort.
Entdeckt hatte der Naturkundler, der seit vier Jahren mit Ehefrau Jutta Schubert (50) und Tochter Mareike (15) in Bargteheide lebt, das Moor im Jahr 2006. "Ich recherchierte eigentlich zur Wirkung von Doppel-Null-Raps, das ist der Biodiesel-Rohstoff, auf das Wild. Die Tiere können dadurch Durchfall bekommen und sogar sterben. Bei der Suche guckte ich mir das Gebiet näher an."
Um die Besonderheiten wissen offenbar nicht alle Mitmenschen. "Ich fand neulich wieder einen Haufen Gartenrückstände", sagt Hartung verärgert, "und jede Menge Müll, vor allem Bierflaschen und Blechdosen."
- Historie: Ingo Hartung (Telefon 04532/28 37 06) möchte seine Kartierung des Bargteheider Moors mit historischen Angaben anreichern. Er sucht Zeitzeugen, die den Torfabbau noch erlebt haben und Fotos haben.