Der CDU-Landtagsabgeordnete Mark-Oliver Potzahr über die Schwierigkeit, Pädagogen im Land zu halten
Ahrensburg. Mark-Oliver Potzahr ist seit 2009 Landtagsabgeordneter. Im Reinbeker Wahlkreis setzte er sich gegen Martin Habersaat (SPD) durch - und gewann damit in einer Hochburg der Sozialdemokraten. Nun ist sein Wahlkreis in Gefahr. Er könnte der Wahlrechtsänderung zum Opfer fallen. Potzahrs politische Karriere begann früh bei der Jungen Union Stormarn, dessen Ehrenvorsitzender er seit 2006 ist. Der 40-Jährige arbeitet noch in Teilzeit als Teamleiter bei Shell. Sein Job ist nach Polen verlegt worden. Ende März endet deshalb sein Engagement. Dann ist er Vollzeit-Landtagsabgeordneter - und hofft, das über die nächste Wahl hinaus bleiben zu können.
Hamburger Abendblatt:
Herr Potzahr, bei unserem letzten Interview kurz vor der Landtagswahl haben Sie zum Thema Sparen gesagt, dass man sich den Sozialetat des Landes einmal genauer angucken müssen. Nun sind sie Mitglied im Sozialausschuss des Landtags. Haben Sie im Etat etwas gefunden, was sich streichen lässt?
Mark-Oliver Potzahr:
Ja, wir haben einiges gefunden. Wir haben in jedem Etat gespart, also auch im Sozialetat, der mit der größte ist. Da gab es auch ein paar Dinge, die den meisten Ärger gemacht haben. Wohlfahrtsverbände, die weniger Geld bekommen. Auch in meinem Bereich - ich bin jugendpolitischer Sprecher - gab es Kürzungen bei den Jugendverbänden. Es ist uns aber gelungen, das so abzumildern, dass die Jugendverbände damit einigermaßen leben können.
Christdemokraten haben zumindest früher gern mal behauptet, im Sozialetat werde das Geld zum Fenster herausgeworfen. Haben Sie dafür Belege in Schleswig-Holstein gefunden?
Es ist relativ schwierig, das zu beantworten. Ich selber habe das nicht entdecken können. Aus dem Sozialministerium gibt es aber schon die Nachricht, dass man da einige merkwürdige Vorgänge gefunden hat. Proteste wurden früher abgemildert, indem man das Scheckbuch gezückt hat.
Können Sie da ein Beispiel nennen?
Nein, kann ich eben nicht. Das sind Interna aus dem Ministerium.
Wer via Internet in die Dokumentation des Landtags guckt, findet zwei Drucksachen, die ihre Unterschrift tragen. In einem Änderungsantrag vom Mai 2010 ging es um das Landesprojekt "Kein Kind ohne Mahlzeit", das damals bis zum Jahresende verlängert wurde. Danach sollte es vom Bund fortgeführt werden - mit Mitteln der neuen Hartz-IV-Regelsätze und des Bildungs- und Teilhabepakets. Diese Mittel gibt es bis heute nicht, weil sich Bundestag und Bundesrat nicht auf eine Regelung einigen können. Ärgert Sie das, dass man da in Berlin nicht zu Potte kommt?
Das ärgert mich sehr. Der Landessozialminister hat jetzt eine Übergangslösung gefunden. Die Mittel fließen weiter, bis Bund und Länder eine Lösung gefunden haben. Schon der ursprüngliche Gesetzentwurf der Berliner Koalition war eine deutliche Verbesserung. Er ist dann im Vermittlungsausschuss an ein paar wichtigen Stellen nachgebessert worden. Dass das jetzt scheitert, macht mich schon ärgerlich. Es geht doch darum, dass es jetzt endlich losgeht und die Kinder das Geld für Teilhabe und Bildung auch bekommen. Am meisten ärgert mich, dass es jetzt an sachfremden Diskussionen wie dem über den Mindestlohn scheitert.
Die Bürgermeister sagen, das Bildungspaket ist gut. Sie sind auch bereit, die Auszahlung des Geldes zu organisieren. Aber sie fürchten, auf den Kosten sitzen zu bleiben. Ist diese Sorge berechtigt?
Ich las in der Presse den schönen Begriff "Vollkostenausgleich".
Hört sich gut an.
Ja, das hört sich gut an, wenn es so käme. Die Kommunen haben aber in dem Punkt kein Mitspracherecht, sie sitzen da nicht mit am Tisch. Ich kann mir einen Vollkostenausgleich nicht vorstellen. Wenn Sie eine Regelung vereinbaren, die für die gesamte Bundesrepublik mit ihren Unterschieden gilt, für Ballungsgebiete wie für ländliche Regionen, dann gibt es immer Gewinner und Verlierer.
Vor der Landtagswahl haben Sie als eines der Ziele, die Sie als Angeordneter erreichen wollen, die Stärkung der Gymnasien genannt. Ist Ihnen das gelungen?
Das Reinbeker Gymnasium bekommt mittlerweile 80 Prozent der Reinbeker Schüler. Von einer Bedrohung durch die Gemeinschaftsschule kann also nicht die Rede sein. Zugleich muss man sagen, dass die sogenannte demografische Rendite nicht das gebracht hat, was wir erhofft hatten. Im Wahlkampf waren wir ja noch davon ausgegangen, dass mit sinkenden Schülerzahlen kleinere Klassen gebildet werden können. Aufgrund der desolaten Haushaltslage ist das in weite Ferne gerückt. Es ist uns nicht gelungen, die Situation der Gymnasien zu verbessern. Das liegt auch daran, dass wir einen Lehrermangel haben. Nicht alle Stellen können besetzt werden. Deshalb müssen wir versuchen, die Menschen wieder dazu zu bewegen, Lehrer zu werden.
Da müsste man die Rahmenbedingungen attraktiver gestalten. Nun hat die Kieler Koalition aber gerade die Arbeitszeit erhöht, ohne mehr Gehalt zu zahlen.
Das ist keine attraktive Veränderung. In Schleswig-Holstein gibt es auch kein Weihnachtsgeld. Wir haben im Haushalt aber kein Geld, um eine Gehaltserhöhung zu finanzieren. Wir müssen zumindest gucken, dass wir die Lehrer, die hier studieren, hier halten.
Sind Sie zufrieden mit dem Gastschulabkommen, dass nun nach monatelangen Verhandlungen zustande gekommen ist?
Ich bin äußerst zufrieden gewesen, dass es dann doch noch geklappt hat. Der Weg dahin war holprig. Aber nicht Schleswig-Holstein hat das Abkommen gekündigt. Das war die grüne Schulsenatorin in Hamburg. Jetzt haben mich aber die ersten Nachrichten erreicht, dass es wohl in der Praxis Probleme gibt. Da geht es um Dinge, die eigentlich in dem Abkommen geregelt sind. Die aber dennoch nicht dazu geführt haben, dass eine Schülerin aus Schleswig-Holstein in Hamburg Aufnahme gefunden hat. Ich habe das Bildungsministerium gebeten, das mit Hamburg zu klären. Langfristig müssen wir zu einer gemeinsamen Schulplanung mit Hamburg kommen. Dieses Gastschulabkommen kann nur ein Zwischenschritt sein. Es zementiert ja nur den Status quo vor Kündigung durch Hamburg. Wir sind eine wachsende Region. Viele Hamburger ziehen zu uns. Die wollen ihre Kinder vielleicht weiter in Hamburg zur Schule gehen lassen. Und das muss auch möglich sein - ohne die Tricks anwenden zu müssen, die es früher gab und die es heute wahrscheinlich immer noch gibt. Aber da haben wir noch viel Arbeit vor uns. Die Sichtweise ändert sich mit der Entfernung von Hamburg. Dementsprechend hat der Bildungsminister Klug, der aus Kiel kommt, auch eine andere Position als viele, die aus dem Hamburger Umland kommen. Wir müssen hier so weit zusammenwachsen, dass die Landesgrenze keine Mauer für Bildung ist.
Sie haben in drei Parlamenten Erfahrungen gesammelt: in der Reinbeker Stadtverordnetenversammlung, im Kreistag und nun im Landtag. Wo macht die Arbeit am meisten Spaß?
Sie sehen, dass ich bei der Antwort ein bisschen zögere. Der Kreistag bringt mir allein schon deshalb viel Spaß, weil die Funktion, die man da inzwischen hat, dazu führt, dass es wenig Fragen gibt, bei denen ich nicht mitentscheide. In Kiel ist man als neuer Abgeordneter nach anderthalb Jahren zwar in seinem Fachbereich akzeptiert. Aber bei wichtigen Fragen der Finanz- oder Innenpolitik ruft der Fraktionsvorsitzende natürlich nicht bei mir an, um zu erfahren, was ich darüber denke. In Stormarn kann ich am meisten mitbestimmen. Aber das hat auch lange gedauert. Ich sitze seit 1998 im Kreistag. Davor habe ich nur Parteipolitik in der Jungen Union gemacht. Anfangs habe ich gedacht: Okay, ich gehe jetzt in den Kreistag, um Sozis zu verhauen. Dann habe ich schnell gemerkt, dass das nicht die Art ist, wie man praktische Politik macht. Wir haben im Jugendhilfeausschuss, dessen Vorsitzender ich bin, viel erreicht, weil wir mit anderen Fraktionen gemeinsam Politik gemacht haben. Im Landtag gibt es eine sehr strikte Trennung zwischen Oppositions- und Regierungsparteien. Da denkt man schon mal: Der Vorschlag von den anderen ist doch ganz gut. Und das geht leider nicht, dem dann zuzustimmen.
Also ist der Landtag dann doch der Ort, um Sozis zu verhauen?
Ja, wobei das nicht hauptsächlich meine Intention ist. Auf der anderen Seite hat auch die Opposition die Neigung, möglichst immer die Regierung zu verhauen. Ein paar Dinge würden schon besser laufen, wenn alle anerkennen würden, dass man eine gemeinsame Lösung braucht.
Das Verfassungsgericht hat dem Parlament aufgegeben, das Wahlrecht zu verändern und den Landtag dann neu wählen zu lassen. Alle Fraktionen sind sich darin einig. Nun hat ein CDU-Landtagsabgeordneter vorm Bundesverfassungsgericht Klage gegen das Urteil des Landesverfassungsgerichts erhoben. Finden sie das in Ordnung?
In der Klage drückt sich zumindest ein Unwohlsein aus, das viele Abgeordnete haben. Das hat auch mein direkter Mitbewerber Martin Habersaat von der SPD am Tag nach dem Urteil sehr deutlich geäußert. Das Urteil ist einmalig in der deutschen Geschichte. Das Verfassungsgericht beendet einfach mal vorzeitig die Legislaturperiode des Parlaments. Da gibt es durchaus einige Verfassungsexperten, die das kritisch sehen. Aber ich sitze jetzt nicht da und drücke dem Kollegen die Daumen, dass seine Klage erfolgreich sein möge.