Vor neun Monaten starb 16-Jährige bei Unfall in Bargteheide. Noch immer gibt es keinen Prozess gegen den Todesraser
Bargteheide. Liebevoll legt Jasmin Schulz ihren rechten Arm um die Schulter der Frau, die am Rande der Lübecker Straße steht. Sie versucht, Trost zu spenden. Doch es gibt keine Worte, die das Leid der Mutter lindern könnten. Denn Cordula Fuß trauert um ihr Kind. Die Frau aus Elmenhorst hat an diesem Ort in Bargteheide ihre Tochter verloren. Fast neun Monate ist es her, dass ein damals 20-Jähriger aus Barsbüttel betrunken die Kontrolle über sein Auto verlor, in eine Fußgängergruppe schleuderte und das junge Leben von Kim-Laura auslöschte.
Die Freunde der 16-Jährigen konnten gerade noch zur Seite springen. Kim-Laura, die mit dem Rücken zum herannahenden Auto stan td, hatte keine Chance. Ein Gedenkstein und eine Kerze erinnern noch heute an den grausigen Unfall vom 31. Oktober 2010. Doch auf den Prozess gegen den Todesraser warten Eltern, Verwandte und Freunde des Opfers bis heute vergebens.
Einen Termin gibt es noch nicht. Dies bestätigte eine Mitarbeiterin des Amtsgerichts Reinbek auf Anfrage. Es sei nicht absehbar, wann der junge Barsbütteler sich vor einem Richter verantworten muss. "Unser Terminplan ist bis Ende November voll. Vorher wird die Verhandlung nicht eröffnet", sagt die Gerichtsmitarbeiterin. Doch warum dauert es so lange? Die Lübecker Staatsanwaltschaft hatte ihre Ermittlungen nach sieben Monaten abgeschlossen. "Diese Zeitspanne ist nicht ungewöhnlich, wenn beispielsweise technische Gutachten gefertigt werden müssen", sagt Oberstaatsahnsanwalt Werner Spohr.
Am 18. April erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Straßenverkehrs. Seitdem liegen die Akten beim Amtsgericht in Reinbek. Warum es dort so lange dauert, bis ein Termin gefunden wird, war gestern nicht zu erfahren. Die Richterin, die fürs Jugendgericht zuständig ist, sei im Urlaub.
Die Eltern und Hinterbliebenen von Kim-Laura leiden unter der langsamen Justiz. Ein Bekannter der Familie sagte gestern gegenüber dieser Zeitung, den Eltern gehe es nicht gut. Denn sie wüssten, dass da noch etwas auf sie zukomme. Vor dem Amtsgericht werde die Mutter dem jungen Mann ins Gesicht sehen müssen, der für den Tod ihrer Tochter verantwortlich ist.
"Hinterbliebene sprechen häufig von einer erheblichen Erleichterung, wenn der Gerichtsprozess abgeschlossen ist", sagt Dieter Naber, ärztlicher Leiter der Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg. "Zwar hat die Trauer natürlich kein Ende, aber es ist oft ein Anfang, um den Verlust zu verarbeiten", sagt der Professor. Für die Hinterbliebenen sei der Prozess ein wichtiger Schritt.
"Ich war zwar selbst nicht dabei, als es passierte, doch ich habe mich mit ihren Freunden unterhalten, die alles miterlebt haben. Daraus macht man sich selbst ein Bild von den letzten Minuten im Leben des eigenen Kindes", sagte Cordula Fuß drei Monate nach dem grausigen Unfall. Am 31. Oktober 2010, in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag, stand Kim-Laura um 2.04 Uhr mit Freunden an einer Bushaltestelle an der B 75. Plötzlich ertönte das Geräusch quietschender Autoreifen. Der junge Barsbütteler am Steuer eines 3er-BMW hatte wenige Hundert Meter vor der Bushaltestelle die Kontrolle über sein Auto verloren. Der BMW schleuderte in Richtung Menschentraube. Kims Freunde konnten noch rechtzeitig zur Seite springen, die 16-Jährige nicht. Der BMW erfasste das Mädchen und schleuderte es rund 20 Meter durch die Luft. Die Schülerin flog über sechs Autodächer hinweg und schlug auf den Pflastersteinen eines Gebrauchtwagenhofs auf. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.
Der schwer verletzte Unfallfahrer wurde in seinem Auto eingeklemmt. Die Auswertung einer Blutprobe ergab später, dass der junge Mann 1,8 Promille im Blut hatte. Einen Tag nach dem Unfall gleicht der Ort an der B 75 einem Trümmerfeld. Zwischen den demolierten Autos haben Freunde von Kim Blumen gelegt und Kerzen aufgestellt. Ein Foto steckt in dem Blumenmeer. Es erinnert an einen lebensfrohen Teenager.