Bank-Geheimnisse: In unserer Serie treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute ist es Bundesliga-Fußballtorwart Benedikt Pliquett
Ahrensburg. Benedikt Pliquett ist groß. Sehr groß. Genau 1,99 Meter. "Ich hab noch Bilder, da war der noch ganz klein", sagt Jens Mommsen, der den heutigen Bundesligaprofi beim SSC Hagen Ahrensburg trainierte. Gerade hat Mommsen den Keeper des FC St. Pauli auf dem Gelände des Sportvereins entdeckt. Pliquett sitzt auf einer Holzbank am Rande des Sportplatzes, auf dem er als kleiner Junge zwischen den Pfosten hin und her flog.
Nicht nur Jens Mommsen grüßt den Torwart. Immer wieder wird das Gespräch unterbrochen. Weggefährten und Betreuer rufen ein Hallo herüber. Sie freuen sich, ihren ehemaligen Spieler wiederzusehen. "Ich war bestimmt drei bis vier Jahre nicht mehr hier", sagt Pliquett. Den Verein, bei dem seine Karriere begonnen hat, hat er dennoch natürlich nicht vergessen: "Ich schaue immer wieder gern vorbei, schließlich habe ich die ersten neun Jahre meiner Laufbahn hier verbracht."
Mit fünf Jahren begann der Ahrensburger das Fußballspielen in der G-Jugend. "Früher hießen die aber noch Pampers-Kicker", sagt er. Im Tor hat er zunächst nicht gestanden. "Angefangen habe ich auf dem Feld, immer in zentralen Positionen in Abwehr, Mittelfeld und Sturm", sagt Pliquett. Allerdings sei ihm oft die Puste ausgegangen. "Ich hatte schnell Seitenstechen", sagt er und fügt schmunzelnd hinzu: "Wahrscheinlich, weil ich immer kurz vor den Spielen noch etwas gegessen habe."
So stellten die Trainer Benedikt schließlich ins Tor. "Das hat mir von Anfang an Spaß gemacht", sagt der inzwischen 25-Jährige. Schon früh habe er einen großen Ehrgeiz entwickelt. "Noch hier im Hagen hatte ich meinen ersten Torwarttrainer", sagt er, "für mich stand nämlich früh fest, dass ich Fußballer werden wollte."
Mit 13 Jahren wechselt der Ahrensburger zum VfL Oldesloe. "Dort war die Perspektive besser. Man wurde mehr gefordert und gefördert", sagt er über den Schritt. In der Kreisstadt muss er sich durchbeißen, das Niveau im Training und bei den Punktspielen ist höher. "Ich bin nie das große Torwarttalent gewesen", gibt Benedikt Pliquett zu, "ich musste den Kampf annehmen. Weil ich mich immer unbedingt durchsetzen wollte, habe ich es dann auch immer geschafft."
Für sein großes Ziel, später als Fußballprofi in den großen Stadien der Republik auflaufen zu können, nimmt der Teenager viele Entbehrungen in Kauf. "Alkohol habe ich das erste Mal getrunken, als ich 19 war", sagt er. Und während seine Freunde und Mitschüler am Wochenende Partys feierten, blieb er zu Hause, um sich auf die Spiele vorzubereiten. "Das war schon schwer, aber ich habe es dann immer mit meinem sportlichen Erfolg rechtfertigen können. Ich wollte es ja so."
Schon bald werden die Talentspäher der großen norddeutschen Klubs auf Pliquett aufmerksam. Ostern 2000 ruft Ralf Schehr vom Trainerstab des Hamburger SV bei der Familie an. "Er fragte, ob ich mir vorstellen könnte, für den HSV zu spielen. Ich werde nie vergessen, wie ich durch unser Haus gehüpft bin", erinnert sich Pliquett. Der erste Schritt zur Erfüllung seines Traums.
"Das war schon krass", sagt der Torhüter heute. Er wechselt zum Bundesliganachwuchs, zieht in das HSV-Jugendinternat. Dort dreht sich in den nächsten dreieinhalb Jahren alles um den Fußball. Unter Trainer Kurt Jara darf der junge Mann sogar mit den Profis trainieren. "Die Anforderungen waren viel höher als im Amateurbereich. Es war alles viel schneller, viel athletischer", sagt er.
Bei allem sportlichen Einsatz kommt aber auch die Schule nicht zu kurz. 2004 macht er Abitur in Hamburg. Die Eltern möchten, dass ihr Sohn eine Lehre macht oder ein Fernstudium beginnt. "Beworben habe ich mich dann auch, aber ich weiß heute nicht einmal mehr wofür", sagt Benedikt Pliquett, "ich wollte nur Fußball spielen." Auch wenn seine Eltern es lieber gesehen hätten, dass er einen gewöhnlicheren Beruf ergreift, haben sie den Weg des Juniors immer mitgetragen. "Sie haben mir immer geholfen, das werde ich nie vergessen."
Weil der Schlussmann beim HSV nicht so recht vorankommt, wechselt er Anfang 2004 zum VfB Lübeck. Dort wird er jedoch nicht glücklich. "Das war keine gute Zeit", sagt er heute. Nachdem es jahrelang nur aufwärts zu gehen schien, gerät sein Traum ins Stocken. Nach nur fünf Monaten kehrt er nach Hamburg zurück. Zum FC St. Pauli.
"Ich habe im Verein als dritter Torwart der zweiten Mannschaft angefangen", sagt Pliquett. Auch wenn es auf dem Feld für ihn zunächst noch nicht so gut läuft, fühlt er sich gut. Schließlich darf er das Trikot seines Lieblingsvereins tragen. "Zwar bin ich mit meinem Vater auch mal zum HSV gegangen, aber eigentlich fand ich St. Pauli schon immer cool. Beim Bundesligaaufstieg 2001 habe ich als Fan auf dem Heiligengeistfeld mitgefeiert."
Auch der Stadtteil hat es ihm angetan. "Ich habe in St. Pauli meinen Zivildienst abgeleistet, habe die Menschen dort und ihre Probleme gut kennengelernt", sagt er. Der Verein bedeutet ihm viel: "Ich identifiziere mich voll und ganz mit dem, wofür der FC St. Pauli steht." Das zeigt er auch nach außen: Er trägt ein Piratenhalstuch und einen Pullover mit der Aufschrift "Love St. Pauli, Hate Rascism".
Um für den Klub seines Herzens die Bälle zu halten, gibt Benedikt Pliquett alles. "Ich habe mich voll reingehauen und um meinen Platz gekämpft. Ich wollte es unbedingt schaffen", sagt er. Er lebt konsequent für den Fußball. "Das ist mein Beruf. Eigentlich muss man den ganzen Tag auf das Training zuschneiden." Am Ende der Saison 2007/2008 hat er sein Ziel erreicht: Er ist die Nummer eins, Stammkeeper in der Zweiten Bundesliga.
Doch Pliquett kann sein Glück nur kurz genießen. "Im Training habe ich mir das Handgelenk gebrochen. Für einen Torwart natürlich sehr unglücklich." Der Verein verpflichtet den erfahrenen Bundesligatorhüter Matthias Hain, und auch nach seiner Genesung spielt Pliquett nur wenig.
Bei einem der wichtigsten Spiele der vergangenen Jahre für den FC St. Pauli ist er jedoch dabei. Am 33. Spieltag der vergangenen Saison erlebt er den Aufstieg in die erste Liga nicht als Fan mit, sondern als Spieler. Matthias Hain ist verletzt, der Kiezklub gewinnt 4:1 bei Greuther Fürth. "Als wir das 2:1 gemacht haben, wusste ich, dass wir es schaffen würden. Beim 3:1 musste ich auf dem Platz heulen." Benedikt Pliquett ist in der höchsten deutschen Spielklasse angekommen.
Jetzt ist wieder der Kämpfer gefragt. In den ersten Spielen haben seine Konkurrenten Matthias Hain und Thomas Kessler den Vorzug erhalten. Auch an diesem Sonntag im Derby gegen den Hamburger SV darf Benedikt Pliquett nur zuschauen. Er glaubt aber an seine Chance: "Ich werde noch in dieser Saison meine Einsätze bekommen und wieder die Nummer eins werden." Klare Worte von einem, der immer darum kämpfen musste, seine Ziele zu erreichen.
"Ich bin doch nicht bei St. Pauli, um auf der Bank zu sitzen", sagt er. Der Ahrensburger will den sportlichen Erfolg. Unbedingt. "Wenn das nicht klappt, muss ich mich umorientieren", sagt er und fügt hinzu: "Aber das steht im Moment nicht zur Debatte." Aufgeben ist nichts für einen Mann wie Benedikt Pliquett. Er will sich durchsetzen, so wie er es bisher immer getan hat. Angefangen auf dem Sportplatz des SSC Hagen.
Nach dem Gespräch geht der Profifußballer noch mal zu seinem ehemaligen Trainer. Er schaut zu, wie Jens Mommsen mit einer Jugendmannschaft Torschussübungen macht. Vielleicht ist ja einer dabei, der es in die Bundesliga schaffen wird. Einer wie Benedikt Pliquett.