Leonie Gschwendtberger aus Großhansdorf und Anna R. aus Ahrensburg reisen für zwei Monate nach Tansania in ein Waisenhaus.
Ahrensburg. "An einen fremden Ort zu reisen, weitet das Blickfeld. Das Vertraute sehen wir irgendwann nicht mehr", sagt Leonie Gschwendtberger. Damit erklärt die 19-Jährige auch, warum sie das erste "Jahr in Freiheit" mit Reisen verbringen will. Leonie Gschwendtberger und Anna R. haben im Mai an der Ahrensburger Stormarnschule ihr Abitur gemacht. Am 27. August beginnt nun ihre große Reise, die sie zuerst für zwei Monate in ein Waisenhaus in Tansania führen wird. Danach wollen die beiden Abiturientinnen mit Überlandbussen in Richtung Küste fahren und nach einem längeren Aufenthalt auf der Insel Sansibar nach Indien fliegen.
Was danach kommen soll, wissen sie noch nicht genau. Anna wird wahrscheinlich Frühkindliche Pädagogik studieren, Leonie Germanistik und Religionswissenschaften. Annas Traum ist es, ein eigenes Waisenhaus aufzubauen. Leonie sagt, sie würde am liebsten Gedichte und Kurzgeschichten schreiben. Schreiben wollen sie auch während ihrer Reise so viel wie möglich. "Aber oft fällt mir das schwer, weil es so viel ist. Erst wenn ich wieder zurück bin, kann ich meist alles aufschreiben", sagt sie.
In der Zeit zwischen Abitur und Beginn ihrer Reise haben die beiden jungen Frauen Erdbeeren verkauft. Wenn gerade keine Kunden da waren, haben sie schon mal kindertaugliches Kisuaheli gelernt. "Ninataka kucheza" heißt: "Ich will spielen." "Wewe kuchoka?" werden sie die Kinder fragen. "Bist du müde?" heißt das. "Die Sprache ist eigentlich ziemlich leicht zu lernen", sagt Leonie, wenn man die Grammatikregeln verstanden hat, nach denen die Wörter zusammengesetzt werden."
Den Aufenthalt im Waisenhaus haben die beiden selbst organisiert. "Im Internet haben wir eine Liste mit afrikanischen Waisenhäusern gefunden", sagt Leonie. Dass es ein Waisenhaus sein soll, war von Anfang an klar, weil sich beide gern um Kinder kümmern. Am liebsten um die Kleinsten. Aus diesem Grund sei ihre Wahl auf das 2006 von der Engländerin Amy Hathaway gegründete Waisenhaus Forever Angels gefallen. Dort leben Kinder bis fünf Jahre. "Manche Waisenhäuser sind sehr heruntergekommen und liegen mitten im Nirgendwo. Da wollten wir nicht hin", sagt Leonie.
Forever Angels liegt im Norden von Tansania, am Ufer des Victoria-Sees, des zweitgrößten Süßwassersees der Erde. Die Stadt Mwanza ist mit 225 000 Einwohnern eine der größten Städte am See. Sie ist auch eines der größten Industrie- und Wirtschaftszentren des ostafrikanischen Landes - aber durchaus kein Touristenparadies. Da es kaum Freizeitangebote gibt, wollen sich Anna und Leonie ganz auf die Arbeit mit den Kindern konzentrieren.
Im Waisenhaus leben laut eigenen Angaben zur Zeit ungefähr 50 Kinder. 55 habe Forever Angels bereits an Adoptivfamilien vermittelt. Seit kurzem gibt es ein neues Projekt. Es nennt sich "Street Born" und soll jungen Müttern und Schwangeren helfen, die mit ihren Kindern auf der Straße leben. "So gut wie alle Mädchen auf der Straße haben mit Drogen und Prostitution zu tun, viele haben AIDS. Sie können sich nicht um ihre Kinder kümmern", schreibt Gründerin Amy Hathaway auf ihrer Internetseite. Selbst in den Krankenhäusern von Mwanza stürben Babys, weil es nicht genug Ärzte gebe, um sie zu behandeln. Geld- und Sachspenden würden dringend gebraucht.
Anna und Leonie zählen den Inhalt ihre Koffers auf: Windeleinlagen, Müllbeutel für Windeleimer, Löffel für Kleinkinder, Nagelknipser, Penatencreme. Alles Dinge, die man so einfach in Tansania nicht bekommt. "Fünf Kilogramm unseres Gepäcks sind dafür reserviert", sagt Leonie. Außerdem seien sie auf der Suche nach Spendern, die das Waisenhaus unterstützen wollen. Leonie: "Vergangenes Jahr waren wir in einer fünften Klasse und haben einen Vortrag über Forever Angels gehalten." Danach hätten die Kinder auf dem Weihnachtsmarkt Lampions verkauft und den Erlös von 50 Euro an das Waisenhaus gespendet. "Hier wissen wir genau, wohin das Geld fließt", sagt Anna, "nichts geht verloren oder wird für Werbung ausgegeben. Auch über kleine Beträge freuen wir uns sehr." Freiwillige mit Arbeitsvisum können nur zwei Monate in Mwanza bleiben. Danach wollen Anna und Leonie weiter in Richtung Küste fahren, durch den berühmten Serengeti-Park und am Kilimanjaro vorbei. Auf Sansibar ist ein Zwischenstopp von eineinhalb Monaten vorgesehen. Die ostafrikanische Flitterwocheninsel ist vor allem für ihre traumhaften Strände bekannt.
Weihnachten möchten die beiden mit ihren Familien verbringen. Anna fliegt deshalb für zwei Wochen zurück nach Hause. Leonie trifft sich mit ihren Eltern auf Sri Lanka. Danach wollen die beiden an der Westküste bis nach Mumbai reisen. Von dort aus geht es wahrscheinlich nach Neu Delhi und zu den Buddhastätten im Norden. Sollte es in Indien zu heiß und schwül werden, wollen sie ins kühlere Nepal ausweichen.
Wenn Leonie und Anna nächsten Sommer zurück nach Deutschland kommen, müssen sie sich für die Uni bewerben - wenn sie das dann noch wollen. Leonie ist sich da nicht sicher: "Ich glaube, dass sich auf der Reise für mich sehr viel verändern wird."